Weltcupfinal in LenzerheideGut-Behrami endgültig geschlagen – Liensberger dominiert
Petra Vlhova wird im Slalom nur Sechste. Das reicht für den Sieg im Gesamtweltcup. Dennoch ist es ein enttäuschender Tag für sie.
Um was fährt Petra Vlhova? Mit Risiko um die kleine Kugel für den Sieg im Slalomweltcup? Mit Zurückhaltung für den Sieg im Gesamtweltcup? Das war die Frage vor diesem 2. Lauf in Lenzerheide. Auf Rang 6 war die Slowakin gefahren am Morgen. Ihr Rückstand: 1,84 Sekunden auf Katharina Liensberger, ihre erste Verfolgerin im Disziplinenweltcup. Sie müsste sich gewaltig steigern, um die Österreicherin auf Distanz zu halten, das wusste Vlhova. Auf der anderen Seite würde Rang 15 genügen, um Lara Gut-Behrami im Gesamtweltcup zu schlagen.
Dann stand Vlhova oben am Start. Und wurde schnell klar, dass die 25-Jährige nicht allzu viel hält von Zurückhaltung. Sie griff an, doch es war nicht ihr Tag. Immer wieder rutschte sie weg, im Ziel lag sie gar hinter der Schwedin Sara Hector, und setzte sich erst einmal in den Schnee von Lenzerheide, kauerte sich hin, blickte starr auf den Boden. Es blieb Rang 6. Was erst ausschaut wie die grosse Resignation, erklärt die 25-Jährige hinterher mit purer Erleichterung. «Ich habe alles gegeben für den Gesamtsieg und kann es kaum glauben. Ich habe Geschichte geschrieben für mein Land», sagt sie in die Fernsehkamera. Dabei wäre auch eine leise Enttäuschung verständlich gewesen. Denn sie war an diesem Tag auch Verliererin.
Auf dem Podest jubelten für einmal andere. Auch wieder einmal sie: Michelle Gisin. Die Engelbergerin hatte Ende Dezember in Semmering den Bann für die Schweizer Slalomfahrerinnen gebrochen und den ersten Sieg für das Team gefeiert seit Marlies Oester 2002. Nun gelang ihr nach Rang 5 im ersten Lauf ein vorzüglicher Auftritt im zweiten Durchgang. Dieser brachte sie auf Rang 3.
Liensberger mit dem perfekten Abschluss
Neben ihr stand Mikaela Shiffrin. Und vor allem sie: Katharina Liensberger, die ihren Wunderwinter entsprechend zu Ende bringt, in Lenzerheide überlegen siegt – mit 1,24 Sekunden Vorsprung – und damit Vlhova auch die kleine Kristallkugel wegschnappt. Die Slowakin kann sich derweil damit trösten, das andere Duell für sich entschieden zu haben, das wichtigste überhaupt eines Ski-Winters: Vlhova ist erstmals Gesamtweltcupsiegerin.
In den letzten Wochen war sie von Gut-Behrami arg bedrängt worden. Dass nun in Lenzerheide beide Speedrennen abgesagt wurden, kam ihr sehr gelegen. Die Tessinerin hatte damit bislang keine Möglichkeit, von den 96 Punkten Rückstand, die es vor dieser Finalwoche waren, etwas gutzumachen. Nun hat die Slowakin über 100 Punkte Vorsprung und kann im Riesenslalom am Sonntag aus ihrer Sicht passieren, was will.
Für Gut-Behrami wäre der zweite Gewinn des Gesamtweltcups nach 2016 ohnehin ein riesiger Coup gewesen. Dass es eine Saison wird, in der sie um die grosse Kugel würde kämpfen können, nachdem sie sich in den letzten Jahren schwer tat – vor allem im Riesenslalom –, hätte sie selber nicht für möglich gehalten. Doch sie hat den Anschluss in der technischen Disziplin wieder geschafft, hat im Riesenslalom gar Gold gewonnen an der WM in Cortina d’Ampezzo. Auch gab es Bronze in der Abfahrt. Und Gold im Super-G. Zudem war sie zum dritten Mal die Beste in dieser Disziplin - und der Winter auch ohne die grosse Kugel ein exzellenter.
Sophie Mathiou
So, genug geredet. Wir beginnen mit Sophie Mathiou, einer jungen Italienerin. Sie ist Junioren-Weltmeisterin, darum darf sie hier dabei sein. So ganz stabil war das nicht, aber sie ist im Ziel mit 1:56,66. Wir sind gespannt, obs die ersten Punkte für Mathiou gibt.
