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Wer kann Bundesrat? Rytz, Glättli und …

Die Frau der Stunde und wohl auch mögliche Kandidatin, sollten die Grünen tatsächlich einen Anspruch auf Regierungs-Beteiligung stellen: Partei-Chefin Regula Rytz. Foto: Peter Klaunzer/Keystone
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Am Sonntag um 18 Uhr sollte Grünen-Präsidentin Regula Rytz die Bombe platzen lassen. Fordern die Grünen jetzt einen Sitz im Bundesrat? Der Moment wäre günstig. Doch Rytz bleibt zurückhaltend. Man sei mit dem heutigen Bundesrat nicht einverstanden, sagt sie, und ja, die Grünen wären bereit für Regierungsverantwortung. Nach konkreten Plänen klingt das nicht.

Historiker Hans-Ulrich Jost sagt denn auch: «Die Grünen müssen ihr Resultat in vier Jahren konsolidieren, bevor sie Anspruch auf einen Bundesratssitz geltend machen können.» Das ergebe sich aus der Geschichte. Die Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (Vorgängerin der SVP) hat nach ihrer Gründung im Jahr 1917 zwölf Jahre warten müssen, bis sie Teil der Landesregierung wurde. Bei der SP dauerte es noch länger. Als 1919 das Proporzsystem eingeführt wurde, verdoppelte die Partei ihre Nationalratssitze auf 41. Einen Bundesratssitz bekam sie erst 24 Jahre später, mit fast einem Vierteljahrhundert Verzögerung. Die SP sei allerdings wegen des marxistischen Parteiprogramms als unschweizerisch bezeichnet worden, sagt Jost.

Blockbildung im Bundesrat

Ende der Neunzigerjahre ging es der erstarkten SVP ähnlich. Linke Parteien sprachen ihr die Bundesrats-Kompatibilität ab, auch die Grünen: Fraktionschefin Cécile Bühlmann sagte am Tag der Gesamterneuerungswahlen im Nationalratssaal: «Die SVP isoliert die Schweiz gegen aussen und spaltet die Gesellschaft gegen innen. Aus der Sicht der Grünen hat sie damit das für die Konkordanz noch verträgliche Mass an Zumutungen überschritten; sie hat sich damit selbst aus dem Spiel der Konkordanz hinausmanövriert und gehört deshalb aus Sicht der Grünen nicht mehr in diese Regierung.»

Dennoch: Dass die Grünen schon dieses Jahr in den Bundesrat einziehen, hält Historiker Jost für möglich: «Es könnte einen Coup geben, wie damals bei der Wahl von Eveline Widmer-Schlumpf.» Die aktuelle Blocksituation im Bundesrat begünstige ein solches Szenario. Noch mit dem Brückenbauer-Bundesrat Didier Burkhalter (FDP) wäre es unwahrscheinlicher gewesen, sagt Jost. Weil Rechts- und Linksblock nicht so klar voneinander getrennt gewesen seien. Die Wahl von Ignazio Cassis habe das verändert. Heute gilt: Vier rechts gegen drei Mitte-links. Die Chance, dass es zu einem Coup kommt, schätzt der emeritierte Professor auf 10 Prozent.

Dennoch: Wer wären die grünen Anwärter? Eine Auslegeordnung.

Regula Rytz

Regula Rytz, Parteipräsidentin der Grünen seit 2012, in der Altstadt von Bern. Foto: Keystone

Die Grünen-Präsidentin wäre eine logische Kandidatin. Sie hat am Wahlerfolg massgeblich Anteil, seit sieben Jahren ist sie Parteipräsidentin, davon die ersten fünf Jahre in Kooperation mit der Waadtländerin Adèle Thorens. Sie hat eine lange Ochsentour bei der Partei hinter sich: politische Sekretärin, Stadtparlamentarierin, Mitglied der Exekutive, Nationalrätin. Doch das Wichtigste im Hinblick auf eine Bundesratskandidatur: Die 57-Jährige ist weit über ihr Parteilager hinaus akzeptiert, obwohl sie laut dem NZZ-Rating die am weitesten links stehende Parlamentarierin ist. Bei der Wiederwahl in die Berner Stadtregierung erzielte sie 2008 das beste Resultat aller Kandidierenden.

