Analyse zur Wahl in Sachsen-AnhaltWas Laschet aus dem Triumph lernen kann (und was nicht)
Die CDU jubelt über einen sensationellen Wahlsieg im Osten. Aber für die Ambitionen von Kanzleranwärter Armin Laschet bedeutet dieser noch nicht viel.
Die deutschen Christdemokraten können noch siegen. Während im März in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz noch die Grünen und die Sozialdemokraten triumphiert hatten, gehörte die letzte Landtagswahl vor der Wahl des Bundestags im Herbst ganz der CDU.
Dabei hatten viele in der Partei dem Urnengang in Sachsen-Anhalt noch regelrecht entgegengezittert. Eine Niederlage gegen die Alternative für Deutschland (AfD) wäre in vielerlei Hinsicht eine Katastrophe gewesen. Stattdessen sorgte Ministerpräsident Reiner Haseloff für einen Sieg, wie ihn in diesem Ausmass niemand erwartet hatte. Statt Kopf an Kopf lag die CDU am Ende 16 Prozentpunkte vor der AfD. Statt bei 27 landete sie bei 37 Prozent – ein Ergebnis, das wie eines aus jener «guten alten Zeit» anmutet, nach der sich viele Christdemokraten so zurücksehnen.
Schnell wurden Stimmen laut, die meinten, der Aufstieg der Grünen sei gestoppt, der Sieg verleihe CDU-Chef Armin Laschet jetzt den nötigen Schwung, um im Herbst Angela Merkel im Kanzleramt abzulösen. Auch wenn es für solche Voraussagen noch zu früh ist: Eine grosse Erleichterung bringt er bestimmt.
Man muss sich nur vorstellen, was los gewesen wäre, wäre die CDU in Sachsen-Anhalt getaucht: Sofort wäre, zumindest in den Medien, die Frage wieder aufgekommen, ob Laschet wirklich der richtige Kanzlerkandidat der Union sei. CSU-Chef Markus Söder hätte aus München wieder gestichelt, vielleicht sogar sondiert, ob ein Umsturz doch noch möglich sei. Das wenigstens bleibt Laschet nun erspart.
Seine Werte in den Umfragen waren schon vor der Wahl von Magdeburg gestiegen, seine Partei liegt nun in allen Erhebungen wieder vor den Grünen von Annalena Baerbock. Diese Dynamik dürfte der jüngste Sieg weiter verstärken, zumal die Grünen in Sachsen-Anhalt mit nur 6 Prozent der Stimmen schwer enttäuschten.
Doch wie viel Glanz nun auch auf Laschet abfallen wird: Der Sieg in Magdeburg gehört im Grunde allein Reiner Haseloff. Er war es, der als «Landesvater» und Amtsinhaber die Wählerinnen und Wähler an sich zu binden vermochte, er war es, der die CDU geschickt als «Bollwerk der Demokratie» gegen die AfD inszenierte.
Beide Wege sind Laschet im Herbst verschlossen: Hausherrin im Kanzleramt ist Angela Merkel – und die tritt im Herbst ab. Und wer verhindern will, dass die AfD die Bundestagswahl gewinnt, ist im Westen nicht auf die CDU angewiesen, sondern hat noch viele andere Parteien zur Auswahl.
Auch politisch taugt Sachsen-Anhalt (wie die anderen Länder im deutschen Osten) nur bedingt als Vorbild: Die Bevölkerung dort ist erheblich ländlicher und veränderungsscheuer als im Westen. Haseloff umwarb sein Volk, indem er betont konservative Töne anschlug, den Mittekurs von Laschet und Merkel kritisierte und vor den Grünen warnte. Von Gendersprache oder offensivem Klima- und Pandemieschutz hält Haseloff gar nichts. Als Kanzlerkandidaten hatte er sich die kantigen Friedrich Merz oder Markus Söder gewünscht, nicht den schwammigen Laschet.
Deswegen ist auch nicht so ganz klar, was die CDU aus Haseloffs Sieg für die Bundestagswahl eigentlich lernen kann. Dessen betont konservativen Töne mögen im Osten verfangen, im Westen schaden sie eher. Dort ist der Hauptgegner nicht die AfD, sondern Baerbock und ihre Grünen. Will Laschet im Herbst die ehemaligen Merkel-Wählerinnen in der Mitte von sich überzeugen, muss er ihnen auch bei Klimaschutz und Gleichberechtigung Angebote machen, die auf der Höhe der Zeit stehen.
Laschet, selbst ein überzeugter Mitte-Politiker, ist sich dieses strategischen Dilemmas sehr bewusst. Er wird darauf mit einem beherzten Sowohl-als-Auch antworten: den Klimaschutz beschleunigen, ja, aber ohne die Arbeitsplätze in der Industrie zu gefährden und den Alltag der Menschen allzu sehr zu verteuern. Die Gleichberechtigung stärken, ja, aber ohne bisher Privilegierte zu sehr vor den Kopf zu stossen.
Herauskommen dürfte ein Kurs der lauen, reaktiven Mitte, der die entsprechenden politischen Widersprüche in der Union eher vernebelt als klärt – ganz ähnlich, wie es Merkel in den vergangenen 16 Jahren gehalten hat. Laschet, der biedere, bedächtige, abwartende Rheinländer, wäre dafür der ideale Repräsentant.
Die Wahl im Herbst dürfte sich an der Frage entscheiden, ob diese abwartende Haltung den Herausforderungen der Zeit und den Bedürfnissen der Menschen noch genügt. Das ambitionierte Reformprogramm der Grünen – aber auch die Vorschläge von SPD oder FDP – hat bei vielen Wählerinnen und Wählern Erwartungen auf einen kraftvollen Neuanfang nach der Ära Merkel geweckt.
Laschet wird sich entscheiden müssen, ob er eher das konservative Grundgefühl in der deutschen Gesellschaft beruhigen oder selbst zu einem Motor der Veränderung werden will. An Herausforderungen mangelt es Deutschland nach der Pandemie jedenfalls nicht.
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