Nächste Station Donald TrumpViktor Orban lässt sich auf seiner «Friedensmission» nicht bremsen
Die EU-Staaten üben massive Kritik am Treiben des ungarischen Premiers und EU-Ratspräsidenten in Sachen Ukraine-Krieg. Hat er für Trump eine geheime Nachricht aus Moskau mit dabei?
Und er macht einfach weiter: Viktor Orban werde von Washington nach Florida reisen und Donald Trump einen Besuch abstatten, hiess am Rande des Nato-Gipfels in der amerikanischen Hauptstadt. Befürchtungen von Diplomaten in Brüssel, dass sich Ungarns Regierungschef auf seiner selbsterklärten «Friedensmission» nicht einfach bremsen lassen würde, bestätigten sich.
Prompt wurde gerätselt: Reist Orban mit einer «geheimen Nachricht» von Wladimir Putin nach Florida? Ungarns Regierungschef und Russlands Präsident setzen beide auf ein Comeback von Trump, einem Gesinnungsgenossen. Und Trump möchte nach einem Wahlsieg im November den Krieg in der Ukraine «an einem Tag» beenden – selbstverständlich auf Kosten der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine, des Opfers des russischen Angriffskrieges.
Affront gegenüber Biden, Ärgernis und Blamage für EU
Nach Stationen in Kiew, Moskau, Peking und beim Treffen der Turkstaaten in Aserbaidschan hat Orban nun ein Rendez-vous mit Trump, Joe Bidens Herausforderer: Das ist ein Affront gegenüber dem US-Präsidenten. Doch Orbans Egotrip ist vor allem für die EU-Partner Ärgernis und Blamage zugleich. Ungarn hat Anfang Juli für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft übernommen, und sein Premier will die grosse politische Bühne ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten anderer Staats- und Regierungschefs nutzen.
Die Botschafter der EU-Mitgliedsstaaten machten am Mittwoch bei einer Sitzung in Brüssel ihrem Ärger Luft. Die ständigen Vertreter in Brüssel kritisierten den massiven Vertrauensbruch und den Fehlstart in die Ratspräsidentschaft. Nur die Slowakei äusserte sich nicht. Viktor Orban habe sowohl beim Besuch in Moskau als auch in Peking vorgegeben, ein Mandat der EU zu haben, so die anderen Diplomaten. Unter anderem, indem er bei seinen Auftritten in den sozialen Medien das Logo von Ungarns EU-Ratsvorsitz verwendet habe.
Es sei zynisch, von einer «Friedensmission» zu reden, sagte der Botschafter eines grossen EU-Staates. Putin habe den Besuch schon jetzt propagandistisch ausgenutzt. Orban werbe de facto für die Aufkündigung der Solidarität mit der Ukraine und unterminiere die Position der EU. Einige Botschafter bezweifelten, ob Ungarn überhaupt noch als ehrlicher Makler fungieren könne.
EU-Partner müssen Orbans Treiben machtlos zuschauen
Orban habe gegen das Loyalitätsgebot verstossen, wie es in den EU-Verträgen verankert sei. Griechenland und Zypern kritisierten zudem Orbans Reise zum Treffen der Turkstaaten in Aserbaidschan im Anschluss an den Moskau-Besuch. Dabei habe Orban bezüglich des Status des türkisch kontrollierten Nordzypern Positionen unterstützt, die im Widerspruch zur Haltung der EU seien.
Konsequenzen fürchten muss Orban allerdings nicht, und das dürfte Ungarns Regierungschef auch wissen. Die europäischen Partner müssen dem Treiben des selbst ernannten Friedensaktivisten weitgehend machtlos zuschauen.
Vor dem Beginn der EU-Ratspräsidentschaft Anfang Juli hätte es wohl Möglichkeiten gegeben, Ungarn zu übergehen und etwa Belgiens Vorsitz einfach zu verlängern, bis Ende Jahr Polen übernimmt. Eine qualifizierte Mehrheit von 20 Mitgliedsstaaten hätte es gebraucht, um Ungarn die Plattform wegzunehmen. Vor allem aus dem EU-Parlament gab es entsprechende Forderungen, die aber in den Hauptstädten kein Gehör fanden.
Nachdem die EU-Ratspräsidentschaft begonnen habe, sei es rechtlich schwierig bis unmöglich, etwas gegen Orbans Aktivitäten zu unternehmen, sagen Diplomaten in Brüssel. Mehr als symbolische Protestaktionen liegen nicht drin. Polen und Balten drohten an, bei informellen Ministertreffen fernzubleiben oder nur Beamte zu schicken. Olaf Scholz, Emmanuel Macron und Co. könnten den informellen EU-Gipfel im November in Budapest boykottieren.
Solche Treffen finden in der Regel in der Hauptstadt der EU-Ratspräsidentschaft statt und sind eine Gelegenheit für eine Regierung, ihr Land in einem guten Licht zu präsentieren. Dies scheint für Orban jedoch kein Anliegen zu sein. Ungarns Ratsvorsitz hat erst vor zehn Tagen begonnen, und in Brüssel fragen sich die Diplomaten, was Orban bis Ende Jahr noch so im Schilde führt.
Auf X veröffentlichte Orben ein Foto von dem Treffen in Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Florida und schrieb dazu: «Friedensmission 5.0 (…) Wir haben über Wege zum #Frieden diskutiert. Die gute Nachricht des Tages: Er wird es lösen!»
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