Philippinischer Polit-Thriller eskaliertWarum Rodrigo Duterte jetzt vor Gericht gestellt wird
Der frühere Präsident wird bei der Rückkehr nach Manila verhaftet. Für sein brutales Regime mit Zehntausenden Toten erwartet ihn nun ein Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof.

- Rodrigo Duterte wurde auf Ersuchen des Internationalen Strafgerichtshofs verhaftet.
- Bei seiner Präsidentschaftskampagne setzte Duterte auf harte Massnahmen gegen Drogen.
- Die Menschenrechtskommission verzeichnet Tausende willkürliche Mordfälle während Dutertes Amtszeit.
- Ein Amtsenthebungsverfahren gegen Sara Duterte wird im Juni beginnen.
Wäre er nicht echt, würde man Rodrigo Duterte (79), Ex-Präsident der Philippinen, aus jedem Drehbuch streichen: zu krass, zu brutal, zu unglaubwürdig. Als Präsident liess er Dealer und Süchtige jagen. Er bestreitet heute die Verantwortung dafür. Er half seiner Tochter bis weit hinauf an die Macht, durch einen mutmasslichen Deal mit seinem Nachfolger als Staatschef. Die Absprache, wie auch immer sie genau gelautet hat, platzte, woraufhin die heutige Vizepräsidentin dem aktuellen Präsidenten mit Mord drohte. Dieser wiederum liess nun am Dienstag ihren Vater verhaften. Es ist der vorläufige Höhepunkt dieses Thrillers.
Rodrigo Duterte wurde bei seiner Rückkehr aus Hongkong am Ninoy-Aquino-Flughafen von Manila festgenommen. Die Verhaftung erfolgte auf Ersuchen des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag (IStGH). Die Nachrichtenagentur Reuters schrieb, dies sei ein wichtiger Schritt bei den Ermittlungen zu Tausenden von Morden im blutigen «Krieg gegen Drogen», der Dutertes Präsidentschaft geprägt hat. Duterte sei am Dienstag nach Den Haag gebracht worden, sagte sein Anwalt.
Das epidemische Drogenproblem, unter dem die Philippinen heute noch leiden, war das grosse Wahlkampfthema von Duterte gewesen, als er sich im Jahr 2016 um das höchste Amt bewarb. Damals sagte er: «Vergessen Sie die Gesetze zu den Menschenrechten. Wenn ich es in den Präsidentenpalast schaffe, werde ich genau das tun, was ich als Bürgermeister getan habe. Ihr Drogenhändler, Raubmörder und Taugenichtse, ihr geht besser raus. Denn ich werde euch umbringen.» Wahlkampf auf den Philippinen ist immer grosse Show, mit Gesangseinlagen und Auftritten von Schönheitsköniginnen – aber Duterte hielt Wort.
Bis zu 30’000 willkürliche Morde
In der Menschenrechtskommission in Manila füllen die Aktenordner, in denen willkürliche Ermordungen während seiner Amtszeit festgehalten werden, ganze Regalwände. Die Zahl der Opfer beläuft sich nach Schätzungen auf 10’000 bis 30’000. Die philippinische Polizei hat aussergerichtliche Tötungen stets bestritten, viele der Getöteten sollen bei Schiessereien ums Leben gekommen sein. Bei der Menschenrechtskommission geht man allerdings davon aus, dass Polizisten und Bürgerwehren massenhaft Verdächtige ermordet haben, als Richter und Henker in Personalunion.

Bei der Befragung, die aufgrund der Anfrage des IStGH im vergangenen November im Parlament in Manila stattfand, machte sich Duterte noch über das Gericht lustig. Er sagte: «Ich bin schon alt, ich könnte bald sterben. Sie könnten das Vergnügen verpassen, mich vor dem Gericht stehen zu sehen, um das Urteil zu hören, wie auch immer es ausfallen mag.» Ausserdem sei er bereit, «im Gefängnis zu verrotten», wenn dies helfen würde, die Philippinen von Drogen zu befreien.
Seine Tochter Sara Duterte soll bald ihres Amtes als Vizepräsidentin der Philippinen enthoben werden. Es war eine Überraschung gewesen im Wahlkampf 2021, dass sie gemeinsam mit Ferdinand Marcos Jr. kandidierte. Damals wurde vermutet, dass die rivalisierenden Familien lieber ihre Kräfte vereinten, um sich nicht gegenseitig Stimmen zu rauben. Marcos Jr. brachte Geld ein, das seine Eltern, Ferdinand und Imelda Marcos, während ihrer Herrschaft aus dem Land abgezogen hatten. Die Dutertes brachten Troll-Armeen mit. Der Wahlkampf war von Social-Media-Kampagnen geprägt, die nicht nur das später siegreiche Duo feierten, sondern auch die Konkurrenz geschickt diskreditierten.
Der Präsident hat an Popularität gewonnen
Marcos Jr., der als schwacher Kandidat galt, hat als Präsident an Popularität gewonnen. Er wandte sich von der Pro-China-Politik seines Vorgängers ab, versucht durch eine Orientierung in Richtung Westen die Wirtschaft zu beleben und lässt in Infrastruktur investieren. Sara Duterte hingegen wurde wegen fehlender Belege in ihrem Haushalt als Bildungsministerin und der Anhäufung von ungewöhnlichem Reichtum angeklagt.
Besonders ruppig wurde der Ton zwischen Vizepräsidentin und Präsident, als Marcos Jr. ankündigte, dass er sich einem Haftbefehl des IStGH nicht widersetzen würde. Rodrigo Duterte hatte die Zusammenarbeit seines Landes mit dem Gericht noch in seiner Amtszeit 2019 gekündigt. Sara Duterte drohte dem Präsidenten darauf kaum verklausuliert mit Mord.
Ein Amtsenthebungsverfahren gegen Sara Duterte soll im Juni beginnen, sie hat Einspruch eingelegt und bestreitet jegliches Fehlverhalten. Bereits im Mai finden die Midterms auf den Philippinen statt, dann bekommen Präsident und Vizepräsidentin nach ihrer eskalierten Fehde die Halbzeitnoten.
Immerhin spüren die Hinterbliebenen der Opfer nun so etwas wie Erleichterung. Randy delos Santos, der Onkel des Highschool-Schülers Kian delos Santos, dessen Ermordung durch die Polizei landesweit für Aufsehen gesorgt hatte, nannte die Verhaftung «wahre Gerechtigkeit». Leila de Lima, eine ehemalige Senatorin, die unter Duterte inhaftiert wurde, nachdem sie eine Untersuchung der Drogenmorde geleitet hatte, sagte: «Duterte muss sich jetzt verantworten – nicht vor mir, sondern vor den Opfern, ihren Familien und einer Welt, die sich weigert zu vergessen.»
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