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Vor Abtritt in den USA
«Ich bin nicht länger eine Verbrecherin» – Amerikaner reagieren auf Bidens Begnadigungen

epa11769709 US President Joe Biden speaks at a Christmas for All Dinner in Celebration of Unity, America, and Special Olympics in the East Room of the White House in Washington, DC, USA, 10 December 2024.  EPA/Samuel Corum / POOL
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In Kürze:
  • Stevoni Wells Doyle wurde von US-Präsident Joe Biden begnadigt.
  • Biden gewährte insgesamt 39 Begnadigungen und wandelte 1499 Haftstrafen um.
  • Kritik gab es an der Begnadigung des umstrittenen Richters Michael Conahan.
  • Bidens Massnahmen sollen Strafjustiz reformieren und Einzelpersonen reintegrieren.

Auch Stevoni Wells Doyle bekam nun diesen Anruf vom US-Justizministerium, sie hatte kaum mehr darauf zu hoffen gewagt. Vor fast einem Vierteljahrhundert verfiel die Frau aus Santaquin in Utah dieser Droge, Methamphetamin. Sie verlor das Sorgerecht für ihre Kinder und verbrachte zwei Jahre im Gefängnis. Anschliessend änderte sie ihr Leben und versucht seitdem, als Sozialarbeiterin andere von der Sucht fernzuhalten.

Vor sechs Jahren hatte sie einen Antrag auf Begnadigung gestellt, damit das Delikt aus ihrer Akte verschwinden kann. Dann meldete sich kürzlich die Regierung, Joe Biden ist ihrem Wunsch gefolgt. «Nach ihrer Verurteilung schloss sie einen Masterstudiengang ab und arbeitete als lizenzierte Beraterin für Drogenabhängigkeit», heisst es in der Begründung. «Sie engagiert sich ehrenamtlich in ihrer Gemeinde und kümmert sich um Tiere. Gemeindemitglieder beschreiben sie als grossartige Mentorin und integre Person.»

Nie habe sie damals gedacht, dass sie jemals das College beenden und sogar ein Studium abschliessen würde, sagte sie dem Sender ABC. Genauso wenig rechnete Stevoni Wells Doyle, 47 Jahre alt, mit diesen Nachrichten am Ende der Ära Biden. «Es erfüllt mich mit grosser Demut und Dankbarkeit, euch mitteilen zu können, dass ich vom Präsidenten vollständig und bedingungslos begnadigt worden bin», schrieb sie in einem Post. «Ich bin nicht länger eine Verbrecherin.»

Es handelt sich oft um Drogendelikte, aber auch um Fälle der LGBTQIA+-Community

Ihre Personalie steht in der Liste von 39 Amerikanerinnen und Amerikanern, die Biden mit einem offiziellen «Pardon» bedacht hat. Dazu kommen 1499 Menschen, deren Strafen in Freiheit umgewandelt werden. Dies sei «die grösste Begnadigung an einem einzigen Tag in der modernen Geschichte», berichtet das Weisse Haus und verwies ausser auf die Suchtberaterin unter anderem auf hochdekorierte Militärveteranen, eine Krankenschwester oder einen Mann, der inzwischen mit Überlebenden von Traumata und Menschen mit Behinderungen arbeite.

Oft ging es um lange zurückliegende Drogendelikte, Sherranda Janell Harris aus Connecticut zum Beispiel hatte ebenfalls eine Haftstrafe abgesessen und danach wohl ein vorbildliches Leben begonnen. «Frau Harris ist eine engagierte Mutter und verbringt den grössten Teil ihrer Freizeit mit ihrem Kind», teilten die Juroren aus Washington mit. «Sie engagiert sich auch in ihrer Kirche und kümmert sich um andere Gemeindemitglieder. Frau Harris wurde als Vorbild für junge Frauen beschrieben.»

Ein Richter hatte Schmiergeld kassiert

Biden sei der erste Präsident, der Personen kategorisch begnadige, die wegen des einfachen Konsums und Besitzes von Marihuana oder als LGBTQI+-Mitglieder wegen ihrer sexuellen Orientierung verurteilt worden seien, schreiben seine Sprecher. Homosexualität wurde in der Armee früher bestraft. Biden sieht seinen Vorstoss als Beitrag zur Reform der Strafjustiz, um «Familien zu vereinen, Gemeinschaften zu stärken und Einzelpersonen wieder in die Gesellschaft zu integrieren».

US-Präsidenten bietet die Verfassung das Recht, Nachsicht zu gewähren. Doch nicht überall bricht Jubel aus. Einigermassen entsetzt sind vor allem die Opfer eines früheren Richters aus Pennsylvania. Michael Conahan hatte Jugendliche in gewinnorientierte Haftanstalten geschickt und dafür 2,8 Millionen Dollar an Schmiergeld kassiert, er wurde 2011 zu 17 Jahren Gefängnis verurteilt. Bekannt ist die Affäre unter dem Titel «Kids for Cash».

Während der Pandemie wurde Conahan wie Tausende anderer Häftlinge von Trumps Verwaltung in Hausarrest geschickt, Biden erlässt ihm auch das. Selbst Josh Shapiro, der demokratische Gouverneur von Pennsylvania, hält das für eine «absolut falsche Entscheidung». Conahan verdiene es, «hinter Gittern zu sitzen und nicht als freier Mann herumzulaufen».

Bevor Hunter Biden verurteilt werden konnte, reagiert dessen Vater Joe

Und Bidens Grossmanöver begann ja kürzlich damit, dass er zunächst seinen Sohn exklusiv von den Folgen seiner Vergehen befreite. Vor Jahren hatte Hunter Biden eine Pistole gekauft und dabei seine damalige Drogensucht verschwiegen, ausserdem hatte er eine Zeit lang Steuern hinterzogen. Wegen der Waffe, die seine Freundin seinerzeit sofort wegwarf, wurde der Angeklagte von einem Gericht für schuldig erklärt – seine Probleme mit dem Finanzamt räumte er selbst ein und zahlte nach.

Dennoch hätte ihm bei der für diese Woche geplanten Urteilsverkündung eine Gefängnisstrafe bevorstehen können. Sein Vater kam dem zuvor. «Exekutiver Gnadenerlass» steht auf der Urkunde, die ihm von Anfang Januar 2014 bis Anfang Dezember 2024 alle Verstösse gegen das Gesetz verzeiht. Selbst manche Parteifreunde fanden das insofern schwierig, als Biden immer wieder versichert hatte, er werde in diesem Fall nicht eingreifen.

Andererseits haben sich die Bedingungen halt verändert, denn vom 20. Januar 2025 an regiert wieder Donald Trump. Wegen seiner Rückkehr an die Macht und der Sorge vor einem Rachefeldzug könnte Biden in den letzten Wochen seiner Amtszeit noch andere Prominente vorsorglich in Sicherheit bringen, die Rede ist von Trump-Kritikern wie Liz Cheney.