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Meinung

Kommentar zu Verzicht auf Sanktionen
Jetzt muss der Bundesrat Haltung zeigen

Russlands Aussenminister Sergei Lawrow im Gespräch mit Bundespräsident Ignazio Cassis im Januar in Genf. 
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Akute Kriegsgefahr in Europa! Die russische Aggression gegen die Ukraine erinnert an vergessen geglaubte Zeiten. Friedensgewissheiten, die sich in unseren freiheitlichen Gesellschaften etabliert haben, müssen schmerzhaft revidiert werden.

Der Westen hat eine konsequente Antwort auf den eklatanten völkerrechtlichen Regelverstoss gefunden: Die EU, Grossbritannien und die USA haben umgehend neue wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland erlassen. Und die Schweiz? Die will erst «analysieren», was zu tun ist. Der Bundesrat braucht noch Zeit, um zu entscheiden, ob die Schweiz die Sanktionen ihrer wichtigsten Handelspartner übernehmen soll. 

Dieses Zögern ist falsch. Der Westen muss der grössenwahnsinnigen Politik des Herrschers im Kreml geschlossen entgegenstehen. Wladimir Putin verletzt die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine – und foutiert sich damit um Werte, die auch für die kleine Schweiz im Herzen Europas fundamental sind.

Gerade im Finanzbereich hätten wir einen grossen Hebel, um Druck auf Putin und seine Entourage auszuüben.

Es reicht deshalb nicht mehr, nur die Umgehung der internationalen Sanktionen zu verhindern, wie es der Bundesrat bei der Krim-Annexion 2014 beschlossen hatte. Die Schweiz muss diese Sanktionen übernehmen. Gerade im Finanzbereich hätten wir einen grossen Hebel, um Druck auf Putin und seine Entourage auszuüben. Schliesslich senden Privatpersonen aus Russland in kein anderes Land der Welt mehr Geld als in die Schweiz. Und der von russischen Investoren kontrollierte Kapitalbestand hat sich hierzulande seit den internationalen Sanktionen 2014 sogar vervielfacht. 

Das Zögern des Bundesrats ist auch nicht ehrlich. Die Schweiz hätte ausreichend Zeit gehabt, sich auf die Eskalation des lange schwelenden Konflikts vorzubereiten. Stattdessen versteckt sie sich – wieder einmal – hinter ihrer Neutralität. Dabei hätte sie durchaus Spielraum: Rechtlich verlangt diese zentrale aussenpolitische Richtschnur nur den Verzicht auf die militärische Unterstützung einer Konfliktpartei. Die politische Ausgestaltung der Neutralität hingegen hat sich stets gewandelt. 

Momentan muss sie einer Güterabwägung standhalten: Wie sehr schadet ein sanktionspolitischer Positionsbezug der diplomatischen Vermittlerrolle der Schweiz? Die Guten Dienste sind zwar ein fragiles Geflecht der internationalen Diplomatie, denen es grösste Sorge zu tragen gilt. Doch selbst die neutralste Vermittlerin kennt Grenzen. Sie liegen dort, wo sie ihre ureigensten Werte verraten müsste. 

Ein klarer Fall einseitiger Aggression

Zeigt die Schweiz nun Haltung, tut sie das darüber hinaus nicht in einem diffusen Konflikt mit wechselseitigen Angriffen. Sie tut es in einem klaren Fall einseitiger Aggression. Die Neutralität verpflichtet sie daher nicht zu einer gleichen Distanz zu beiden Parteien. 

Die Russlandfrage sollte für den Bundesrat Anlass sein, das aussenpolitische Selbstverständnis der Realität des 21. Jahrhunderts anzupassen. In einer multipolaren Welt wird es für die Schweiz immer komplexer, ihre Neutralität zu leben. Die Fronten verlaufen nicht mehr eindeutig, China etabliert einen neuen Normenraum, autoritäre Herrscher gefährden das Staatengefüge, die westlichen Werte sind unter Druck. Nur mit einer gefestigten Haltung kann die Schweiz diesen Gefahren begegnen – auch als neutrale Vermittlerin.