Grüne Kanzler-Kandidatin Auf einmal macht Baerbock Fehler
Erst musste sie ihren Lebenslauf korrigieren, dann Boni nachmelden, nun wartet ein heikler Parteitag: Nach einem Monat Höhenflug ist Annalena Baerbock ins Stolpern geraten.
Mutig wollte Annalena Baerbock auftreten. Die Warnung des grünen Stammvaters Joschka Fischer, die Kanzlerschaft sei eine «Todeszone», wischte sie mit dem Satz beiseite: Sie mache Politik, um Grosses zu bewegen, nicht um sich zu fürchten.
Statt mutig wirkt die 40-jährige grüne Kanzlerkandidatin nach einem Monat Wahlkampf aber eher verunsichert und angespannt. Aus Sorge, Medien und politische Konkurrenz würden ihr jedes Wort im Munde umdrehen, äussert sie sich lieber vage. Nur keine Fehler machen! Dabei war das Konkrete schon bisher nicht die Stärke der grünen Neuausrichtung.
Was passiert, wenn Baerbock inhaltlich mal wackelt, zeigte sich zuletzt mehrfach. Erst erklärte sie die Sozialdemokraten zu den Erfindern der sozialen Marktwirtschaft, dabei war das der Christdemokrat Ludwig Erhard. SPD-Chef Olaf Scholz warf sie vor, sich gegen eine globale Mindestbesteuerung von Unternehmen zu sperren – dabei hat dieser als Finanzminister stets dafür gekämpft.
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Einen allzu diplomatischen Tweet zu den Raketen der Hamas auf Israel musste sie danach so lange nachschärfen, dass es einer Richtigstellung gleichkam. Und eine Interviewaussage von ihr liess sich so verstehen, als ob die Grünen jetzt alle Kurzstreckenflüge verbieten wollten. Als sie relativierte, waren die Gegner längst auf den Barrikaden und schimpften sie «naiv».
Die Patzer waren eher Lappalien, wie sie jedem Spitzenpolitiker unterlaufen. Bei Baerbock fallen sie aber besonders ins Gewicht, weil die Grüne bislang gerade für ihre Faktensicherheit gerühmt wurde. Ihre Partei nimmt etwas erstaunt zur Kenntnis, dass man auf ihre Kanzlerkandidatin plötzlich ganz anders schaut, jetzt, da diese Chancen hat, im Herbst Kanzlerin zu werden. Alle warten geradezu auf Fehler.
25’000 Euro zu melden vergessen
Gravierender als diese Wackler war, dass Baerbock diese Woche einen peinlichen Fehler einräumen musste: Sie hatte vergessen, 25’000 Euro Boni, die sie zwischen 2018 und 2020 von ihrer Partei erhalten hatte, bei der Bundestagsverwaltung zu melden. In den Sinn kam es ihr erst diesen März: Da sorgten Abgeordnete von CDU und CSU für Empörung, weil sie bei der Vermittlung von Schutzmasken Hunderttausende Euro in die eigene Tasche gesteckt hatten. Die Grünen hatten zu den lautesten Kritikern dieser «Selbstbedienungsmentalität» gehört und strikte Transparenz gefordert.
Natürlich ging es bei Baerbock um viel kleinere Summen, um ein «blödes Versäumnis», wie sie selbst meinte, und keinesfalls um Korruption – dennoch warfen ihr CDU und CSU sogleich «Scheinheiligkeit» und «Doppelmoral» vor. Für jemanden, der bei Geld stets maximale Offenheit anmahnt, war es jedenfalls peinlich, auch im Ablauf: Baerbock meldete die Boni zwar auf eigene Initiative nach, bekannt wurde dies aber erst, als die «Bild»-Zeitung nachgefragt hatte.
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Schon kurz zuvor hatte Baerbock einen anderen Status richtigstellen müssen, nachdem Fragen dazu aufgekommen waren: Es ging um ihr Studium und dessen Abschluss, heutzutage ein nicht ganz unwesentliches Element einer politischen Biografie. Viele Medien und Baerbock selbst bezeichnen sie meist als studierte Völkerrechtlerin. Bis 2019 schrieben zudem viele Quellen, unter anderem Wikipedia, sie habe in Hamburg einen Bachelor in Politik und Öffentlichem Recht erworben. Beide Angaben führten aber in die Irre.
Baerbock hat zwar ihr Studium an der renommierten London School of Economics mit einem einjährigen Master in Public International Law abgeschlossen (LLM), eine Juristin in deutschem Sinne ist sie aber nicht. Dazu fehlen ihr insbesondere die Staatsexamina. In Hamburg studierte sie zwischen 2000 und 2004 vor allem Politologie. Nach London wechselte sie nicht nach dem Bachelor, den es damals in ihrem Nebenfach noch gar nicht gab, sondern mit ihrem Vordiplom. Sie hat also einen Master, aber keinen Bachelor.
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Baerbocks Präzisierungen schafften zwar Klarheit, dennoch blieb ein Nachgeschmack: In den sozialen Medien posteten Gegner genüsslich einen Videoschnipsel, in dem Baerbock den Co-Chef der Grünen, Robert Habeck, mit dem Hinweis verspottet, sie komme eben vom «Völkerrecht», nicht vom «Hühner, Schweine, Kühemelken» wie Habeck. Dabei ist dieser Doktor der Philosophie, hat 16 Bücher geschrieben und war fünf Jahre lang Vizeministerpräsident in Schleswig-Holstein.
Ärger hat Baerbock mittlerweile auch noch auf zwei anderen Feldern. Erst nötigte der grüne Querulant Boris Palmer sie mit rassistischen Zitaten zu einem Ausschlussverfahren. Es wird die Grünen bis zur Wahl begleiten und eher unangenehme Geräusche produzieren. Und nun zeichnet sich in drei Wochen auch noch ein heikler Parteitag ab: Linke Grüne haben bereits mehr als 3000 Änderungen am vergleichsweise mittig und vage klingenden Wahlprogramm beantragt – so viele wie noch nie.
Darf es etwas radikaler sein?
Die Kanzlerschaft vermeintlich vor Augen, fordern die Linken Radikalisierungen: einen höheren Preis fürs CO2, einen Stopp des Autobahnbaus und der Mieten, ja selbst das Wort «Deutschland» im Programm soll gestrichen werden. Baerbock wird Mühe haben, alle Wünsche abzumoderieren.
Ihre politischen Flitterwochen jedenfalls sind schon fast vorüber. In manchen Umfragen ziehen die Christdemokraten gerade wieder an den Grünen vorbei. Baerbocks persönliche Werte schwinden. Bis zur Wahl vergehen noch vier Monate. Der Weg durch die «Todeszone» ist noch sehr weit.
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