Playoff-Final Zug - ServetteWarum es eben doch für den EVZ spricht
Auch wenn Genf im ersten Playoff-Final stark spielte: Schaut man genau hin, erkennt man trotz Ausgeglichenheit Vorteile für Zug.
1:0 gewann Qualifikationssieger Zug am Montag Spiel 1 des Playoff-Finals gegen Servette und legte im Best-of-5 vor – es fehlen nur noch zwei Siege bis zum zweiten Meistertitel der Vereinsgeschichte. Während der Aussenseiter trotz Niederlage zu Recht gute Kritiken bekam, kam der EVZ in der Gesamtbetrachtung trotz Sieg vielleicht ein wenig zu schlecht weg. Es waren nicht bloss die Heldentaten von Goalie Leonardo Genoni (38 gehaltene Schüsse, darunter diverse knifflige), die Zug den Sieg bescherten, da war noch mehr.
Auch die Analytiker sahen den EVZ vorne, die «Expected Goals»-Modelle («zu erwartende Tore») sprachen sogar für einen klar verdienten Zuger Sieg. Erst recht wegen der (ausgelassenen) Topchancen im Powerplay, aber zumindest auch knapp bei 5-gegen-5-Hockey.
Wer wissen will, was Expected Goals sind, kann hier den folgenden Kasten aufklappen. Wer es schon weiss oder wer es gar nicht erst wissen will, scrollt ein paar Zentimeter nach unten. Dort schauen wir aus vier unterschiedlichen Blickwinkeln nochmals auf Spiel 1 zurück, immer mit der Frage im Kopf: Was machte Zug besser, was Genf? Wir beschränken uns stets auf 5-gegen-5-Hockey, blenden also die Powerplay-Situationen aus.
Das Gigantenduell
Zug-Captain Raphael Diaz sowie Genfs Schwede Henrik Tömmernes: Die Abwehrchefs der beiden Teams kamen nicht unerwartet am häufigsten zum Einsatz in Spiel 1. Diaz stand über 24, Tömmernes gar über 26 Minuten auf dem Eis – Zugs Trainer Dan Tangnes verteilte die Eiszeit generell etwas breiter im Team als sein Gegenüber Patrick Emond. Aber bleiben wir beim Vergleich zwischen den beiden Nummer-1-Verteidigern.
Es gibt viele Arten, zwei Spieler einander gegenüberzustellen. Da beide als exzellente Offensivverteidiger mit Stärken am Puck gelten, liegt es nahe, zu vergleichen, wie häufig sie in der Angriffsauslösung ihrer Teams involviert waren und vor allem: Wer brachte den Puck häufiger erfolgreich aus der eigenen Zone heraus?
Bei Letzterem suchen wir also solche Szenen, wie hier von Tömmernes:
Oder hier von Diaz:
Alle anderen Szenen beim Aufbau in der eigenen Zone, wie zum Beispiel unerlaubte Befreiungsschläge, Fehlpässe oder Puckverluste, zählen natürlich nicht als «erfolgreicher Aufbau».
Entsprechend ihrer Eiszeit waren beide häufig involviert: Tömmernes war in 22 Angriffsauslösungen involviert, Diaz gar in 25. Der Schwede operierte dabei deutlich erfolgreicher: 17-mal (77,3 Prozent) gelang ihm der Aufbau nach Wunsch, blieb also sein Team danach auch ausserhalb der eigenen Zone in Puckbesitz. Diaz gelang dies hingegen nur in 11 Fällen (44 Prozent).
Auch die Analytics sagen, dass Diaz grundsätzlich kein wirklich gutes Spiel gelungen sei, solange man nur auf die individuellen Werte schaue. Kein anderer Zuger Verteidiger stand (hochgerechnet auf dieselbe Eiszeit) bei so vielen guten Genfer Torchancen auf dem Eis wie Diaz. Und umgekehrt kreierte Zug mit keinem anderen Verteidiger auf dem Eis so wenige gute Torchancen wie mit seinem Captain.
Servette hingegen kreierte mit Tömmernes auf dem Eis am meisten eigene Torchancen, er war indes auch jener Verteidiger, der die zweitmeisten Zuger Chancen auf dem Eis miterlebte – auch hier stets hochgerechnet auf die gleiche Eiszeit.
Wer raus ist, will nun rein: Die Zoneneintritte
Wir hatten nun das erfolgreiche Verlassen der eigenen Zone. Danach wollen alle natürlich das: rein in die Zone des Gegners. Am besten so, dass man in Puckbesitz bleibt, am allerbesten also kontrolliert und nicht bloss den Puck tief schiessend und auf die Hockeygötter hoffend.
Wir suchen also solche Szenen wie diese hier von Zug:
Und nicht so was, erneut vom EVZ:
Beginnen wir mit den nackten Zahlen. Zug versuchte 46-mal, in Genfs Zone zu kommen, 22-mal (47,8 Prozent) gelang dies erfolgreich: Der EVZ blieb also entweder in Puckbesitz oder kam sofort zu einem Abschluss. Das ist keine schlechte Zahl, aber auch nichts Besonderes.
Servette war da erfolgreicher: 26 von 48 Zoneneintritten (54,2 Prozent) gelangen nach Wunsch. Mehr als die Hälfte: Das lässt sich sehen.
