Diktatorensohn ist neuer PräsidentEin neuer Marcos für die Philippinen
Es ist das vielleicht verblüffendste politische Comeback. Während seine Familie noch vor einem Volksaufstand ins Exil floh, wurde der umstrittene Diktatorensohn nun in der alten Heimat als neuer Präsident vereidigt.
Der Name Ferdinand Marcos steht für Korruption und Menschenrechtsverletzungen. Doch die Familie des ehemaligen philippinischen Diktators hat in den vergangenen Jahrzehnten beständig an ihrem Image gearbeitet. Und so kann Ferdinand Marcos Jr. nun in die Fussstapfen seines berüchtigten Vaters treten: Nach einem klaren Sieg bei der Präsidentschaftswahl im Mai legte der 64-Jährige am Donnerstag seinen Amtseid als neuer Staatschef der Philippinen ab.
36 Jahre ist es her, dass die Marcos-Familie vor einem Volksaufstand ins US-Exil floh. Seitdem hat sie ein verblüffendes politisches Comeback hingelegt. 2016 verlor Marcos Jr. nur knapp das Rennen um die Vizepräsidentschaft gegen Leni Robredo. Nun gelang ihm ein Erdrutschsieg mit mehr als doppelt so vielen Stimmen wie Robredo, die als seine Hauptrivalin bei der Präsidentschaftswahl angetreten war.
Marcos Jr. hat angekündigt, die Philippinen zu einen, Arbeitsplätze zu schaffen und etwas gegen die steigenden Preise im Land zu tun. Einigkeit sei «der erste Schritt, aus dieser Krise herauszukommen», sagte Marcos Jr., der in den Philippinen unter dem Spitznamen Bongbong bekannt ist, beim Wahlkampfauftakt im Februar.
Der kleine Bongbong wollte Astronaut werden
Der kleine Bongbong wuchs im Präsidentenpalast in Manila auf und wollte ursprünglich Astronaut werden. Als sein Vater 1972 das Kriegsrecht ausrief, befand sich der Junior in einem britischen Internat. Noch während der Diktatur seines Vaters wurde er Gouverneur seiner Heimatprovinz Ilocos Norte.
Ferdinand Marcos starb 1989 im Exil auf Hawaii. Die Familie kehrte auf die Philippinen zurück, Marcos Jr. wurde unter anderem Mitglied des philippinischen Repräsentantenhauses und des Senats.
Fake-News und eine Generation ohne Erinnerung
Der Sohn des berüchtigten Diktators zählt zu einem der umstrittensten Politiker des Landes. Doch Marcos Jr. profitierte im Wahlkampf von einer Flut falscher und irreführender Nachrichten in den Online-Netzwerken, gerichtet an junge Philippiner, die selbst keine Erinnerungen an die Korruption, Tötungen und Misshandlungen während der Marcos-Jahre haben.
Sein Comeback verdankt der Marcos-Clan auch der Ernüchterung über die weiter bestehende Kluft zwischen Arm und Reich sowie Bestechungsvorwürfen, die alle Regierungen nach Ende der Diktatur begleitet haben.
Zugute kam Marcos Jr. auch ein Bündnis mit der Tochter des scheidenden Präsidenten Rodrigo Duterte, Sara Duterte, die für das Amt der Vizepräsidentin kandidierte. Zudem wird der Diktatorensohn von mächtigen Familien unterstützt, die in der feudalen und korrupten philippinischen Politik über enormen Einfluss verfügen.
Gegner hatten vergeblich versucht, Marcos Jr. wegen seiner Vorstrafen wegen Steuerhinterziehung von der Präsidentenwahl ausschliessen zu lassen. Sie warfen ihm ausserdem vor, seine akademischen Qualifikationen frisiert zu haben.
Marcos Jr. vermied Debatten und Interviews
Obwohl Dutertes Partei Marcos Jr. unterstützte, nannte der scheidende Präsident ihn zuletzt einen «schwachen» Anführer. Das führte zu Spekulationen, dass Duterte Marcos Jr. Zugeständnisse für die Zeit nach dem Machtwechsel abnötigen möchte. Duterte sieht sich wegen seines tödlichen «Kriegs gegen Drogen» mit internationalen Ermittlungen konfrontiert.
Marcos Jr. selbst verzichtete im Wahlkampf auf Debatten mit seinen Konkurrenten, um Fragen zur Vergangenheit seiner Familie zu vermeiden. In den wenigen Interviews, die er gab, wirkte er linkisch und verkrampft. Seinen Vater beschrieb er als «politisches Genie».
Nach seiner Vereidigung rühmte Marcos Jr. die Errungenschaften seines umstrittenen Vaters: Dieser habe mehr Strassen bauen und mehr Reis anbauen lassen als all seine Vorgänger zusammen. «So wird es mit seinem Sohn sein. Sie werden keine Entschuldigungen von mir hören».
Für Menschenrechtsaktivisten und Marcos-Gegner ist die Amtseinführung ein Alptraum. Die 72-jährige Judy Taguiwalo, die während der Marcos-Diktatur zwei Mal verhaftet und gefoltert wurde, sieht ihr Land am «Scheideweg». Entschlossen fügte sie hinzu: «Wir müssen weiter standhalten und kämpfen.»
AFP/sep
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