Corona-Medienkonferenz«Wir müssen aus der Risikozone herauskommen»
Die Experten von BAG und Taskforce äusserten sich zur aktuellen Corona-Situation in der Schweiz. Der Point de Presse zum Nachlesen und -schauen.
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Das Wichtigste in Kürze:
Die Fallzahlen in der Schweiz sind laut Taskforce immer noch viel zu hoch.
Das BAG befürchtet eine weitere Zunahme der Fallzahlen im Januar.
Die Experten fordern eine sofortige Reduktion der Fallzahlen und breit angelegte Tests in der Bevölkerung.
Als zusätzliche Massnahmen empfehlen die Experten «vermehrtes Homeoffice» und ein Hinauszögern des Präsenzunterrichts auf den 11. Januar nach dem Schulstart.
Sorge bereitet auch die Mutation des Coronavirus. Einige Fälle sind in der Schweiz bereits aufgetaucht, weitere sind zu erwarten.
Im Januar beginnt die neue RS; die Armee sei mit Schutzkonzepten und geschultem Personal bereit, sagt Brigadier Droz.
Fazit der PK
Taskforce: «Wir brauchen eine Sicherheitsreserve»
Die wissenschaftliche Covid-19-Taskforce des Bundes hat im Kampf gegen das Coronavirus eine sofortige Reduktion der Fallzahlen und breit angelegte Tests in der Bevölkerung gefordert. «Wir müssen aus der Risikozone herauskommen und eine Sicherheitsreserve schaffen für den Fall weiterer erschwerender Faktoren», sagte Taskforce-Präsident Martin Ackermann am Dienstag vor den Medien in Bern.
Man müsse alles unternehmen, damit sich die Zahl der Infektionen alle zwei Wochen halbiere, sagte Ackermann. Zudem müssten die mutierten Virusvarianten schnell und gezielt eingedämmt werden. Dazu plädierte Ackermann etwa für breit angelegte Tests in den Regionen.
Homeoffice und verspäteter Schulstart
Als zusätzliche Massnahmen nannte Ackermann erneut ein «vermehrtes Homeoffice» und ein Hinauszögern des Präsenzunterrichts auf den 11. Januar nach dem Schulstart. Damit sollten Ansteckungen von den Feiertagen nicht in die Schulen geschleppt werden. Einzelne Kantone haben dies bereits verfügt.
Zu hohe Fallzahlen
Die Zahl der Neuansteckungen sei immer noch viel zu hoch, sagte Ackermann zur generellen Lage. In der Schweiz würden im Schnitt rund achtzig Personen pro Tag im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung sterben. Die Schweiz liege damit weltweit auf dem «traurigen» siebten Platz (und hat alle Nachbarländer überholt).
Die Taskforce geht aufgrund von Stichproben davon aus, dass die Verbreitung der hochansteckenden Virusvarianten aus Grossbritannien und Südafrika in der Schweiz derzeit wohl bei unter einem Prozent liege. Ein Blick nach London zeige aber, wie schnell sich diese hochansteckenden Varianten ausbreiten könnten. Dort habe sich etwa die Zahl der Hospitalisationen innerhalb einer Woche verdoppelt.
Eine Grafik von Martin Ackermann zeigt, wie sich die Schweizer Fallzahlkurve mit der neuen Variante entwickeln könnte.
Reproduktionszahl allein nicht verlässlich
Die Politik soll ihre Entscheidungen für Massnahmen gegen das Coronavirus nicht alleine auf dem momentanen Reproduktionswert basieren. Die wissenschaftliche Covid-19-Taskforce des Bundes warnt vor Automatismen rund um die Reproduktionszahl, weil diese ungenau sein könne.
Der sogenannte R-Wert werde geschätzt, sei kompliziert und ungenau, sagte Martin Ackermann, Präsident der wissenschaftlichen Covid-19-Taskforce des Bundes, am Dienstag vor den Medien. Mit jedem konkreten Resultat könne der Wert nachträglich präzisiert werden.
Die Taskforce rät deshalb davon ab, die Reproduktionszahl für Automatismen bei politischen Entscheidungen hinzuziehen. Für Entscheide sollten gemäss Ackermann verschiedene Faktoren berücksichtigt und Experten angehört werden.
