Neuerung im SupermarktGemüsewaage, nerv nicht!
Ab sofort wird beim Wiegen von Obst und Gemüse auch die Art der Verpackung abgefragt. Sollten wir uns darüber ärgern oder sogar: freuen?
In den Coop, die Migros oder in andere Supermärkte gehen wir nach Feierabend. Der Tag, die manchmal nervigen Kolleginnen oder Chefs, der Posteingang, die gerissene Velokette und derzeit die Kälte zerrten bereits an unseren Nerven.
Wir sind im Supermarkt noch nicht ganz zu Hause, aber schon auf dem Weg dorthin. Es ist eine emotionale Übergangszone, irgendwo zwischen kräfteraubender Überflüssigkeit und unserem Feierabendritual, ein Essen kochen, eine warme Wanne einlassen, ein Buch lesen.
Wir denken im Coop schon an genau diese Wohlfühlzone, «vielleicht noch Schoggi zum Filmschauen?»
Muss die Waage wissen, ob das Gemüse im Plastiksäckli ist?
In diese mäandernden Gedanken schrammt nun die Gemüsewaage. Nachdem man die Pilze für den Risotto auf sie gelegt hat, spuckt sie den Zettel nach Eingabe der Produktzahl, 1 – 6 – 5, nicht direkt aus. Sie fragt seit Anfang Januar noch einmal: Sind die Pilze unverpackt, in einem Plastik-, Papier- oder Stoffsäckli?
Nicht nur ich, sondern auch die Frau neben mir seufzt. Muss das sein? Jetzt zerrt auch noch das Gemüsegerät in unserer Transitzone an uns Menschen? Zudem: überflüssiger Zeitraub!
Die Neuerung geht auf eine Veränderung der sogenannten eidgenössischen Mengenangabeverordnung zurück. Bürokratische Wortkreationen wie diese werden offenbar nicht nur von Schreibtischbürokratieausführenden in Brüssel kreiert, sondern auch in Bern.
Was ist damit gemeint? Bisher war es erlaubt, das Gewicht eines Säcklis, sofern es unter zwei Gramm lag, zum Nettogewicht dazuzuzählen. Zuvor hatten wir Kunden draufgezahlt, heisst es im Konsumentenschutz-Bundesamt des Volkes, dem «K-Tipp». Die Pilze fürs Risotto – 4 Stück, 142 Gramm – hätten ohne diese Frage 2.60 Franken gekostet, nach Abzug des Säcklis 2.55 Franken. (Die Wiegesituation wurde extra für diesen kurzen Artikel nachgestellt).
Wir verwöhnten Feierabendkunden sind im ersten Moment genervt. Und denken, die Schreibtischbürokratieausführenden könnten sich ja auch noch überlegen, dass Brot am Morgen schwerer ist, als wenn wir es abends kaufen, der Wasserverlust! Aber eigentlich nervt uns mehr, dieser Gedanke kommt dann beim Kochen des Pilzrisottos, dass wir uns nun über diese kleine Winzigkeit des Lebens aufregen können. Kurz: Wir nerven uns selbst, wir wollen schliesslich nicht zu den Wutbürgern zählen, die auf den sozialen Medien ausrufen: «Massiver Dachschaden! Ich will einkaufen wie früher!»
Und all diese Gedanken wegen einer Taste mehr im Leben. Zudem, es geht ja nur um 5 Rappen pro Pilzsäckli-Einkauf. Und lange nach dem Risottogenuss schiesst ein weiterer Gedanke in unseren Kopf: Auch in der Schweiz gibt es Menschen, die sich über einen minimal billigeren Einkauf freuen könnten. Wir können also – zum Vorteil aller – diese Taste zukünftig mit einem Glücksseufzer drücken! Das müssen wir dann nur noch in unser Hirn, nun ja, einprogrammieren.
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