Bundesrat zum Krieg in der Ukraine«Heute ist ein trauriger Tag, wie wir ihn schon lange nicht mehr gesehen haben»
Bundespräsident Ignazio Cassis gab eine Erklärung zum Kriegsausbruch in der Ukraine ab. Allerdings blieben auch nach dem Auftritt einige Fragen offen. Die Medienkonferenz zum Nachlesen.
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Das Wichtigste in Kürze:
Der Bundesrat hielt am Donnerstag eine ausserordentliche Sitzung wegen des Ukraine-Konflikts ab. Am Nachmittag äusserte sich Ignazio Cassis zu den Entwicklungen. Anschliessend beantworteten Fachexpertinnen und -experten Fragen der Medien.
Kernaussage: Die Schweiz übernimmt faktisch die meisten bisher getroffenen EU-Sanktionen gegenüber Russland – allerdings mit einer gewichtigen Ausnahme. Vorerst sollen demnach in der Schweiz keine Gelder von Privatpersonen eingefroren werden. Zudem spricht die Schweiz offiziell nicht von Sanktionen, sondern von Massnahmen, um die Umgehung von Sanktionen zu vermeiden.
Die Reaktionen auf den Auftritt fallen teilweise harsch aus.
Für weitere Informationen wechseln Sie bitte auf unseren News-Ticker – die aktuellsten Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.
Zusammenfassung
Gemäss den Aussagen verschiedener Experten des Bundes übernimmt die Schweiz faktisch die meisten bisher getroffenen EU-Sanktionen gegenüber Russland – mit einer Ausnahme. Vorerst sollen demnach in der Schweiz keine Gelder von Privatpersonen eingefroren werden.
Bei den Finanzsanktionen gegen Personen geht die Schweiz etwas weniger weit als die EU, verschärft aber ihre heutige Praxis ebenfalls. So soll die Meldepflicht durch eine strengere, noch zu definierende Massnahme ersetzt werden, wie Botschafter Erwin Bollinger am Donnerstag vor den Medien in Bern bekanntgab.
Juristisch betrachtet setzt der Bundesrat seinen Entscheid über die heute geltende sogenannte Umgehungsverhinderungsverordnung um. Diese nimmt die allermeisten Massnahmen der EU auf. «Das hat mehr oder weniger denselben Effekt, als wenn Sanktionen direkt beschlossen würden», sagte Bollinger. Man spricht aber formell nicht von Schweizer Sanktionen.
Im Syrien-Konflikt hatte der Bundesrat die Sanktionen der EU eins zu eins übernommen. Nun setzt der Bundesrat auf das gleiche Konzept wie bei der Krim-Annexion durch Russland im Jahr 2014. Die Schweizer Kommunikation über die Sanktionen werde in Russland wohl «anders aufgefasst», so Bollinger.
Laut Regierungssprecher André Simonazzi geht es dem Bundesrat «letztlich darum, dass die Schweiz nicht für die Umgehung von Sanktionen gegenüber Russland benutzt werden kann». (SDA/jbu)
Die ganze Pressekonferenz zum Nachschauen
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Ende der Medienkonferenz
Die Pressekonferenz ist beendet. In den sozialen Medien wird derweil munter weiter über den enigmatischen Auftritt gelästert:
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Kritik an Cassis
Derweil ärgert sich Mitte-Chef Gerhard Pfister darüber, dass sich Bundespräsident Cassis nicht selber den Fragen der Journalisten gestellt hat:
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Bürokraten-Slang
Immer wieder wird nach einer einfachen Zusammenfassung der beschlossenen Massnahmen verlangt. Die Antworten bleiben aber im Ungefähren. Der Bürokraten-Slang der Fachexperten treibt die anwesenden Medienschaffenden zunehmend zur Verzweiflung. Besonders viele Nachfragen provoziert der semantische Unterschied zwischen «Sanktionen» und «Massnahmen zur Umgehung von Sanktionen». Nennt die Schweiz hier dieselben Massnahmen, welche die EU beschliesst, einfach anders, um Russland nicht auf die Füsse zu treten?
Notrecht wird nicht genutzt
Dass russische Personen, die in der EU auf der Sanktionsliste stehen, in der Schweiz weiterhin frei über ihr Geld verfügen können, provoziert weitere Nachfragen. Ein Journalist betont: Der Bundesrat hätte mit der heutigen Rechtslage die Gelder russischer Personen einfrieren können, gestützt auf das im Embargo-Gesetz verankerten Notrecht. Warum man das nicht mache?
