DorfgeflüsterWädenswil 6 erobert die Welt
Nach Wien und Berlin sind nur ein Würstchen und eine Kalorienbombe benannt. Unsere Kolumne aber zeigt: Die wahre Gourmet-Hauptstadt ist Wädenswil.
Wienerli und Berliner sind zwar in aller Munde. Die beiden europäischen Hauptstädte sind deswegen kulinarisch aber noch lange kein Vorbild. Wer etwas auf sich hält, sollte sich vielmehr an Wädenswil orientieren. Nach diesem Ort am Zürichsee, der nicht einmal Bezirkshauptort ist, ist nämlich die beste Erdbeere benannt, die man sich nur erträumen kann: die Wädenswil 6.
Die dunkelroten, mittelgrossen Beeren dieser Sorte sind sehr aromatisch, erinnern an Waldbeeren und zergehen weich auf der Zunge. Diese unübertroffene Erdbeere ist in den 1950er-Jahren an der eidgenössischen Forschungsanstalt (heute Agroscope) in Wädenswil gezüchtet worden. Dass sie keinen Fantasienamen erhalten hat, sondern ganz schlicht die Nr. 6 ist, ist wohl darauf zurückzuführen, dass die Forscher nicht an einen kommerziellen Erfolg glaubten. Die Erdbeersorte ist zwar geschmacklich einsame Spitze, hat aber Nachteile. Sie wirft wenig Ertrag ab, und weil die Beeren druckempfindlich sind, überstehen sie einen Transport schlecht.
Überlebt hat die Wädenswil 6 trotzdem. Über Generationen ist sie in Haus- und Bauernhofgärten kultiviert worden. Jetzt scheint es, dass sogar ihr grosser Durchbruch bevorsteht und sie so populär wird wie das Wienerli oder der Berliner. In das Regal eines Grossverteilers in einer Hauptstadt hat sie es jedenfalls schon geschafft. Aus einer Migros-Filiale in Bern hat die Redaktion jedenfalls ein Bild erreicht, wo Setzlinge angeboten wurden. Hat Bundesbern diese Setzlinge übersehen oder deren Wert als kulinarisches Erbe der Zürichsee-Region nicht ästimiert, als es den Forschungsabbau bei Agroscope Wädenswil beschlossen hat?
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