Und bevor Sie sich nun fragen, warum eigentlich Zug verdient gewonnen haben sollte, wenn doch Genf alles besser machte, gehen wir noch einen Schritt weiter.
Genf setzte vor allem auf kontrollierte, herausgespielte Zoneneintritte wie diese hier:
Klar: Zug hatte diese Variante auch im Köcher. Der EVZ war aber variantenreicher und schaffte auch Zoneneintritte mit dem guten alten «Dump», also der tief geschossenen Scheibe. Genf hingegen gelang auf diesem Wege praktisch nichts.
Die folgende Variante des Seitenwechsels mit dem «Dump» war bereits in den Playoff-Runden zuvor eine von Zug gerne praktizierte, für den Gegner nur schwer zu verteidigende Variante:
Einfallsreichtum und Kreativität? Punkt für Zug.
Wer drin ist, will ihn wieder, den Puck: Das Forechecking
Egal, ob nach einem «Dump» oder nach einem trotz erfolgreichem, kontrolliertem Zoneneintritt verlorenen Puck. Alle wollen nur eines: ihn mittels Forechecking wieder erobern.
Wir wollen dabei nur wirklich erfolgreiches Forechecking zählen. Nur bloss kurz den Puck erobern, ihn gleich wieder verlieren und dem Gegner das Verlassen der eigenen Zone ermöglichen, das gilt nicht. Also nicht bloss so wie hier:
Sondern so wie hier von Servette praktiziert:
Noch besser ist es so wie hier: Forechecking erfolgreich, und sofort folgt eine Torchance mit Abschluss:
Und wenn wir nun die erfolgreichen Forecheckings zählen (ob mit oder ohne unmittelbaren Schuss danach), dann trennt sich hier die Spreu vom Weizen, und wir sehen einen möglichen Grund, wieso der EVZ bei den Expected Goals einen Vorteil hatte, obwohl auch Servette zu guten Chancen kam:
Der EVZ eroberte 29 Pucks nach erfolgreichem Forechecking, Servette nur 17, fast ein Drittel davon (6) zudem erst in den letzten 10 Minuten, als die Genfer immer verzweifelter dem 0:1-Rückstand nachrannten und entsprechend auch Risiken eingingen.
Servette mag also mehr Wucht und Physis in seinem Spiel haben, der vermeintlich bloss spielerisch stärkere EVZ schlug den Genfern hier also ein Schnippchen.
Der wahre Gospel: Die Überzahlkonter
Im Traum jedes Trainers kommen solche Szenen nie vor – zumindest nie gegen die eigene Mannschaft: Überzahlkonter, 3-gegen-2, 2-gegen-1 oder gar 1-gegen-0-Solochancen. (Wer interessante Zahlen zu diesen Konterchancen sehen will, klappt den folgenden Kasten auf, ansonsten kann sofort darunter weitergelesen werden.)
Und auch wenn in einem Spiel auf rutschiger Unterlage Perfektion zu erwarten vermessen wäre, kann in einem Playoff-Final doch defensive Disziplin erwartet werden, die genau solche Chancen verhindert.
Hier machten die beiden Teams einen generell guten Job – der EVZ sogar einen exzellenten. Servette kam nur zu einer Überzahlkonterchance. Es war zwar ein 1-gegen-0, die Chance entstand aber auf nicht übliche Art und Weise: Der von der Strafbank soeben zurückgekehrte Verteidiger Simon Le Coultre ging von den Zugern vergessen und wurde von Daniel Winnik wunderbar auf die Reise geschickt:
Der EVZ spielte also derart defensiv diszipliniert, dass Servette kaum Konter fahren konnte. Seinerseits kam Zug zu vier Überzahlkontern:
Einer davon, jener Yannick Zehnders, war ein 1-gegen-0, die anderen drei alle 3-gegen-2. Und bei den Letzteren ist auch das gute Backchecking der Genfer Center Eric Fehr (Nummer 16) und Tanner Richard (Nummer 71) zu erkennen, in keinem Fall wird es wirklich richtig gefährlich.
Dennoch: Wer wie Zug solche Überzahlkonter minimiert, der gewinnt in der Regel enge Playoff-Spiele. Der SC Bern unter Kari Jalonen war, wenn auch mit oft unspektakulären Mitteln, jeweils im Playoff ein Meister darin.
Und nun? Wahrscheinlich wilder, offensiver – und gehässiger
Spiel 1 war ein nicht ungewöhnliches, taktisch diszipliniertes erstes Spiel einer Finalserie, allerdings nur mit wenigen ebenso Playoff-typischen Aggressionen. Auch der Aussenseiter Servette konnte trotz Niederlage mit sehr vielem in seinem Spiel zufrieden sein. Doch weil er im Best-of-5 bereits mit dem Rücken zur Wand steht und nun unbedingt ein Heimsieg hermuss, sei diese Prognose gewagt:
Nach dem taktischen Abtasten in Spiel 1 wird Spiel 2 am Mittwoch in Genf (Spielbeginn bereits um 19 Uhr) wilder, offensiver – und auch gehässiger. Die Rudelbildung nach der Schlusssirene am Montag in Zug war ein Vorgeschmack.
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