Mamablog: Nervige StreitereienSpielt doch endlich was Schönes!
Oder warum wir Eltern unsere Vorstellung von Spielen überdenken sollten.
In jungen Mutterjahren hatte ich manchmal verzweifelt «Jetzt fangt doch endlich mit dem Versteckis an, Lotte muss in einer Stunde heim!» in eine Kinderbande gerufen, wenn diese sich stundenlang ohrenbetäubend laut in Verhandlungen verstrickte, ob es denn auch gelte, sich im Haus zu verstecken. Oder warum es komplett daneben sei, dass Tim auf seinen eigenen Regeln bestehe und Lilli immer nur suchen wolle.
«Warum spielen die denn nicht einfach?», hatten meine Nachbarin oder ich dann manchmal über unserer Kaffeetasse gemurmelt und die Augen verdreht – was die andere aber meist nicht mitbekam, da der Satz im Geschrei unterging.
Dabei hatten die Tage zu Beginn doch so nach Bullerbü ausgesehen: Ein Haufen Kinder, tausend Ideen. Doch statt einträchtigem Spielen gab es häufig endlose Verhandlungen, in der Dramatik einer bedrohten Tierherde.
Idylle? Nur für den Facebook-Post!
Nun, es brauchte viele solche Erlebnisse und noch mehr Kommentare meiner Kinder, was für ein schöner Nachmittag dies doch gewesen sei, bis ich kapierte, dass für sie genau das auch Spielen ist. Dass Spielen für sie längst nicht nur bedeutet, einträchtig vor dem Puppenhaus zu kauern, sodass ihre Eltern umgehend ein Foto von dieser Idylle auf Facebook posten. Denn so was gefällt uns Erwachsenen. Das ist, was wir unter Spielen verstehen.
Sie werden mitten ins Biotop des echten Lebens geschleudert.
Aber Kinder verstehen darunter so viel mehr als das. Kinder stehen auf diese – für uns Eltern oft so unverständlichen – endlos langen Verhandlungen. Nur durch sie erlernen sie Fertigkeiten, die einzig im Spiel mit anderen Kindern wirklich erfahrbar sind.
Denn ausserhalb der Familie befinden sich Kinder in einem komplett anderen Erfahrungsfeld als mit ihren Eltern. Mit diesen sind Kinder immer in einer relativ vorgespurten Beziehung, egal ob es nun das brave Kind oder den Trotzkopf mimt. Mit anderen Kindern aber, werden sie gleichzeitig auf sich selbst gestellt und Teil einer Gemeinschaft. Da gibt es keine Autoritäten mehr, dafür jede Menge Interessenkonflikte, verschiedene Ansichten und aufkochende Emotionen. Kurz, sie werden mitten ins Biotop des echten Lebens geschleudert.
Das Spiel ihres Lebens
Sie sind gezwungen, andere für ihre Interessen zu gewinnen, sich einzufühlen, anzupassen, einen Kompromiss zu finden. Sie üben Empathie und lernen, für sich einzustehen. Und je jünger ein Kind ist, desto unvermittelter prallen die nicht übereinstimmenden Ansichten aufeinander. Mit ihren Auseinandersetzungen trainieren Kinder aber Kompetenzen fürs Leben, die ihnen kein noch so pädagogisch wertvolles Programm bieten kann.
Freies Spielen mit Kindern ist kein sinnfreier Zeitvertreib irgendwo zwischen Hausaufgaben und Nachtessen, sondern das Wichtigste überhaupt. Nirgends lernen Kinder so intensiv und nachhaltig.
Und sollten sie einmal wirklich gar nicht mehr weiterkommen, darf ein Erwachsener durchaus auch mal begleitend eingreifen. Manchmal braucht ein Streit die Erfahrung eines Erwachsenen, wie man diesen lösen könnte. Das widerspricht der Freiheit des Spiels nicht, wenn wir Kindern grundsätzlich zutrauen, den Konflikt alleine zu lösen und erst dann einschreiten, wenn sie sich zu sehr in Opferpositionen verlieren. Denn wüsste der Mensch von Natur aus, wie man mit heftigen Konflikten umgeht, wäre unsere Welt wohl nicht so voller verzweifelter Machtkämpfe.
Dennoch sollten wir uns bei den nächsten endlosen Verhandlungen vielleicht auch mal ein bisschen zurücknehmen und uns gar freuen. Denn wir Erwachsenen sind mit unserer Sicht aufs Spielen sehr lösungsorientiert unterwegs, weil wir auf diese Art durchs Leben gehen. Kinder aber brauchen dazu erst einmal Erfahrungen, und ebendiese können sie in solchen Situationen sammeln. «Ich streite am liebsten mit meinen Freunden! Mit den andern lohnt es sich nicht», birgt eine tiefe Wahrheit in sich, nicht nur für Kinder. Aber gut: Ich gebe es zu: Die Lautstärke dabei könnte etwas leiser sein. Ich vermute, da liegt ein Konstruktionsfehler vor.
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