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Meinung

Kolumne «Tribüne»
Vom Raunen zum Staunen

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Es ist im Jahr nach dem grossen Befreiungsfest. Ein Austauschjahr im Ausland, der Traum vieler Studierenden in der DDR, ich kann ihn nun in Zürich verwirklichen, da Menschen trotz unterschiedlicher Vorstellungen über ein gutes Leben in einem Geist gedacht und einig gewesen waren: Der real existierende Sozialismus muss friedlich überwunden werden.

Da bin ich also ohne jegliche Weltgewandtheit, in einem Land, dessen Bürokratie einen Ossi wegen fehlender Papiere aufspürt und doch gnädig in sein System aufnimmt. Angekommen, bald dem Menschen begegnend, der seinem Leben Halt gibt, aber den Lebensweg verändert.

Schnell realisiere ich, dass man sich unterhalten kann, aber die Alltagssprache der Einheimischen eine andere ist. Die in Tram oder Bus gehörten Unterhaltungen sind ein bekanntes und doch unverständliches Raunen.

Das Interesse am Neuen lässt mich mein Pfingstfest erleben: Aus dem immer wieder lauschenden, neugierigen Hören wird ein freudiges Staunen, als ich plötzlich verstehe, was die Menschen miteinander sprechen. Auf der morgendlichen Tramfahrt höre und verstehe ich auf einmal, worüber meine Sitznachbarinnen sich unterhalten.

Es muss diese Neugier gewesen sein, dieses Interesse, das die Menschen nach der spektakulären Hinrichtung Jesu hatten, so erzählt es jedenfalls das Lukasevangelium, das sie aufmerksam hinhören liess, als Jesu Freundinnen begeistert, aufgeregt, chaotisch und mit unglaublicher Kraft von Jesu Bedeutung im Hier und Jetzt redeten.

Die Menschen begreifen: Wenn ich das Leben im Sinne Gottes lebe, dann verändere ich mich. Ich nehme den anderen neben mir wahr, sehe seine Bedürfnisse und handle selbstverständlich an Menschen, die mir bisher fremd waren. Im Hören und Handeln erfasst mich eine wohltuende Kraft und lässt mich eine Gemeinschaft suchen, in der ich meine Individualität ausleben und doch eng verbunden feiern kann.

Das Gemeinsame ist der eine Geist, der Geist Jesu, der Geist der Liebe, der Geist Gottes. Gottes Geist von Pfingsten kann uns, wenn wir neugierig und interessiert bleiben, immer wieder erfassen, genau an dem Ort, von dem die Bibel sagt: «Als sie dies hörten, traf es sie mitten ins Herz.» (Apostelgeschichte 2, 37)

Berthold W. Haerter, Pfarrer, Oberrieden.