Papablog: GeschwisterstreitVon Schuld und Schimpfis
Unser Autor ist sich nicht ganz sicher, ob er Konflikte unter seinen Kindern fachgemäss moderiert. Was meinen Sie?
Sie kennen das: Alles gut, alles ruhig, die Kinder spielen bis … ja, bis plötzlich mit lauten Tönen operiert wird. «Hör uf!» oder «bisch sälber tschuld!» und «das hesch jetz dervo!» Beef unter Kindern – nur, wer hat angefangen? «Einkindrige» Eltern haben es da möglicherweise etwas einfacher. Spurt der Nachwuchs nicht, ist das renitente Geschöpf rasch eruiert. Bei Eltern mit zwei oder mehr Kids wird es schon um einiges komplizierter. Denn kommts im Kinderzimmer zur Rudelbildung, ist im Nachhinein meist kaum ersichtlich, wie die ungute Szene zustande gekommen ist.
Nun, Junior und die Kleine zoffen sich in letzter Zeit immer häufiger. Hier ein Klaps beim Vorbeigehen, da eine Nackenklatsche oder ein «Speck-Chlüüber», ein «Zeukle» oder ein Schubser – den spontanen Blödeleien sind keine Grenzen gesetzt. Dabei mögen sich die beiden sehr gerne, sind oft auch kompromissbereit oder setzen sich füreinander ein. Aber eben, offenbar sind sie jetzt gerade in so einem Alter, wo sie … ach, Kinder sind ja immer in irgendeinem Alter, diese steinzeitliche Allzweckdurchhaltekeule brauche ich gar nicht erst auszupacken. Aber eben, was nun?
Drei Fragen, die ich mir sparen kann …
… und trotzdem jedes Mal von neuem stelle: «Was isch passiert?», lautet eine dieser Fragen. Klar, dass nun zwei grundverschiedene Argumentationslinien auf mich einprasseln. «Wär het agfange?», führt ebenfalls in die Sackgasse. «Chöit dir nech nid eifach i Rueh lah?» klingt mit etwas Distanz maximal doof. Nein, sie können die Pfoten eben nicht voneinander lassen, sonst stünde ich in diesem Moment ja auch nicht blöd im Zimmer rum. Da die Antworten auf die drei gestellten Fragen meist hundertprozentig unbrauchbar sind, beginne ich nochmals von vorne: «Was isch passiert?» Wohlwissend, dass auch nach dieser Extrarunde keine plausiblen Erklärungen rausschauen.
Irgendwann muss man doch dazwischengehen, nicht?
Es steht also Wort gegen Wort. Klar, meist geht es um irgendeine Lappalie, halb so wild. Aber im Moment des Ausbruchs sind die beiden Kinder natürlich volle Kanne frustriert ob der Ungerechtigkeit des jeweils anderen. Ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass die Streithenne in den zweiten Kindergarten und der Streithahn in die vierte Klasse geht.
Ein ungleiches Duell also, etwa, wie wenn man Schwingerkönig Wicki Joel gegen Bundespräsident Ignazio Cassis im Sägemehl antreten liesse. Der feingliedrige Tessiner hätte selbst mit einer laufenden Kettensäge bewaffnet keinen Stich gegen den Entlebucher Mega-Muni-Mocken. Uff, das mit der Kettensäge… grausiger Gedanke, bitte entschuldigen Sie. Aber eben so ist das auch bei den Kids, der eine stark, die andere weniger – frech zueinander sind alle beide.
Wer ist nun der Esel?
Es gibt Leute, die sagen, die Kinder sollen die Dinge untereinander regeln, damit sie aus ebensolchen Konfliktsituationen lernen können. Einerseits einverstanden. Aber irgendwann muss man doch dazwischengehen, nicht? Das ist wie bei einem Fussballspiel, indem der Schiri viel laufen lässt und dann doch irgendwann pfeift, um die Gelbe Karte zu zücken. Nur, gegen wen und weshalb? Wie soll das im Kinderzimmer funktionieren, so ohne Assistenzschiris und Videobeweis?
Ja, in meiner mir selbsterteilten Funktion als Mitglied der innerfamiliären Schlichtungsbehörde inmitten Legos und Barbies habe ich aufgrund widersprüchlicher Aussagen der Protagonisten wohl schon manche Schwalbe gutgeheissen und viele fiese Fouls nicht geahndet. Im Schiedsrichtertum nennt man das wohl Tatsachenentscheid.
Sie kennen das Sprichwort, wer, wenn nicht der Ältere, soll denn der Gescheitere sein und nachgeben?
Auch wenn ich ein gerechter Papa sein will und deshalb auch penibel darauf achte, dass ich mit beiden Kindern gleich viel schimpfe, ziehe ich oft – und das tut mir auch leid – den Grösseren, also Junior, beiseite und predige abermals: «Schau, du bist älter als die Kleine, du könntest dich auch etwas cleverer verhalten, nicht?» Junior aber versteht das nur bedingt und findet es unfair, dass er irgendwie die Verantwortung für den Zwist übernehmen soll. Das wiederum verstehe ich sehr gut. Nur, Sie kennen das Sprichwort, wer, wenn nicht der Ältere, soll denn der Gescheitere sein und nachgeben? Und bleibt die Kleine deshalb regelmässig automatisch als Esel stehen?
Wie lösen Sie solche Konflikte, liebe Leserinnen und Leser? Sind Sie Schiri oder schauen Sie weg?
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