Koalitionen nach der WahlMit wem kann Merz regieren? Er will sich mindestens zwei Optionen offenhalten
Friedrich Merz, der vermutliche nächste deutsche Kanzler, strebt eine Koalition mit den Sozialdemokraten an. Die Grünen hält er im Spiel – aus taktischen Gründen.

- Friedrich Merz schliesst Robert Habeck als Wirtschaftsminister in einer Koalition aus.
- Markus Söder spricht sich vehement gegen eine Koalition mit den Grünen aus.
- Merz lehnt eine Minderheitsregierung aus praktischen und politischen Gründen ab.
Friedrich Merz, als impulsiv bekannt, wirkte ein bisschen wie ein Vulkan, der nach langem Grollen endlich ausbricht. Robert Habeck, der grüne Wirtschaftsminister und deutsche Vizekanzler, könne nicht Wirtschaftsminister bleiben, sollten seine Christdemokraten nach der Wahl mit den Grünen koalieren, sagte Merz dem Onlinemedium «Politico». Habeck sei an seiner Aufgabe gescheitert. Wer käme auf die Idee, ihn erneut damit zu betrauen?
Zur Eilnachricht taugte Merz’ Stellungnahme nur wegen der Vorgeschichte. Der Kanzlerkandidat der Christdemokraten hatte sich zuvor während Wochen geweigert, Habeck als Wirtschaftsminister seines möglichen Kabinetts auszuschliessen, obwohl Konservative aller Parteien ihn deswegen bestürmten.
Lindner lobt Weidel und nennt Merz’ Vorgehen «krass»
Vor allem Markus Söder, Chef der CDU-Schwester CSU in Bayern, äusserte sich kategorisch: Habeck dürfe das Wirtschaftsressort auf keinen Fall behalten. Überhaupt werde er jede Koalition mit den Grünen mit seinem Veto verhindern. Merz hingegen liess beide Fragen stets offen. Noch am Sonntagabend im «Quadrell» bei RTL, bedrängt von AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel, beteuerte er, er führe keinen Koalitionswahlkampf – und werde nicht ein paar Tage vor der Wahl damit beginnen.
Als dann aber Christian Lindner, Chef der FDP, Weidel auf X für ihr Drängen lobte und es als «krass» bezeichnete, dass Merz sich einen Wirtschaftsminister Habeck offenbar immer noch vorstellen könne, war es offenbar auch für Merz zu viel.
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Für Söder, Lindner, Weidel und viele andere Konservative gehört Fundamentalkritik an den Grünen zum Kern ihres Wahlkampfs. Die FDP behauptet, nur sie könne CDU/CSU von Habecks Partei fernhalten – falls sie denn wieder in den Bundestag gewählt werde. Söder behauptet dasselbe gegenüber der CDU. Allerdings hat sein Grünen-Bashing auch einen handfesten innerbayerischen Grund: Er will sich darin keinesfalls von den Freien Wählern von Hubert Aiwanger übertreffen lassen, seinem Koalitionspartner, der Merz bei jeder Rede vorwirft, mit den Grünen anzubandeln.
«Herr Söder schreibt mir gar nichts vor», sagte Merz im «Quadrell», was natürlich stimmte, wenn auch nur halb. Der vermutliche nächste deutsche Kanzler verfolgt ein anderes Ziel: Er will sich mindestens zwei Optionen für mögliche Koalitionen offenhalten. Laut Umfragen kommen dafür vor allem die SPD und die Grünen infrage. Merz möchte vermeiden, dass es nur einen einzigen möglichen Partner gibt, der seine Partei bei Verhandlungen über den Tisch ziehen kann.
Dabei ist allen klar, dass CDU und CSU in erster Linie eine Koalition mit den Sozialdemokraten anstreben. Gegen die Grünen gibt es unter Konservativen zu viel Widerstand, Koalitionen mit AfD und Linkspartei schliessen die Christdemokraten seit 2018 grundsätzlich aus, die FDP, einst der «natürliche» Partner, kämpft um den Wiedereinzug in den Bundestag.
Inhaltlich dürfte eine Einigung mit den Sozialdemokraten, die nach der Wahl womöglich vom Law-and-Order-Politiker Boris Pistorius angeführt werden, eher gelingen als mit den Grünen. Entscheidend sind die Themen Asyl und Wirtschaft. Pauschalen Zurückweisungen von Asylsuchenden an der Grenze sowie Steuererleichterungen für Unternehmen und Reiche kann aber auch die SPD schwerlich zustimmen. Die Verhandlungen dürften in jedem Fall schwierig werden.
Und eine Koalition von Christ- mit Sozialdemokraten wäre ja auch nur der einfachste, gewissermassen günstigste Fall. Verlieren beide Parteien am Wahltag gegenüber den Umfragen, könnte erneut eine Dreierkoalition nötig werden: eine sogenannte Deutschland-Koalition etwa, mit CDU/CSU (schwarz), SPD (rot) und FDP (gelb), oder ein Kenia-Bündnis mit CDU/CSU (schwarz), SPD (rot) und Grünen.
Rechte drängen Merz zu einer Minderheitsregierung
Sollten Verhandlungen mit SPD und Grünen scheitern, stellen sich Merz (oder einem Nachfolger) unter Umständen noch viel grundlegendere Fragen. Rechte Christdemokraten drängen den Kanzlerkandidaten schon länger, in diesem Fall eine Minderheitsregierung zu bilden – und sich je nach Thema mal von SPD und Grünen, mal von der AfD unterstützen zu lassen.
Merz hat dies kategorisch ausgeschlossen, aus politischen wie praktischen Gründen: Deutschland müsse als bedeutendste Macht der Europäischen Union handlungsfähig sein und könne sich nicht von Abstimmung zu Abstimmung hangeln. Dies gelte umso mehr, als es derzeit auch in Frankreich ein Parlament ohne klare Mehrheiten gebe. Dafür muss Merz aber erst einmal Koalitionsverhandlungen erfolgreich abschliessen – mit wem auch immer.
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