Trendwende bei Immobilien Wegen steigender Zinsen: Mieten ist wieder günstiger als Kaufen
Wer jetzt eine 4½-Zimmer-Wohnung erwirbt, zahlt mehr als eine Mieterin oder ein Mieter. Sinken darum nun die Kaufpreise?
Für den Immobilienmarkt ist es fast schon eine Zeitenwende: Laut einer Studie der Credit Suisse ist es zum ersten Mal seit 13 Jahren wieder günstiger, eine Immobilie zu mieten, statt sie zu kaufen. Die Marktexperten der Grossbank verglichen dafür die Gesamtkosten für Wohneigentum beim Abschluss oder Verlängern einer Hypothek mit den Mietkosten einer vergleichbaren Wohnung.
Benjamin Manz, Geschäftsführer des Vergleichsdienstes Moneyland.ch, bestätigt den Trend: «Die Tendenz ist, dass sich Mieten wieder eher lohnen kann im Vergleich mit Kaufen.» Es komme aber stark auf den Einzelfall an, daher rät Manz, die persönlichen Ausgaben zu vergleichen.
Warum ist Mieten wieder billiger als Kaufen?
Verantwortlich für die Trendwende ist der steile Anstieg der Zinssätze von Fixhypotheken. Der Zinssatz für eine 5-jährige Festhypothek ist seit Anfang 2021 von 1,1 Prozent auf beinahe 2 Prozent gestiegen. Die höheren Finanzierungskosten führen dazu, dass Eigentümer gemäss Berechnungsmodell der Credit Suisse rund 3 Prozent pro Jahr mehr für Wohneigentum bezahlen müssen als Mietende eines vergleichbaren Objekts. Vor einem Jahr hätten Eigentümerinnen dagegen im Mittel von einem Eigentumsrabatt von mehr als 15 Prozent profitieren können, so die CS-Ökonomen.
Wie gross fällt der Unterschied aus?
Die CS nimmt dafür ein konkretes Beispiel und vergleicht die inserierten Eigentumspreise mit den Mieten für eine 4½-Zimmer-Wohnung. Die Bankexperten gehen von einer Hypothek mit einem Belehnungswert von 80 Prozent des Liegenschaftswerts aus. Die Hypothek hat zudem einen festen Zins für fünf Jahre. Bei diesem Rechenbeispiel kommen die CS-Experten zum Schluss: «Gemäss unserer Schätzung lag der jährliche Aufwand für eine Eigentumswohnung bei einer Vollkostenrechnung bei 23’128 Franken. Für eine gleich grosse Mietwohnung musste im selben Zeitraum eine Jahresmiete von 22’440 Franken bezahlt werden.»
Den grössten Anteil an den Kosten der Hausbesitzer machen die Hypothekenzinsen aus. Im 1. Quartal 2022 summieren sie sich auf 10’966 Franken. Das entspricht einem Anstieg um 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die reinen Zinskosten der Hypothek sind damit noch tiefer als der Mietzins. Eigenheimbesitzer müssen aber weitere Kosten einkalkulieren.
Welche Kosten wurden berücksichtigt?
Rund ein Prozent des Liegenschaftswerts müssen Hausbesitzerinnen als Unterhaltskosten berücksichtigen. Das erhöht den Aufwand für das Wohneigentum im Rechenbeispiel um 9078 Franken.
Miteinbezogen werden im CS-Modell auch steuerliche Aspekte wie der Eigenmietwert und der Schuldzinsabzug. Zudem berücksichtigen die Experten auch Risiken wie das finanzielle Klumpenrisiko, weil das Kapital im Eigenheim gebunden ist. Eingerechnet sind aber auch Chancen, denn die Liegenschaft könnte an Wert gewinnen. Werden alle diese Faktoren berücksichtigt, steigen die gesamten Wohneigentumskosten im Rechenbeispiel auf 23’128 Franken.
Die CS-Experten rechnen ferner mit ein, dass es sich lohnen kann, das Geld in Wertpapiere statt in Beton zu investieren. Dieser Effekt werde häufig unterschätzt. Für die vergangenen 40 Jahre rechnen die Bankökonominnen bei einem gut diversifizierten Aktienfonds mit einer realen jährlichen Rendite zwischen 8 und 9 Prozent. Über den langen Zeitraum steigt das Startkapital dank Zinseszinseffekt von 300’000 Franken auf nahezu 1,5 Millionen Franken, wenn man nur schon von einer Durchschnittsrendite von 4 Prozent ausgeht.
Was ändert sich für Eigenheimbesitzerinnen und -besitzer?
Laut der Schweizerischen Nationalbank haben mehr als 80 Prozent der Schweizer Wohneigentümerinnen und Immobilienbesitzer eine Festhypothek abgeschlossen. Für sie ändert sich kurzfristig nichts. «Viele Haushalte dürften somit ihre Hypothekenzinsen über mehrere Jahre fixiert haben und werden noch eine Zeit lang von tiefen finanziellen Aufwänden für ihr Wohneigentum profitieren», so das Fazit der CS-Experten.
Die Wohneigentümerinnen und Eigenheimbesitzer müssen aber damit rechnen, dass sie nach Ablauf ihrer Fixhypothek ebenfalls höheren Hypothekenzinskosten ausgesetzt sein können. Damit wird das Wohnen für sie zwar teurer, der Preisanstieg sollte aber keine existenziellen Gefahren mit sich bringen: Gemäss der Tragbarkeitsrechnung der Banken sollten sie einen Zinssatz von 4,5 oder 5 Prozent finanziell tragen können.
Wird der Hauskauf jetzt billiger?
Die CS-Expertinnen und -Experten gehen davon aus, dass die höheren Kosten einige Interessierte für Wohneigentum abschrecken könnten. Dadurch könnte die Nachfrage für Wohneigentum sinken. Die Preise dürften dennoch nicht nachgeben: «Da die Neubautätigkeit rückläufig ist und nur sehr wenige Objekte auf dem Markt sind, gehen wir unverändert von einem Nachfrageüberhang und weiter steigenden Immobilienpreisen aus», so die CS-Ökonomen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.