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Meinung

Kolumne des Ombudsmanns
Wem und was nützen Medien-Leaks? 

Rummel, Ruhm, Pulitzerpreis: Die US-Reporter Bob Woodward (rechts) und Carl Bernstein lösten 1973 dank eines Leaks die Watergate-Affäre aus.
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Medien lieben Leaks. Wie seinerzeit Bob Woodward und Carl Bernstein von der «Washington Post» bei Watergate: Rummel, Ruhm, Pulitzerpreis. Die Quelle? Ein stellvertretender FBI-Direktor, allenfalls frustriert, weil er nicht Direktor geworden war.

Medien lieben Leaks. Wie Anfang Woche im Fall der US-Website «Politico», der ein 98-seitiger Urteilsentwurf des amerikanischen Obersten Gerichts in Sachen Recht auf Abtreibung zugesteckt wurde – laut einer Reaktion «der Primeur des Jahrzehnts». Die Quelle? Noch unbekannt, ausser der Redaktion, aber wie stets bei Leaks jemand mit einem Motiv. 

Mittels einer Güterabwägung ist jeweils zu entscheiden, ob die geleakte Information von öffentlichem Interesse oder nur eine Form von privatem Rachefeldzug ist. Bei «Politico» ist der Fall klar: Für Millionen von Amerikanerinnen ist es von Interesse, dass sie aufgrund eines Urteils der Mehrheit des Supreme Court die Kontrolle über ihre Körper verlieren dürften. Egal am Ende, wer geleakt hat, ob ein besorgter liberaler Gerichtsschreiber oder ein strategisch motivierter rechter Adjunkt. Infrage kommen rund 40 Personen; eine Untersuchung ist angekündigt.

Ein «bezahlter Leserbriefschreiber» fühlt sich verunglimpft; er habe etwas für die Schweiz leisten wollen.

Als nicht von öffentlichem Interesse stuft ein Leser zwei Artikel ein, die Anfang Jahr in den Tamedia-Titeln über ihn erschienen sind und die zum Teil auf geleakten Mails basieren. Die Beiträge berichten, der Betreffende, einst in dieser Zeitung noch als «begnadeter Strippenzieher» porträtiert, habe als Berater im Sold des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) Leserbriefe geschrieben, in denen er nach der Vertragsauflösung VBS-Vorsteherin Viola Amherd als «führungsschwach» kritisierte. Im Dienst des NDB hingegen habe er die Bundesrätin noch gelobt. Auch heisst es, er habe den damaligen Direktor des Geheimdienstes politisch beraten, was unzulässig sei.

Das VBS, dem der NDB unterstellt ist, stuft das verdeckte Engagement laut Artikel als «inakzeptabel» ein und distanziert sich davon. Es hat Abklärungen aufgenommen und die parlamentarische Aufsicht eingeschaltet. Der Leser selbst erklärt, er habe als Patriot, Sicherheitsexperte und international erfahrener Netzwerker etwas für die Schweiz leisten wollen. Er fühlt sich als «bezahlter Leserbriefschreiber» verunglimpft, obwohl er seit 50 Jahren solche Briefe schreibt. Er argumentiert, der Autor habe sich vom VBS instrumentalisieren lassen. Und das Departement habe ihn ins Visier genommen, weil er ein Kritiker des US-Kampfflugzeuges F-35 sei. Die Tätigkeit für den NDB und die Kontakte ins Parlament seien stets «korrekt und professionell» abgelaufen.

In einem Interview mit dem Branchenmagazin «Persönlich» hat er 2004 eine seiner 14 Lebensregeln wie folgt definiert: «Mut, Ehrlichkeit, angstloser Widerstand in der Sache geben Profil. Auch wenn man unter die Räder kommen kann.» Was dem Leser, wie er sagt, als Folge der beiden Geschichten passiert ist. Er und seine Familie hätten anonyme Droh- und Schmähbriefe erhalten, die ihn als Lügner, Landesverräter und Hochstapler diffamierten, und er habe ein Beratermandat verloren. Auch seien Freundschaften aus der Armeezeit zerbrochen. Aufgeben aber will der frühere Radfahrer-Oberst nicht und weiterhin Leserbriefe schreiben. «Affaire à suivre», schreibt er am Ende seiner Mails.