Balthasar Glättli

Fraktionschef Balthasar Glättli. Foto: Keystone

Der 47-jährige Fraktionspräsident sitzt seit 2011 im Nationalrat und dort in den Schlüsselkommissionen Staatspolitik und Sicherheit. Er politisierte sich schon als Schüler auf mannigfaltige Art und wurde schliesslich Zürcher Gemeinderat, auch dort war er Fraktionschef. Glättli engagiert sich für klassisch linke Anliegen wie eine humanitäre Migrationspolitik oder die Interessen der Mieter. Sein Nachteil für die Wahl in ein bezüglich Minderheiten austariertes Gremium: Er ist ein Mann und kommt aus der Deutschschweiz. Und er hat keine Exekutiverfahrung.

Béatrice Métraux

Béatrice Métraux, Waadtländer Staatsrätin. Foto: Keystone

Die Waadtländer Staatsrätin hätte diesbezüglich einen Vorteil. Die 64-jährige Franko-Schweizerin ist seit acht Jahren Regierungsrätin im grössten Westschweizer Kanton. Als sie 2011 den Sitz des zurücktretenden SVP-Regierungsrats Jean-Claude Mermoud eroberte, war die Waadt erstmals von einer rot-grünen Mehrheit regiert, und sie ist es bis heute. Métraux hat in Frankreich und in der Schweiz Recht studiert und arbeitete fast 20 Jahre lang in der Bundesverwaltung, zuerst beim Bundesamt für Flüchtlinge, dann beim Institut für Rechtsvergleichung. Danach hatte sie Einsätze in Afrika, unter anderem als Anwältin.

Bernhard Pulver

Bernhard Pulver, zwölf Jahre lang Regierungsrat, heute Lehrbeauftragter. Foto: Keystone

Der Berner Politiker hätte wohl gute Wahlchancen. Er wurde 2006 als erster Grüner in den Berner Regierungsrat gewählt und hat sich seither als überparteilich beliebter und konzilianter Politiker etabliert. Ausserdem hat er sich in der Bildungspolitik schweizweit einen Namen gemacht. Vor seiner Zeit als Regierungsrat war er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundesamt für Justiz und Lehrbeauftragter für Staatsrecht an der Universität Neuenburg. Nach zwölf Jahren Exekutivtätigkeit trat er 2018 zurück. Heute ist er Verwaltungsratspräsident des Inselspitals und Lehrbeauftragter an der Uni Bern. Er lebt mit seinem Lebenspartner zusammen und engagiert sich für Pink Cross.

Isaac Reber

Isaac Reber, Baselbieter Baudirektor. Foto: Keystone

Von einem ähnlichen Schlag ist der Grünen-Baudirektor aus Baselland. Auch er geniesst überparteilich viel Sympathien, ansonsten wäre er im bürgerlichen Halbkanton gar nie Regierungsrat geworden. Dort haben FDP und SVP traditionell vier von fünf Regierungssitzen, ein Grüner im Regierungsrat schien daher noch vor zehn Jahren undenkbar. Reber gelang 2011 die Sensation, er verdrängte die SVP aus der Exekutive und liess sogar noch den FDP-Kandidaten hinter sich. Er hat Geografie studiert und ein Nachdiplomstudium in Raumplanung absolviert. Wie Bernhard Pulver und Béatrice Métraux hat er mehrere Jahre Exekutiverfahrung in einer kantonalen Regierung hinter sich.

Und die Grünliberalen?

Weniger Anspruch auf einen Bundesratssitz haben die Grünliberalen, sie kommen auf 16 Sitze im Nationalrat, die Grünen auf 28. Grünliberale Politiker könnten in den Planspielenallenfalls als mögliche Kompromisskandidaten ins Spiel kommen, wenn es darum geht, linke Kandidaten der Grünen zu verhindern. Mögliche Kandidaten wären dann:

Grünliberale-Fraktionschefin Tiana Moser und Parteipräsident Jürg Grossen. Foto: Keystone

Die grünliberale Zürcherin Tiana Moser machte am Sonntag zwar ein unerwartet schlechtes Resultat. Dennoch ist sie als Fraktionschefin und Aushängeschild der Grünliberalen, die ebenfalls beträchtlich zugelegt haben, eine mögliche Kandidatin. Dasselbe gilt fürParteipräsident Jürg Grossen. Der Elektroplaner und Unternehmer ist seit 2011 im Nationalrat und hat vor zwei Jahren das Parteipräsidium von Parteigründer Martin Bäumle übernommen.