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Zero-Trend beim Apéro
Aargauer Winzerpaar erfindet zufällig ein neues alkoholfreies Getränk

Kathrin und Claudio Hartmann: Das Winzerpaar aus Schinznach-Dorf vor den letzten übrigen Kisten mit seinem Apéro-Verjus.
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In Kürze:
  • Der Alkoholkonsum in der Schweiz ist in den letzten 20 Jahren gesunken.
  • Ein Aargauer Winzerpaar entwickelte ein alkoholfreies Apérogetränk.
  • Das Getränk wird aus unreifen, spät geernteten Trauben mit Demeter-Qualität hergestellt.
  • Das Winzerpaar plant, die Produktion seines Apéro-Verjus auszuweiten.

Der Geschmack ist weder süss noch sauer, die Aromen liegen in der Mitte zwischen Traubensaft und Wein. Ein Aargauer Winzerpaar hat das neue Getränk erfunden: Apéro-Verjus. Es liegt im Trend, denn es ist von Natur aus alkoholfrei und eine gesuchte Alternative zu Wein. Winzer können so ohne grossen Aufwand am Wachstumsmarkt der Zero-Getränke teilhaben.

«Auf die Idee kamen wir durch einen Zufall», erzählt Kathrin Hartmann. Weil es 2021 Probleme mit dem Laub der Weinstöcke gab, musste die Bio-Winzerin aus Schinznach-Dorf einige der Trauben verfrüht abnehmen. «Wir haben sie in Kisten gesammelt, denn wenn sie am Boden verfault wären, hätten sie die Kirschessigfliegen angelockt.» Was sie mit den noch nicht ausgereiften Früchten in Demeter-Qualität anfangen sollten, wussten sie jedoch nicht. Zum Weinkeltern fehlte es ihnen an Süsse. Sauer aber waren sie nicht.

Eine Hand hält eine Flasche alkoholfreies Getränk namens Verjus, umgeben von Holzboxen mit weiteren Flaschen. Claudio und Kathrin Hartmann stellen das Getränk im Weingut Hartmann her.

«Zum Wegwerfen fand ich sie zu schade und habe deswegen beschlossen, sie einfach zu pressen», sagt Claudio Hartmann. «Ich hätte nicht gedacht, dass das ein neues Produkt geben könnte.» Genau das wurde es jedoch: Der Saft schmeckte überraschend gut.

Verjus ist bislang vor allem als Essigersatz in der gehobenen Küche bekannt. Dafür wird er aus grünen, frühreifen Trauben hergestellt. Bei der Verjus-Version von Hartmanns werden die Reben ein wenig später geerntet. Ihr Saft ist fast unbehandelt und wird nur zweimal von Schwebeteilchen gereinigt, die sich am Boden absetzen.

Schweizer Wein-Alternativen fehlen

Anders als beim alkoholfreien Wein ist kein umständlicher Alkoholentzug durch Vakuumdestillation oder Umkehrosmose nötig. Damit werden auch keine Aromen entzogen und der Geschmack bleibt unverfälscht. Alkohol entsteht bei der Verjus-Herstellung erst gar nicht, der Saft wird noch vor dem Vergären pasteurisiert.

In den letzten 20 Jahren ist der Alkoholkonsum in der Schweiz gesunken: Von 10,6 Liter pro Kopf reinen Alkohols im Jahr 2001 auf 8 Liter 2023, wie eine Studie zeigt. Der Verband Swiss Wine will dieses Frühjahr eine Studie zu den Trinkgewohnheiten der Konsumentinnen und Konsumenten veröffentlichen.

Schweizer Winzerinnen und Winzer fangen erst an, Wein-Alternativen zu entwickeln. «Es ist sehr wichtig, dass der Weinsektor neue Produkte entwickelt, auch wenn es sich um begrenzte Mengen handelt, da Schweizer Alternativen zu Importprodukten angeboten werden müssen», sagt Nicolas Joss von Swiss Wine.

Mit Kohlensäure versetzter Trink-Verjus ist vereinzelt schon auf dem Markt und bietet eine Alternative zu Schaumweinen. Auch ein alkoholfreies Getränk namens Vertschi auf Verjus-Basis gibt es, bei diesem sind aber Traubenzucker und Aromen zugesetzt. Hartmanns bieten dagegen den puren Saft. Ihr Verkaufspreis für die Halbliterflasche: 9.50 Franken. Die Gewinnmarge fällt dabei für das Winzerpaar ähnlich hoch aus wie beim Wein.

Gastro-Umsatz mit Alkohol stabil

Im Gastgewerbe ist der Rückgang des Alkoholkonsums nicht stark spürbar: Gemäss einer jährlichen Studie im Auftrag von Gastro Suisse ist unklar, ob der Anteil alkoholischer Getränke zu- oder abnimmt. Ihr Anteil bei den Bestellungen der Restaurant- oder Hotelgäste hält sich zwischen 18 und 22 Prozent und auch die Ausgaben der Gäste für Bier, Wein und Spirituosen sind stabil: «Der Umsatzanteil war in den letzten Jahren keinen grossen Schwankungen ausgesetzt», sagt Gastro-Suisse-Sprecherin Iris Wettstein. Was sie jedoch anfügt: «Dennoch stellen wir fest, dass immer häufiger auch alkoholfreie Variationen angeboten werden.»

Claudio und Kathrin Hartmann, Winzerpaar, sitzen an einem Holztisch mit einer Flasche ihres alkoholfreien Aperogetränks vor einem Plakat ihrer Weinkellerei ck-Weine.

Rund 2000 Flaschen hatten Hartmanns von ihrem Verjus 2023 hergestellt, und sie sind fast ausverkauft. Vergangenes Jahr war wegen des Wetters der Ertrag ihrer Reben so gering, dass sie nur Weine produzierten. «Wir wollten unsere Stammkundschaft und unsere Händler nicht enttäuschen und brauchten die gesamte Ernte für sie», sagt Claudio Hartmann. «Zudem hatten wir das Potenzial erst später erkannt.»

Das Winzerpaar machte weder Werbung, noch suchte es neue Absatzkanäle. Inzwischen zieht die Nachfrage nach dem Zero-Apéro aber stark an. Seit letzten Herbst beliefern Hartmanns einen Delikatessenladen in Aarau und einen Bioladen in Olten.

Neben ihrer Privatkundschaft verkaufen sie momentan ihren Verjus nur über diese beiden Detailhändler. Kathrin Hartmann sagt aber: «Ich denke, wir werden in Zukunft wesentlich stärker auf den Verjus setzen und viel mehr davon herstellen.»