Der Zwischenstand
Hier noch einmal das aktuelle Standing im Slalom:
1. Petra Vlhova (612 Punkte)
2. Katharina Liensberger (590 Punkte)
3. Mikaela Shiffrin (575 Punkte)
Sie sehen, die Spannung ist vorprogrammiert. Vor allem, weil Vlhova, die diese Kugel so unbedingt will, im ersten Lauf 1,84 Sekunden auf Liensberger, die grosse Aufsteigerin des Winters verlor. Im Gesamtweltcup liegt Vlhova 94 Punkte vor Lara Gut-Behrami, es reichen ihr also fünf Punkte. Sonst hätte die Tessinerin morgen im Riesenslalom noch eine minimale Chance auf ihre zweite grosse Kugel.
Guten Tag
Klar, Sie sind noch daran, die Enttäuschung zu verkraften. Marco Odermatt ist nicht Gesamtweltcupsieger. Und die kleine Kugel im Riesenslalom geht auch an einen anderen, an den Franzosen Alexis Pinturault. Der ist aber einfach auch zu gut. Und hat es irgendwie verdient, bisher war er ja eher der ewige Zweite.
Aber es bleibt uns eigentlich gar keine Zeit. Denn es steht schon die nächste Entscheidung an. Und zwar jene im Slalom, auch hier geht es um beide Kugeln. Die wichtigste Figur dabei: Petra Vlhova. Sie könnte beide gewinnen, nur eine oder sogar keine. Im ersten Lauf schwächelte sie, das hier ist die Zusammenfassung von Kollege Hauri:
Ein Trio schwebt diese Saison über allen anderen Slalomfahrerinnen: Petra Vlhova, Katharina Liensberger und Mikaela Shiffrin. Von den 24 möglichen Podestplätzen holten sie 18. Die anderen sechs? Die Schweizerinnen Wendy Holdener und Michelle Gisin. Mit dem Kampf um den Disziplinensieg haben sie aber nichts mehr zu tun, den fechten eben diese drei aus.
Es scheint an diesem Samstag im 1. Lauf von Lenzerheide, als wäre nur eine gewappnet dafür: Liensberger. Die 23-jährige Österreicherin, die Weltmeisterin von Cortina d’Ampezzo, fährt mit einer Leichtigkeit und derart viel Gespür über die leicht weiche Piste, dass der gesamten Konkurrenz nur das Staunen bleibt. Die Norwegerin Kristin Lysdahl kommt ihr mit sieben Zehntel noch am nächsten. Shiffrin, schon sechsmal die beste Slalomfahrerin eines Winters, verliert als Dritte schon neun Zehntel.
Und Vlhova, die die Slalomwertung noch mit 22 Punkten anführt vor Liensberger und 37 vor Shiffrin? Für sie sind diese Verhältnisse nichts, zu brachial ist der Fahrstil der Slowakin. 1,84 Sekunden verliert sie auf Liensberger, ergibt Rang 6 für sie. Damit liegt sie direkt hinter Gisin, die ihre Aufgabe vorzüglich meistert.
Rast verliert den Stock und über drei Sekunden
Gisin ist eine von zwei übrig gebliebenen Schweizerinnen im ausgedünnten Slalomteam. Holdener ist just vor den letzten beiden Rennen positiv auf das Coronavirus getestet worden und fehlt. Mélanie Meillard war noch vergangene Woche im schwedischen Are positiv getestet worden und musste in Quarantäne. Es wurde zu knapp mit der Anreise.
Bleiben Gisin und Camille Rast. Die Walliserin findet mit der Startnummer 19 schon eine ziemlich gezeichnete Piste vor. Dann verliert sie kurz nach dem Start auch noch den linken Stock aus der Hand und kriegt ihn erst ein paar Stangen später wieder zu fassen. 3,38 Sekunden verliert sie auf Liensberger und wird Achtzehnte. Im zweiten Lauf (ab 13.30 Uhr) hat sie damit immerhin eine gute Startnummer, um Schadensbegrenzung zu betreiben.
Für Vlhova geht es derweil um mehr. Um viel mehr. Will die 25-Jährige wie im Vorjahr die kleine Kugel holen, muss sie sich am Nachmittag mächtig steigern, um vor Liensberger zu bleiben. In einer anderen Wertung sieht es schon besser aus für sie. Weil Lara Gut-Behrami auf den Start im Slalom verzichtet, reicht ihr Rang 15 zum Sieg im Gesamtweltcup. Auf das Ergebnis im letzten Riesenslalom vom Sonntag käme es dann gar nicht mehr an.
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