Tausende Kunden betroffenDeshalb zieht Zalando bei den Rücksendungen die Reissleine
Der Kleiderhändler sperrt Kunden für ein Jahr, die zu viel zurückschicken. Ein Experte sagt, was hinter diesem Schritt steckt und worauf sich Konsumentinnen in Zukunft einstellen müssen.

- Zalando sperrt Tausende Kunden bei übermässigen Retouren für ein ganzes Jahr.
- Der Onlinehändler setzt neu auf höherpreisige Segmente und hat den Konkurrenten About You übernommen.
- Psychologische Tricks sollen Kundinnen von unnötigen Rücksendungen abhalten.
- In der Branche wird ein Ende der kostenlosen Rücksendemöglichkeiten im Onlinehandel erwartet.
Der Onlinehandel ist unter Druck. Chinesische Shops wie Shein oder Temu setzen Zalando zu, dem grössten Kleiderhändler Europas. Er versucht deshalb mit diversen Mitteln, die Kosten zu senken, und greift zu drastischen Massnahmen.
Tausende Kundinnen und Kunden werden von Zalando gesperrt – darunter auch solche aus der Schweiz, wie der «Blick» am Freitag berichtete.
Betroffen sind Personen, die in den letzten zwölf Monaten sehr viele Bestellungen getätigt und den überwiegenden Teil der bestellten Artikel retourniert haben, wie eine Zalando-Sprecherin bestätigt. Es handle sich um 0,02 Prozent der gesamten Kundschaft von 52 Millionen Kunden – also «um eine kleine Kundengruppe».
Wie viel jemand retournieren muss, sodass eine Sperre droht, zeigt das Beispiel einer Frau, über die der «Blick» berichtet. Sie hat in den letzten zwölf Monaten 57-mal bei Zalando bestellt – und zwar für ihre ganze Familie und extra viel, damit sie auswählen konnte, was sie behalten will.
Die Sperrung ist hart. Wie alle anderen Betroffenen kann diese Frau nun ein Jahr lang nicht mehr bei Zalando einkaufen.
Auch Onlinehandelsexperten erachten die Massnahme als bemerkenswert radikal. Darius Zumstein, Digitalmarketing-Professor von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), sieht darin eine Kostensenkungsmassnahme, die Firmen anwenden, um defizitäre Kunden loszuwerden. «Das ist eine De-Investition in schlechte, unprofitable Kunden.»
Zalando setzt wegen Billigkonkurrenz auf Qualität
Er sieht die Massnahme vor dem Hintergrund, dass der ökonomische Druck durch Konkurrenten aus China auf Zalando deutlich gestiegen ist, denn Temu und Shein locken Kunden mit extrem günstigen Preisen und aggressiven Rabatten.
Zalando hat deshalb die Strategie geändert und will nun in höherpreisige Segmente ausweichen. Man wolle mit Qualität überzeugen, sagte der damalige Zalando-Chef im Herbst gegenüber dieser Redaktion.
Der Kleiderhändler muss seine Rentabilität verbessern. Dafür setzt er verstärkt auf personalisierte Empfehlungen und verbesserte Versandlösungen.
Darüber hinaus kauft das Unternehmen zu. Im Dezember kündigte Zalando die Übernahme des Konkurrenten About You an. Der Aktienkurs von About You schnellte in die Höhe, derjenige von Zalando hingegen verlor fast 20 Prozent.
Seither ist der Kurs von Zalando rund 15 Prozent hinter dem deutschen Börsenindex DAX zurückgeblieben. Gut möglich also, dass Zalando sehr viel für About You bezahlt und dass die Anleger deshalb die Übernahme als für Zalando negativ beurteilen.
Händler setzen diverse Tricks ein
Zur Strategie von Zalando gehört auch, noch mehr Drittanbieter zuzulassen, die ihre Artikel über Zalando verkaufen. Für diese Drittanbieter gilt das Markenversprechen von Zalando, wonach Retouren gratis sind, nicht. Sie verlangen manchmal Versandkosten.
Laut Experte Zumstein müssen sich die Konsumenten darauf einstellen, dass die Onlinehändler die Schraube weiter anziehen – insbesondere im Bereich Kleider, wo in der Schweiz rund die Hälfte der Bestellung zurückgeschickt wird.
So werde beispielsweise die Kulanz reduziert, es würden keine aufklebbaren Etiketten mehr mitgeliefert, oder die Verpackungen seien nicht mehr wiederverschliessbar, sodass man neue kaufen muss. «Die Händler werden zunehmend Retouren-unfreundlicher», sagt Zumstein.

Dafür gibt es diverse psychologische Tricks. Kleine Hinweise im Bestellprozess – sogenannte Nudges –, etwa auf Umweltfolgen und den Zeitaufwand, halten die Kunden ab, Bestelltes zurückzuschicken.
Laut einer Auswertung der Universität St. Gallen entscheiden sie sich bewusster, wenn sie darauf aufmerksam gemacht wurden, dass unnötige Rücksendungen Emissionen verursachen. Auch der Verweis auf soziale Normen – etwa dass die meisten Käufer ihre Produkte behalten – reduzierte Rücksendungen.
«Kostenlose Retouren gibt es nicht, es gab sie auch nie», hält Studienautor Philipp Spreer fest. Angesichts schrumpfender Margen realisierten immer mehr Onlinehändler, dass eine effektive Retourenvermeidung wichtig sei, um das Geschäftsmodell stabil zu halten. Sinke die Retourenquote nur um wenige Prozente, habe das, so Spreer, bereits einen gewaltigen Hebel für die Profitabilität.
Wann gehört jemand zu den Viel-Retournierern?
Zalando unternimmt viel, damit die Kundinnen die Blusen und T-Shirts, die sie bestellt haben, behalten. Immer genauere Grössenangaben, Avatare und eine ausgefeilte App, die eine Art digitale Umziehkabine darstellt, sollen dafür sorgen, dass Zalando von Anfang an das richtige Produkt verkaufen kann.
Denn Zalando hält weiterhin an der Gratis-Retoure fest. «Sie ist ein wesentlicher Bestandteil des Zalando-Einkaufserlebnisses», sagt die Sprecherin. Für Experte Zumstein hingegen ist es eine Frage der Zeit, bis sie wieder kostenpflichtig werden. «Das Zeitalter der kostenlosen Retoure ist vorbei.»
Offen ist, ob sich das Aussperren von Viel-Retournierern negativ auf Zalando auswirken wird oder nicht. Denn eine solche Bestrafung dürfte zwar für viele Kunden nachvollziehbar sein, doch diverse treue Zalando-Kunden fragen sich, ab welchem Bestellvolumen sie selber zu den Viel-Retournierern gehören. Diese Bedenken teilt Darius Zumstein, und er gibt zu bedenken: «Jetzt kann Zalando nicht mehr damit werben, dass man alles gratis zurückschicken kann.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.