Erwin Bollinger verweist auf die Prozesse in der Schweiz – der Wille des Bundesrats sei, dass man dies auf diesem Weg mache.
Die Schweiz und die bewaffnete Neutralität
Ein NZZ-Journalist will wissen, wie die Schweiz ihre bewaffnete Neutralität interpretiere, angesichts der Tatsache, dass eine Renaissance der Machtpolitik stattfinde. Ob man mit Russland in der «Sprache des 19. Jahrhunderts» sprechen werde.
Staatssekretärin Livia Leu sagt, sie glaube nicht, dass das nötig sei – vielmehr sei aus ihrer Sicht die Sprache des 21. Jahrhunderts angezeigt. Der Weg führe über den Dialog.
Welche Gefahr droht in der Schweiz?
Ob man sich Sorgen machen müsse um die Sicherheit in der Schweiz, will ein Westschweizer Medienschaffender wissen.
Man befasse sich intensiv mit der aktuellen Lageentwicklung und beurteile mögliche sicherheitspolitische Auswirkungen auf die Schweiz, lautet die Antwort. Im Moment sehe man noch keinen «Verteidigungsfall», dafür sei der Konflikt zu weit weg. Aber langfristig könne sich das Vorgehen von Russland auswirken, indem die «Hemmschwelle für Gewalt im zwischenstaatlichen Bereich sinkt». Davon könnte die Schweiz langfristig auch betroffen sein.
Geld droht abzufliessen
Eine Journalistin fragt, ob nicht die Gefahr bestehe, dass in der EU sanktionierte Personen jetzt noch ihr Geld aus der Schweiz abziehen, bevor hier allenfalls ebenfalls Verschärfungen beschlossen werden.
Antwort: «Dieser zeitliche Gap ist natürlich ein Problem, aber das ist leider so.» Weil wir die Schweiz ein reines Nachvollzugsgesetz habe, müssen sie warten, was die EU macht. «Das ist einfach so.»
Warum übernimmt die Schweiz Sanktionen nicht 1:1?
Bei der russischen Invasion handle es sich um den krassesten Verstoss des Völkerrechts seit Jahrzehnten, betont ein Journalist dieser Zeitung. Er will wissen, warum die Schweiz die Sanktionen der USA und der EU angesichts dieser Tatsache nicht 1:1 übernehme.
Livia Leu antwortet, die Schweiz übernehme nie Sanktionen der USA – das stehe nicht zur Debatte. «Wir sind ein neutrales Land, wie Sie wissen.» Die Schweiz erbringe traditionell ihre Guten Dienste und könne diese Rolle schlecht erfüllen, wenn man sich zu nahe an die Positionen einzelner Seiten begebe. Ein Konflikt werde am Ende nie militärisch gelöst, sondern immer im Dialog.
Migration in die Schweiz
Weitere Frage: Ist die Schweiz bereit, allfällige Flüchtlinge aus der Ukraine rasch und unbürokratisch aufzunehmen?
Christine Schraner Burgener, Staatssekretärin für Migration, antwortet: Migrationsbewegungen seien zu erwarten. Im Moment spielten sich diese innerhalb des Landes ab, von Ost nach West. Bald dürfte auch Polen betroffen sein, wo es eine grosse ukrainische Diaspora gibt. Auch andere Grenzstaaten wie Rumänien dürften die Flüchtlingsbewegungen unmittelbar zu spüren bekommen.
Die Schweiz werde sicher solidarisch sein, die Lage beobachten und Gesuche prüfen, so Schraner Burgener. Justizministerin Karin Keller-Sutter reise demnächst nach Brüssel und werde sich mit ihren europäischen Pendants zum Thema austauschen.
Gelder werden in der EU eingefroren, in der Schweiz nicht
Ein Tamedia-Journalist will es an einem Beispiel festmachen: Angenommen, ein Mitglied der russischen Duma hat eine Million auf einer europäischen Bank – dann wird das Geld eingefroren. Was passiert, wenn das Geld auf einem Schweizer Konto liegt?
Antwort: In der Schweiz gelte für das Geld lediglich eine Meldepflicht und es dürften keine neuen Kundenbeziehungen eingegangen werden. Das Geld darf vom russischen Politiker aber verwendet und abgezogen werden. Ob es hier eine Verschärfung geben könnte, wonach die betroffene Person keine neuen Gelder mehr auf das Schweizer Konto transferieren dürfte, werde nun geprüft.
