Analyse zu Deutschlands RegionalwahlViel gewonnen hat Scholz noch nicht
Statt der CDU regiert künftig die SPD das kleine Saarland. Die grossen Herausforderungen für beide Parteien folgen aber erst noch.
Das Saarland, ehemaliges Bergbaugebiet an der Grenze zu Frankreich, in dem eine Million Menschen lebt, war schon immer ein spezielles politisches Biotop. Die Sozial- und die Christdemokraten halten sich hier noch als «Volksparteien» mit Wahlanteilen bis zu 40 Prozent. Die restlichen Parteien sind nicht nur klein, sondern müssen regelmässig um den Einzug ins Parlament fürchten.
Nach der Landtagswahl wechselt die Macht im Saarland nun erstmals seit 22 Jahren wieder von der CDU zur SPD. Die Partei des bisherigen Ministerpräsidenten Tobias Hans blieb deutlich hinter derjenigen der bisherigen Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger zurück. Die SPD steigerte sich im Vergleich zu 2017 von 30 auf 43,5 Prozent, die CDU fiel von 41 auf 28,5 Prozent zurück. Die SPD errang damit im Landtag sogar eine knappe absolute Mehrheit der Sitze. Falls ihr das für eine stabile Regierung nicht reicht, steht mit der CDU ein Koalitionspartner bereit.
In deutschen Bundesländern kommt es ziemlich selten vor, dass Ministerpräsidenten abgewählt werden. Der aktuelle Coup der SPD hat zwei Gründe: Die im Saarland wegen Oskar Lafontaine traditionell starke Linkspartei hat sich in den vergangenen Jahren derart zerstritten, dass deren Anhängerinnen diesmal lieber SPD wählten. Die Grünen präsentieren sich ebenfalls seit langem als zerrüttet. Wie die Linkspartei scheiterten sie am Sonntag an der 5-Prozent-Hürde, wenn auch nur um winzige 23 Stimmen. Die SPD war im linken Lager diesmal also praktisch konkurrenzlos.
Der Sieg der SPD im Saarland ist vor allem Anke Rehlingers persönlicher Erfolg.
Vor allem aber erwies sich die Herausforderin Rehlinger als erheblich beliebter als Ministerpräsident Hans. Der 44-Jährige wurde nicht ins Amt gewählt, sondern übernahm dieses im März 2018, als die erfolgreiche Ministerpräsidentin und spätere CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer nach Berlin wechselte.
Erst wirkte Hans noch frisch und innovativ, doch spätestens in der Corona-Pandemie verlor er an Vertrauen. Mal schloss der Ministerpräsident hektisch alles zu, dann öffnete er wieder alles, stets mit viel Elan, aber ohne klaren Kompass. Im eher behäbigen Saarland war das vielen der Sprunghaftigkeit zu viel.
Rehlinger dagegen, die bereits seit 2014 als stellvertretende Ministerpräsidentin mitregiert, gefiel als tüchtig und souverän, robust und bodenständig. In den Umfragen vor der Wahl überflügelte sie Hans denn auch deutlich bei der Frage, wen sich die Saarländerinnen und Saarländer als Ministerpräsidentin wünschen. Der Sieg der SPD ist in diesem Sinne vor allem ihr persönlicher Erfolg.
In den meisten nationalen Umfragen liegt die CDU längst wieder vor der SPD.
Mit der deutschen Bundespolitik haben die Wahlergebnisse im Saarland also ziemlich wenig zu tun, nicht mal als «Stimmungstest» taugen sie so richtig. Medien und Parteien bemühten sich dennoch nach Kräften, einen gegenteiligen Eindruck zu erwecken. Von einem «Triumph» für den sozialdemokratischen Kanzler Olaf Scholz war genauso die Rede wie von einer «Schlappe» für den neuen CDU-Chef Friedrich Merz.
Die nationalen Umfragen lassen diesen Schluss eher nicht zu: In den meisten liegt die CDU längst wieder vor der SPD, wenn auch oft nur knapp. In jedem Fall folgen die wichtigen Landtagswahlen dieses Jahres erst noch. Im Mai wird erst in Schleswig-Holstein gewählt, dann in Nordrhein-Westfalen, im Herbst zusätzlich in Niedersachsen.
In Kiel und Düsseldorf steht für die CDU ungleich mehr auf dem Spiel, als dies jetzt in Saarbrücken der Fall war. Die Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, Daniel Günther und Hendrik Wüst, gelten als Zukunftshoffnungen der CDU. Anders als Hans hat der 48-jährige Günther sich nicht zuletzt durch seine besonnene Corona-Politik beliebt gemacht. Eine Wahlniederlage zwischen Nord- und Ostsee wäre darum für die Christdemokraten eine böse Überraschung.
Der Hauptpreis in den diesjährigen Landtagswahlen winkt in Nordrhein-Westfalen.
Wüst wiederum hat wie Hans sein Amt ebenfalls nicht gewonnen, sondern «geerbt», als er vor fünf Monaten dem gescheiterten CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet in die Düsseldorfer Staatskanzlei folgte. Anders als Hans hat der 46-jährige Wüst aber die 18 Millionen Menschen, die im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland leben, bisher recht gut von sich überzeugt. In den Umfragen liegt seine Partei derzeit jedenfalls deutlich vor der SPD von Herausforderer Thomas Kutschaty.
In Niedersachsen wiederum ist es die SPD, die etwas zu verlieren hat. Stephan Weil, ehemaliger Bürgermeister von Hannover, regiert seit 2013 als Ministerpräsident. Bislang deuten die Umfragen nicht darauf hin, dass er sein Amt im Oktober verlieren könnte.
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