Rücktritt der BundesrätinIhre Kritiker vergessen: Amherd brachte Aufbruch
Die Verteidigungsministerin stand zuletzt stark unter Beschuss – zu Unrecht. Strategisch hat sie einige Fehler gemacht, doch ihre Bilanz lässt sich sehen.

Es war ein merkwürdig bescheidener Auftritt. Aber einer, der zu Viola Amherds bodenständigem Naturell passt. Angekündigt war eine Information der Verteidigungsministerin zum neuen Dienstpflichtsystem der Armee – doch wirkte Amherd bei der Medienkonferenz am Mittwoch so nervös, dass man sogleich ahnte: Da kommt noch mehr.
Ihren Rücktritt aus dem Bundesrat gab Amherd dann quasi als Appendix zur Medienkonferenz in ein paar dürren Sätzen bekannt. Dies dürfte in der an speziellen Rücktritten reichen Bundesratsgeschichte einmalig sein. Aber Amherd versteht sich auf Pioniertaten: 2018 gewählt, wurde die Walliserin die erste Verteidigungsministerin der Schweiz. In ihrem Departement sorgte sie – zumindest zu Beginn – für mehr Ruhe und einen Geist des Aufbruchs. (Lesen Sie dazu: Die Ausnahme-Ministerin. Bilanz von Viola Amherd)
Vielleicht brauchte es ihren unkonventionellen Zugang, um schwierige Dossiers voranzubringen. In ihrer Amtszeit hat sie nicht nur neue Kampfjets im Volk durchgebracht (was ihrem SVP-Vorgänger Ueli Maurer nicht gelungen war), sondern auch erstmals seit Jahrzehnten wieder eine Aufstockung des Armeebudgets erwirkt. Die veränderte Sicherheitslage wegen des Ukraine-Kriegs schaffte neue politische Mehrheiten, die Amherd zu nutzen wusste.
Die grössten Erfolge hatte Amherd 2024 in ihrem Präsidialjahr. Mit dem Gipfeltreffen auf dem Bürgenstock gelang es der Schweiz im vergangenen Juni, eine internationale Konferenz historischer Dimension auszurichten. Kurz vor Weihnachten konnte Amherd zudem gemeinsam mit EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen den Abschluss der materiellen Verhandlungen zum EU-Vertrag bekannt geben.
Manchmal kommunizierte Amherd unglücklich
Überschattet wird Amherds Bilanz allerdings von einer teilweise ungelenken Kommunikation, etwa als sie die Beschaffungskosten des F-35 beschönigte oder als sie Verwirrung über den Finanzbedarf der Armee stiftete. Strategisch ungeschickt war auch der Zickzackkurs der Magistratin bei der entscheidenden Frage, bis wann die Armee aufgerüstet werden soll – bis 2030, 2032 oder 2035.
Dass Amherd zunehmend sowohl departements- als auch bundesratsintern Feindseligkeiten gewärtigen musste, widerspiegelte sich in den häufiger werdenden Indiskretionen, die an ihrer Reputation kratzten. Der medial ausgetragene Konflikt mit ihrer Bundesratskollegin Karin Keller-Sutter oder die Posse um das vermeintliche Abzocker-Honorar ihrer engsten Beraterin Brigitte Hauser-Süess waren zuletzt Ausdruck davon. Letzteres dürfte Amherd besonders zugesetzt haben, wurden die Angriffe doch immer persönlicher. Sie gipfelten diese Woche in der Rücktrittsforderung der SVP, weil unter Amherd «die Sicherheit nicht mehr gewährleistet sei».
Die wachsende Polarisierung und die sich ausbreitenden Gehässigkeiten im politischen Diskurs seien zunehmend schwierig für unsere Institutionen, sagte sie an der Medienkonferenz. Das kann durchaus als Kommentar zu diesen Angriffen verstanden werden.
Mit Viola Amherds Rücktritt sorgt die Mitte-Partei nun bereits zum zweiten Mal im noch sehr jungen Politjahr für Aufregung in Bundesbern. Nur eine Woche nach Gerhard Pfisters Rücktritt als Parteipräsident wird bereits ein Bundesratssitz frei. Ebnet das Pfister nun definitiv den Weg in die Regierung? Tritt er an (woran niemand zweifelt), geht er als Favorit ins Rennen. Doch die vergangenen Bundesratswahlen haben immer wieder Überraschungen hervorgebracht. Ähnlich wie Pfister galt etwa auch Eva Herzog (SP) jahrelang als prädestinierte Bundesrätin. Es kam anders.
Das Rennen um den einzigen Mitte-Sitz ist eröffnet. Es wird spannend.
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