Keine eigenständigen Massnahmen
Weiterhin scheint Verwirrung zu herrschen. Mehrere Journalistinnen haken nach, ob die Schweiz keine eigenen Massnahmen ergreife.
Die Antwort, etwas verklausuliert: Nein. Grundsätzlich prüfe die Schweiz rollend die Sanktionen der EU und lehne ihre Massnahmen gegebenenfalls daran an, sagt Botschafter Erwin Bollinger. Man stütze sich auf das Embargogesetz, das per Definition ein Nachvollzugsgesetz sei.
Bei den Finanzsanktionen sei eine Verschärfung vorgesehen, ergänzt EDA-Staatssekretärin. Wie diese genau ausgestaltet sei, müsse noch abgeklärt werden.
Schwammige Formulierung
Ein Journalist dieser Redaktion verlangt eine Präzisierung des Statements von Ignazio Cassis: Ob die Schweiz die Sanktionen der EU vollumfänglich übernehme oder weiterhin primär die Umgehung der Sanktionen über die Schweiz vermeiden wolle.
Erwin Bollinger, Leiter des Leistungsbereichs Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen, antwortet: Einerseits gehe es um die Sanktionsumgehung, andererseits würden aber auch gewisse Massnahmen der EU übernommen, indem etwa die Liste der sanktionierten Personen Anwendung finde.
Fragerunde
Ignazio Cassis hat geschlossen, nun kommen die angekündigten Fachexpertinnen und -experten aufs Podium, um den Medienschaffenden Rede und Antwort zu stehen.
Cassis hofft auf Dialogbereitschaft
Die Sicherheit in Europa sei gefährdet, Machtpolitik erlebe eine Renaissance, beklagt Cassis. Das Völkerrecht werde zunehmend ignoriert. Trotz dieser Spannungen habe es in den letzten Monaten immer auch die Bereitschaft zum Dialog gegeben. Auch wenn es im Moment leider unrealistisch erscheine: «An diese Dialogbereitschaft müssen wir wieder anknüpfen.» Eine stabile Friedensordnung für alle Staaten müsse das Ziel sein. Alle Massnahmen, die dieses Ziel verfolgen, würden von der Schweiz unterstützt.
Bundesrat verschärft Ton
Neutralität heisse nicht Indifferenz, sagt Cassis. Deshalb nehme der Bundesrat angesichts des russischen Vorgehens eine klare Haltung ein. Nachdem die EU bereits gestern zusätzliche Sanktionen erlassen hat, will auch die Schweiz einzelne Massnahmen verschärfen, insbesondere im Finanzbereich. Damit gehe man weiter als 2014, als nach der Annexion der Krim lediglich Massnahmen ergriffen wurden, damit die Schweiz nicht als Umgehungsplattform missbraucht wird.
Ein «trauriger Tag»
Ignazio Cassis spricht von einem «traurigen Tag, wie wir ihn schon lange nicht mehr gesehen haben». Von einem Tag, «wie wir ihn auch nie hätten sehen wollen». Die aktuelle Krise betreffe nicht nur Russland und die Ukraine, sondern ganz Europa. Der Bundesrat habe den russischen Vertreter in der Schweiz heute ins Aussendepartement zitiert. Man habe ihm die Haltung des Bundesrats unmissverständlich mitgeteilt. Der Bundesrat fordere Russland dazu auf, seine Truppen unverzüglich vom ukrainischen Boden zurückzuziehen.
Start des Point de Presse
Es geht los. Bundespräsident Ignazio Cassis tritt vor die Medienschaffenden. Begleitet wird er von den folgenden Fachexpertinnen und -experten:
Livia Leu, Staatssekretärin des EDA
Erwin Bollinger, Botschafter, Leiter des Leistungsbereichs Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen, Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO)
Botschafter Hans-Peter Lenz, Leiter Krisenmanagement-Zentrum EDA
Corinne Cicéron Bühler, Botschafterin und Direktorin der Direktion für Völkerrecht des EDA
Christine Schraner Burgener, Staatssekretärin für Migration
Benoît Revaz, Direktor des Bundesamts für Energie (BFE)
Update
Der Bundespräsident lässt weiter auf sich warten. Allein auf Youtube warten bereits über 6000 Personen auf den Beginn des Livestreams der Pressekonferenz.
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