Ende der PK
Besten Dank für Ihr Interesse. In Kürze folgt eine Zusammenfassung der Pressekonferenz.
Hilfe für Ältere ohne Computer
Es gibt viele alte Leute, die keinen Computer haben und Mühe damit, einen Termin zu bekommen. Nartey: «Wir haben Hotlines, wo die Personen jemanden ans Telefon kriegen, die sich ihrer Anliegen annehmen können.»
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Im Januar beginnt die RS
«Wer Symptome hat, muss zuhause bleibe», sagt Brigadier Droz. «Ausserdem werden alle neu Einrückenden getestet. Wir haben Schutzkonzepte und eine Generation von Kaderleuten, die sich damit auskennen.»
«In die RS zu gehen, ist auch ein Recht», ergänzt Droz. «Wir haben viele Junge, die vorher und nachher Verpflichtungen haben. Wenn sie die RS nicht machen können, wirft das ihre ganze Planung durcheinander.»
Impfkapazitäten erhöhen?
In der Schweiz könne man die Impfungen wegen der Corona-Mutationen erst erhöhen, wenn weitere Impfstoffe zur Verfügung stehen», sagt Mathys. «Wir müssen mit dem haushalten, was wir haben.»
Vom jetzt zugelassenen Impfstoff gibt es 107'000 Dosen, pro Monat werden 250'000 weitere Dosen geliefert.
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Datenschutz bei Impfungen gewährleistet?
«Wir versuchen allen Impfwilligen einen guten Zugang zu gewährleisten», so Nartey. «Wir wollen es aber auch für die Impfenden vereinfachen.» Dazu werden Tools benutzt, die aktuell vom Datenschutzbeauftragten geprüft werden.
Ein wie in Spanien geplantes Impfregister mit allen Nicht-Geimpften sei in der Schweiz nicht geplant, gibt Mathys Entwarnung. «Es wird kein Impfregister geben – weder mit Geimpften noch Nicht-Geimpften.»
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Hilft die Armee beim Contact Tracing?
Es sei nicht vorgesehen, dass die Armee beim Contact Tracing hilft, so Droz. Die Armee habe andere Aufgaben. «Wir setzen uns dort ein, wo wir aufgeboten werden. Wenn das irgendwann das Contact Tracing ist, werden wir auch das machen.»
Man habe das Contact Tracing weiter ausbauen können, sagt Nartey. Im Kanton Bern habe man eine gute Situation. «Wir können aber nicht zurücklehnen und uns entspannen.»
Busse für geflüchteten Touristen?
Man wisse nicht, ob alle Touristen aus Grossbritannien ausfindig gemacht worden seien. «Das kann ich nicht sagen, da wir nicht wissen, wo sie sich aufhalten», so Mathys. «Wir haben keine detaillierte Aufstellung zur Quarantäne.» Der Tourist, der mit seiner «Flucht» von der Quarantäne geprahlt hatte, müsse keine Busse befürchten. «Es ist schwierig, eine auszusprechen, wenn er nicht mehr da ist», so Mathys. Aber grundsätzlich müsste er gebüsst werden.
Europäische Lösung?
Es mache nach wie vor Sinn, Massnahmen europäisch zu koordinieren, antwortet Mathys. «Wir sind sehr bemüht — vor allem was Reisen und Beschränkungen angeht.»
Gastro-Schliessungen gestützt auf R-Wert: Ein Fehler?
War es ein Fehler, allein aufgrund des stark schwankenden R-Werts zu entscheiden, ob Beizen schliessen müssen? «Wir haben immer dafür plädiert, keine Automatismen einzuführen, sondern einen Entscheid auf verschiedene Faktoren abzustützen. Und dass man vorher auch immer Experten dazu befragt», antwortet Ackermann diplomatisch.
Zufall, welche gefährdeten Personen jetzt eine Impfung erhalten?
«Es ist klar, dass nur wenige Impfdosen vorhanden sind», sagt Mathys, «Aber das wird schnell zunehmen. Bald sollen 250'000 Dosen pro Monat zur Verfügung stehen.»
