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Meinung

Gastkommentar zum Rahmenabkommen
Weiterwursteln mit der EU geht nicht

Mit ihr muss sich die Schweiz einigen: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
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Bereits seit November 2018 liegt ein Entwurf für ein institutionelles Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union vor. Dieses ist seit seiner Veröffentlichung umstritten. Die Kritik ist noch lauter, seit die EU und das Vereinigte Königreich ein Handelsabkommen abgeschlossen haben, weil in diesem eine Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs fehlt.

Woran krankt die Diskussion über das Rahmenabkommen, den konkreten Entwurf und die Beziehung zur EU eigentlich? Offenbar geht es hier um Grundsätzliches und nicht um ein paar materielle Bestimmungen, die noch zu «präzisieren» sind. Zwei elementare Punkte haben bisher in der innerschweizerischen Diskussion zu wenig Beachtung gefunden:

Erstens ist festzustellen, dass sich die europapolitische Diskussion in der Schweiz weitgehend in Spiegelfechterei erschöpft. Das heisst, die Schweiz diskutiert im Wesentlichen mit sich selbst, quasi eine dauerhafte «Arena»-Sendung des Schweizer Fernsehens im Grossen, als ob es da keinen Vertragspartner gäbe, dessen Interessen und rote Linien vielleicht auch zu berücksichtigen wären.

Zweitens folgt daraus ein zentraler Punkt, der in der schweizerischen Diskussion immer noch zu wenig Beachtung zu finden scheint: Für die EU besteht ein fundamentaler Unterschied zwischen der Teilnahme am EU-Binnenmarkt, sei es auch nur eine auf einzelne Sektoren beschränkte, und einem konventionellen Marktzugang zum Beispiel aufgrund eines Freihandelsabkommens.

Für die EU ist der Status quo im Verhältnis zur Schweiz keine Option.

Ausser der SVP möchte die Mehrheit der schweizerischen Politik an einer – wenn auch auf einzelne Bereiche beschränkten – Teilnahme am gemeinsamen Markt mit der EU festhalten. Als Preis dafür verlangt die EU für diese Teilbereiche eine Übernahme der Regeln des Binnenmarkts, teilweise eine Harmonisierung und bis zu einem gewissen Grad eine Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs. Im zweiten Fall gewähren sich die Schweiz und die EU lediglich einen erleichterten Zugang zum jeweils anderen Markt. Aber es gibt keine gleichberechtigte Teilnahme der Schweizer Unternehmen und Bürger am Binnenmarkt der EU.

Für die EU ist der Status quo im Verhältnis zur Schweiz keine Option: Die bilateralen Abkommen in ihrer heutigen Form werden mittelfristig erodieren, bis von der Substanz der Abkommen nichts mehr übrig ist. Für die Kritiker des Rahmenabkommens besteht aber ein Konflikt zwischen der Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs und einer laufenden, sogenannt dynamischen Rechtsanpassung mit der direktdemokratisch legitimierten Souveränität der Schweiz.

Diese Unverträglichkeit konnte bei den bilateralen Abkommen I und II noch einigermassen übertüncht werden. Mit dem Rahmenabkommen kommt aber der Tag der Wahrheit: Bei der vorgenannten Sichtweise lässt sich hier ehrlicherweise kein Kompromiss finden. Folglich wäre es konsequent, zu sagen, dass man das Projekt der Teilnahme am Binnenmarkt aufgibt. In dieser Hinsicht hat, ob einem dies nun passt oder nicht, nur die SVP eine klare Position.

Der Preis für einen Fehlschlag beim Rahmenabkommen ist ein erheblicher Rückschritt in den wirtschaftlichen Beziehungen.

Was bleibt dann noch? Vielleicht müsste man die Idee einer Revision des Freihandelsabkommens von 1972 wieder aufnehmen oder versuchen, ein neues, umfassendes Freihandelsabkommen mit der EU zu verhandeln. Der Preis dafür ist ein erheblicher Rückschritt in den wirtschaftlichen Beziehungen und beim Zugang zum EU-Binnenmarkt – daraus folgend höhere Kosten für die Industrie und das Risiko von Verlagerungen und vom Abbau von Arbeitsplätzen in der Schweiz.

Nach dem Präjudiz des Vertrags zwischen den Briten und der EU scheint es durchaus möglich, dass die Union zu einem – umfassenden – Freihandelsabkommen Hand bietet. Allerdings müsste sich die Schweizer Politik endlich einmal grundsätzlich entscheiden, ob sie eine Teilnahme am Binnenmarkt oder ein Freihandelsabkommen will.

Die entsprechende Wahl – welche auch immer – und ihre Konsequenzen muss sie der Bevölkerung erklären können, und zwar mit überzeugenden Argumenten. Auch hier gilt: Man kann nicht den Fünfer und das Weggli haben. Oder wie die Briten zu sagen pflegen: «You can’t have your cake and eat it!»