Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Weltweite Umfrage
Das Vertrauen in die Demokratie bröckelt – ausser in der Schweiz

Menschen stimmen bei der Landsgemeinde am 5. Mai 2024 in Glarus mit grünen Karten ab, umringt von Bergkulisse.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk
In Kürze:
  • Laut einer weltweiten Umfrage der Gallup International Association vertrauen die Schweizerinnen und Schweizer der Demokratie deutlich mehr als die Bevölkerung anderer westlichen Nationen.
  • In den USA fiel das Vertrauen in die Volksherrschaft seit dem Jahr 2000 drastisch.
  • Länder des globalen Südens zeigen wachsendes Vertrauen in ihre politischen Systeme.

Wer regiert eigentlich – das Volk oder eine politische Klasse? Diese Frage treibt Menschen weltweit um.

Die neusten Zahlen des 8. Berichts zur Gesundheit der Demokratie des Umfrage-Instituts Gallup International Association zeichnen ein auffällig gespaltenes Bild: In weiten Teilen der westlichen Welt zweifeln viele daran, dass ihre Regierungen im Sinne des Volkswillens handeln.

Eine bemerkenswerte Ausnahme: die Schweiz

Laut der repräsentativen Umfrage mit über 44’000 Teilnehmenden in 43 Ländern sagen nur 43 Prozent der Menschen in den USA, sie würden «nach dem Willen des Volkes» regiert. In Deutschland sind es 39 Prozent, in Italien 47 Prozent und im Vereinigten Königreich 45 Prozent. In der Schweiz hingegen liegt dieser Wert bei 69 Prozent, in Finnland gar bei 72 Prozent.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Einschätzung, ob Wahlen «frei und fair» ablaufen – dem sogenannten prozeduralen Aspekt der Demokratie. Auch hier liegt die Schweiz mit 79 Prozent Zustimmung über dem westlichen Durchschnitt, der zwischen 60 und 70 Prozent schwankt.

Die Kluft zwischen Verfahren und Gefühl

Interessanterweise ist das Vertrauen in den Ablauf demokratischer Prozesse in vielen westlichen Ländern durchaus intakt – trotz Zweifeln an der tatsächlichen Umsetzung des Volkswillens. So halten 70 Prozent der Britinnen und Briten ihre Wahlen für fair, während nur 45 Prozent das Gefühl haben, ihre Regierung handle im Sinne des Volkes.

Dieses Phänomen – demokratisch legitimierte Institutionen, denen aber ein Legitimationsgefühl fehlt – wird von Gallup als Indikator für eine Erosion der substanziellen Demokratie gewertet. Während «freie und faire Wahlen» von Expertengremien objektiv bewertet werden können, ist das Gefühl, «nach dem Willen des Volkes regiert zu werden», laut Michael Nitsche, Präsident der Gallup International Association, «höchst subjektiv». Dieses lasse sich «am besten erfassen, indem man jene befragt, die es unmittelbar erleben».

Vertrauen in Mitsprache sinkt massiv

Eine Aufbereitung der Gallup-Daten über mehrere Erhebungswellen zeigt einen klaren Trend: In vielen westlichen Demokratien ist das Vertrauen in die eigene Mitsprache massiv gesunken.

  • In den USA sagten im Jahr 2000 noch 66 Prozent, sie würden nach dem Willen des Volkes regiert. 2024 sind es nur noch 43 Prozent.

  • In Deutschland sank der Wert von 53 auf 39 Prozent.

  • In Grossbritannien von 59 auf 45 Prozent.

Die Schweiz hingegen trotzt diesem Trend. Der Anteil der Befragten, die ihre Regierung als Ausdruck des Volkswillens empfinden, bleibt seit 2000 stabil hoch, zuletzt bei 69 Prozent.

«Demokratie, verstanden als Herrschaft im Sinne des Volkswillens, bedeutet für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen Verschiedenes. Das ist, was wir messen», sagt Michael Nitsche.

Chinesen definieren Demokratie anders

Gleichzeitig wächst in zahlreichen Ländern des globalen Südens das politische Selbstvertrauen. In Indien (64 Prozent), Indonesien (70 Prozent) oder China (87 Prozent) ist die Zustimmung zur Aussage «Wir werden nach dem Willen des Volkes regiert» deutlich höher als im Westen – trotz oft schwächerer institutioneller Absicherung.

Das hat laut dem Präsidenten der Gallup International Association nicht nur mit Propaganda zu tun, sondern auch mit einem veränderten Selbstverständnis. «Viele nicht-westliche Staaten haben zunehmend eigene Vorstellungen davon, was Demokratie bedeutet – gestärkt durch wirtschaftlichen Aufstieg und politisches Selbstbewusstsein.»

Statt sich am westlichen Modell zu orientieren, würden sie Effizienz, Stabilität oder kulturelle Werte als Quelle politischer Legitimation höher bewerten – und als ebenso demokratisch interpretieren.

Mit anderen Worten: Demokratie muss nicht mehr unbedingt westlich aussehen, um sich so zu nennen. Länder wie China, Indien oder Indonesien beanspruchen das Recht, den Begriff nach eigenen Regeln zu füllen – und tun das zunehmend selbstbewusst. Was zählt, ist nicht zwingend das Mehrparteiensystem, sondern das Gefühl politischer Wirksamkeit.

1000 Teilnehmende pro Land

Die Umfrage wurde von Gallup International zwischen Oktober 2024 und Februar 2025 in 43 Ländern durchgeführt. Weltweit nahmen über 44’000 Personen an der Befragung teil, je rund 1000 pro Land.

Während in den Jahren 2000 bis 2005 noch mit einer einfachen Ja/Nein-Skala gearbeitet wurde, kommt seit 2020 eine differenzierte Vier-Punkte-Skala zum Einsatz («Stimme voll zu» bis «Stimme überhaupt nicht zu»).

Um historische Vergleiche zu ermöglichen, wurden die neueren Antworten in die vereinfachte Ja/Nein-Logik rücküberführt – was laut Gallup mit methodischer Vorsicht zu interpretieren ist. Der statistische Fehlerbereich liegt bei plus/minus 3 bis 5 Prozentpunkten je nach Land und Erhebungsmethode.

Die Schweiz – direkt und glaubwürdig

Inmitten all dieser globalen Umbrüche erscheint die Schweiz als demokratischer Fels in der Brandung. Dass ein so hoher Anteil der Bevölkerung überzeugt ist, «nach dem Willen des Volkes» regiert zu werden, ist laut Oliver Zügel, Verwaltungsratspräsident von Gallup Schweiz, mehr als ein statistischer Ausreisser. Vielmehr spiegle sich hier das Funktionieren direkter Demokratie wider – nicht als Folklore, sondern als lebendige Praxis.