Gegensanktionen drohenVerstaatlichung von westlichen Firmen würde Russlands Wirtschaft schaden
Russland droht damit, Unternehmen zu sanktionieren, die sich aus dem Land zurückziehen. Wirtschaftsexperten zufolge wäre dieser Entscheid für Russland fataler als für die betroffenen Firmen.
Die wirtschaftliche Lage aufgrund des Ukraine-Kriegs spitzt sich zu. Nach den Sanktionen gegenüber Russland haben sich zahlreiche westliche Firmen zurückgezogen und Liefer- sowie Produktionsstopps verhängt. Darunter Schweizer Konzerne wie ABB, Clariant, Kühne + Nagel sowie die Swiss. Als Reaktion darauf droht nun Russland damit, deren Betriebe und Produktionsstätten zu verstaatlichen.
Doch was würde eine Verstaatlichung für die Wirtschaft bedeuten? Müssen sich die betroffenen Unternehmen nun auf Enteignungen einstellen? Mit solchen Drohungen gefährde Russland seine eigene wirtschaftliche Zukunft, sagt Jan Atteslander, der bei Economiesuisse für die Aussenwirtschaft zuständig ist. «Dass Russland überhaupt eine breitflächige Verstaatlichung androht, führt zu einem Vertrauensschwund.»
«Russland müsste mit grossen Schäden rechnen, wenn internationale Unternehmen in diesen Produktionsstandort nicht mehr investieren wollen.»
Laut dem Wirtschaftsexperten wird dadurch das Vertrauen ausländischer Investoren für lange Zeit geschädigt. «Als Investor will man langfristige Engagements tätigen, und mit dem Risiko einer späteren Enteignung wird man einen anderen Standort suchen. Und auch Russland als Investitionsstandort müsste mit grossen mittel- und langfristigen Schäden rechnen, wenn internationale Unternehmen in diesen Produktionsstandort nicht mehr investieren wollen.»
Totalausfall in Russland
Bei Swissmem, dem Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, heisst es: «Im Moment ist noch nicht klar, ob und wie eine solche Massnahme umgesetzt würde. Eine Verstaatlichung von Niederlassungen von Schweizer Firmen würde aber wohl zum Totalverlust der Investitionen in Russland führen.» Für einzelne Firmen könnten dies substanzielle Beträge sein, die verloren gehen.
«Dass die operativen Tätigkeiten dieser dann rein russischen Firmen in derselben Qualität weitergeführt werden können, ist unwahrscheinlich.»
«Dass die operativen Tätigkeiten dieser dann rein russischen Firmen in derselben Qualität weitergeführt werden können, ist unwahrscheinlich», so Sprecher Ivo Zimmermann. Bereits heute seien die Lieferung von Ersatzteilen und Komponenten sowie der Transfer von technischem Know-how aufgrund der Sanktionen nicht mehr möglich.
Der Lebensmittelkonzern Nestlé, der in Russland sechs Fabriken hat und über 7000 Mitarbeiter beschäftigt, kann auf Anfrage von Tamedia keine Einschätzung abgeben, was eine Verstaatlichung für ihn bedeuten würde. Die Fluggesellschaft Swiss, die vor Beginn des Krieges täglich nach Moskau flog, betreibt keine Geschäftsstellen in Russland.
Konzerne können Verlust abfedern
Russland ist jetzt bereits wirtschaftlich stark getroffen. «Die Diskussion über eine Verstaatlichung schadet der eigenen Wirtschaft zusätzlich», so Atteslander. Für Russland wären die Konsequenzen einer Verstaatlichung von westlichen Unternehmen also bei weitem grösser als für die betroffenen Unternehmen selbst.
«Die meisten ausländischen Unternehmen, die in Russland produzieren, sind mittlere und grössere Unternehmen. Für sie geht es zwar um den Verlust ihrer Direktinvestitionen in diesem Markt. Aber diese Unternehmen sind oft weltweit diversifiziert aufgestellt und können den finanziellen Verlust – auch wenn er ihnen wehtun mag – verkraften», sagt Atteslander.
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