Leitzins steigt auf 1,5 ProzentWarum die Nationalbank die Zinsen trotz CS-Untergang erhöht
Die Währungshüter versuchen, die Inflation zu stoppen. Dieses Manöver provoziert Kritik, weil es die Mieten erhöht und die Reallöhne senkt.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat am Donnerstag ihren Leitzins um einen halben Prozentpunkt auf 1,5 Prozent erhöht. Seit letztem Sommer, als sie die Zinsschraube erstmals seit 15 Jahren wieder angezogen hatte, ist dies bereits die vierte Erhöhung in Folge. Der Leitzins ist der Zinssatz, zu dem sich Banken bei der Zentralbank Geld leihen können. Alle anderen Zinsen richten sich danach nach ihm aus.
Die Nationalbank will damit die Inflation bändigen. Diese ist im Februar auf 3,4 Prozent gestiegen. Damit liegt sie deutlich über dem von der SNB anvisierten Ziel von maximal 2 Prozent. Es sei «nicht auszuschliessen, dass zusätzliche Zinserhöhungen nötig sein werden, um die Preisstabilität in der mittleren Frist zu gewährleisten», sagte Thomas Jordan, Präsident des SNB-Direktoriums, an der Medienkonferenz.
Das Vorgehen der SNB gleicht dem anderer internationaler Notenbanken. Bereits in der vergangenen Woche hatte die Europäische Zentralbank ihren Leitzins um einen halben Prozentpunkt auf 3 Prozent angehoben. Am Mittwoch erhöhte die US-Zentralbank Fed um einen Viertelprozentpunkt auf 4,75 Prozent. Und zeitgleich mit der SNB erhöhte auch die Bank of England den Leitzins um einen Viertelprozentpunkt auf 4,25 Prozent. Wie schnell in den Industrieländern die Zinsen gestiegen sind, ist historisch einmalig.
Wegen des Untergangs der Credit Suisse und der Bankenkrise in den USA hatten manche Beobachter mit mehr Zurückhaltung bei der Inflationsbekämpfung gerechnet. Am Vortag waren die Regionalbanken in den USA erneut unter Druck geraten, nachdem Finanzministerin Janet Yellen bei einer Anhörung im US-Senat eine Ausweitung der Einlagensicherung zum Schutz von Sparern in naher Zukunft ausgeschlossen hatte. Danach fiel der S&P-Regionalbankenindex erneut um 5,6 Prozent.
«Straffen wir zu spät, müssen wir später viel stärker anziehen.»
Von der schwelenden Bankenkrise liess sich die Nationalbank nicht beirren. Die neuerliche Zinserhöhung sei «absolut notwendig», sagte Jordan. «Straffen wir zu spät, müssen wir später viel stärker anziehen – mit allen negativen Folgen.»
Ins gleiche Horn stiess am Mittwoch Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), anlässlich einer Rede in Frankfurt. «Die Rückführung der Inflation auf mittlere Sicht zu einem Wert von 2 Prozent ist nicht verhandelbar», sagte sie. Es gebe «keinen Zielkonflikt zwischen Preis- und Finanzstabilität».
Der Schritt der SNB hat bereits die ersten Banken zu Zinserhöhungen auf ihren Spar- und Vorsorgekonten veranlasst. Die Postfinance gibt ab Mai 0,7 statt 0,4 Prozent. Ebenfalls mehr Zins geben die Zuger Kantonalbank, die Bank WIR und die Graubündner Kantonalbank.
Scharfe Kritik der SP an der Nationalbank
Das freut die Sparer, doch der Zinsentscheid hat daneben weniger angenehme Folgen. «Da wird offensichtlich eine Geldpolitik betrieben, die darauf abzielt, die Konjunktur abzuwürgen, um Lohnerhöhungen zu verhindern», kritisiert SP-Nationalrätin Samira Marti. Das sei ein Desaster für die Kaufkraft. Die Mietzinse würden dadurch weiter ansteigen, und die Exportwirtschaft leide.
Die Leitzinserhöhung wird über die Hypothekarzinsen indirekt auch die Mieten erhöhen. Steigt der Referenzzinssatz bei Mietverhältnissen, der aus dem Durchschnitt der Zinssätze aller inländischen Hypothekarkredite berechnet wird, um 0,25 Prozent, dürfen Vermieter gemäss Mietrecht die Mieten um 3 Prozent anheben.
In den kommenden zwei Jahren könnten die Mieten um geschätzte 20 Prozent angehoben werden.
Erstmals seit seiner Einführung wird der Referenzzinssatz für Mieten deshalb Mitte Jahr steigen. Davon werden schätzungsweise etwa die Hälfte der Mieter in der Schweiz betroffen sein. Gemäss Schätzungen der UBS könnten die Mieten bis im Jahr 2025 um rund 20 Prozent angehoben werden.
Weil die Wohnungsmieten mit knapp 19 Prozent ein grosses Gewicht im Warenkorb für den Landesindex der Konsumentenpreise haben, heizt die SNB mit ihrer Zinserhöhung also die Inflation zusätzlich an. Dessen ist sich Thomas Jordan bewusst. Aber «nichts tun mit Rücksicht auf die Mieten wäre ein schlechter Rat, weil wir dann später viel mehr machen müssten und die Auswirkungen dramatischer wären».
Trotz schwelender Bankenkrise hat die Nationalbank ihre Prognose für das laufende Jahr von 0,5 auf 1 Prozent erhöht. Auch die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) hat ihre Prognose leicht nach oben revidiert. Sie erwartet ein Wachstum von 1,1 Prozent, wenn man die Einnahmen der Fifa aus der Fussball-WM wegrechnet, die die Wirtschaftsleistung der Schweiz im Jahr 2022 verzerrt haben.
Ende der Bankenkrise in Sicht?
Der volkswirtschaftliche Schaden des Untergangs der Credit Suisse dürfte sich in Grenzen halten. «Für die Betroffenen ist der Stellenverlust schmerzlich, aber für die Volkswirtschaft ist es verkraftbar», sagt Jan-Egbert Sturm, Leiter der KOF. Viele Unternehmen suchen dringend Fachkräfte, die Arbeitslosigkeit ist sehr tief.
Viel entscheidender für die Schweizer Wirtschaft und die Konjunktur sei, ob die Bankenkrise nun gestoppt ist. «Ich bin recht optimistisch, dass wir nicht am Anfang, sondern am Ende einer Bankenkrise stehen», sagt Sturm.
Nicht alle sehen die Entwicklung so positiv. Die Ökonomen des Zürcher Vermögensverwalters Bantleon rechnen mit einer Rezession in den USA und Deutschland. Für die Schweiz erwarten sie deshalb nur noch ein Wachstum von 0,3 Prozent im laufenden Jahr. Gian Luigi Mandruzzato, Ökonom der EFG-Bank, warnt: «Es besteht die Gefahr, dass die Politik der SNB zu aggressiv ist und der Wirtschaft unnötigen Schaden zufügt.»
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