Kantonsärztin Narthey meint, dass die Priorisierung gesetzt sei, aber es werde in den kommenden Wochen immer besser. Man habe schon informiert, dass es Engpässe geben könne. Doch es bestehe bei den Impfwilligen Verständnis — und vielleicht auch etwas Ungeduld.
Verlängerte Schulferien?
«Wir fordern diese nicht, wir zeigen nur eine Handlungsoption auf», sagt Ackermann. «Eine Verschiebung des Schulstarts auf den 11. Januar wäre eine gute Möglichkeit, um Infektionen zu verhindern.»
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Kantone mit tiefem R-Wert
«Momentan seien die Zahlen zu unzuverlässig, so Mathy — und mit Blick Richtung offene Skigebiete fügt er hinzu: «Ich würde warten, um Lockerungen zu beschliessen.»
Impfen: Offensive beim Pflegepersonal?
«Die Fachgesellschaften sind sensibilisiert», sagt Mathys. «Wir gehen davon aus, dass die Impfbereitschaft höher sein wird, als bei der Grippeimpfung. Wenn wir wieder eine Normalität haben wollen, müssen wir, auch in der Gesamtbevölkerung eine hohe Impfbereitschaft haben.»
Brauchen wir wegen Mutationen stärkere Massnahmen?
«So viel bekannt ist, wirken alle bisherigen Massnahmen auch gegen die neuen Mutationen», so Ackermann. «Die Massnahmen, die ergriffen wurden, werden wirksam sein. Das heisst aber nicht, dass es nicht noch Potenzial gäbe.» Ackermann spricht beispielsweise die Mobilität an, die nach wie vor zu hoch ist. Ausserdem die Möglichkeit einer Quarantäne, bevor die Schule wieder beginnt. «Wir sehen noch mehr Potenzial für Homeoffice», ergänzt Ackermann.
Könnte die Impfkampagne die Szenarien beeinflussen?
«Die Szenarien, die die Taskforce errechnet hat, sind keine genauen Voraussagen», präzisiert Ackermann. «Wir wollen damit zeigen, wie man gegen die Mutationen vorgehen kann, damit wir Zeit gewinnen. Wenn die Impfung dann weiter verbreitet ist, wird es die Fallzahlen und Szenarien sicher nachhaltig beeinflussen.»
Sollte die ETH den R-Wert als Bandbreite statt als genaue Zahl angeben?
«Wir berechnen die R-Zahl anhand von vier Modellen», so Ackermann. «Wenn wir die Pandemie beschreiben, berufen wir uns auch auf andere Indikatoren.»
Korrektur des R-Werts?
Die Fragerunde der Journalisten: Warum wurde der R-Wert so stark nach unten korrigiert und taugt dieser Indikator als Steuerungselement für Massnahmen?
Ackermann: Der R-Wert ist ein elementarer Aspekt einer Epidemie. Sie beschreibt, wie viele Neuinfinfizierte es gibt, aber wir können sie nur abschätzen.
Diese Abschätzungen müsse man kontinuierlich präzisieren. Der R-Wert habe sich in den letzten Tagen stark verändert — deshalb diese Justierungen, so Ackermann.
Entscheidungen sollten laut Ackermann aber immer unter Berücksichtigungen von mehreren Faktoren getroffen werden - auch unter Einzug von Expertinnnen und Experten. «Es sollte keinen Automatismus geben.»
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Brigadier zieht positive Bilanz
Nun übernimmt Brigadier Raynald Droz das Kommando: Die Armee stehe am 56. Tag ihres Einsatzes in der zweiten Welle und konnte rund 50 Prozent der Anfragen für einen Einsatz befürworten.
711 Armeeangehörige und rund 800 Freiwillige seien in der zweiten Welle im Einsatz. Die Bilanz sei positiv, man habe ein Gleichgewicht halten können zwischen den zur Verfügung stehenden Truppen und den Freiwilligen, so Droz. Man sei müde, aber aufgeben sei keine Option.
Wie sich die Fallzahlen entwickeln könnten
Die Taskforce hat zu den neuen Mutationen verschiedene Szenarien ausgearbeitet. In Form von Folien werden diese den Medien präsentiert. Im worst case könnten sich die Zahlen mit den neuen Varianten derart entwickeln, dass eine 50 Prozent höhere Ansteckungsrate denkbar sei.
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