Lehner Versand kauft VediaEiner der letzten erfolgreichen Versandhändler übernimmt Konkurrenten
Hohe Kosten, Billigprodukte aus China: Kataloghändler stehen unter Druck. Der Schweizer Lehner-Versand schluckt nun Vedia aus der Westschweiz – und übernimmt einen Teil der Angestellten.
Früher gab es Streit am Essenstisch, wer als Erstes in den neuen Versandkatalog reinschauen darf. Im Zeitalter von Smartphones ist es jedoch schwer vorstellbar, dass jemand noch Kataloge braucht. Es gibt sie aber noch: Leute, die ihre Produkte am Küchentisch nicht in ihrem Smartphone, sondern einem Katalog suchen. Doch ihre Anzahl sinkt. Dazu kämpfen die Kataloghändler mit den hohen Energiepreisen und deshalb stark gestiegenen Kosten fürs Papier, und auch die Zustellung wird immer teurer.
Viele der Anbieter haben deshalb in den letzten Jahren versucht, zu Onlineshops zu werden, jedoch meist mit überschaubarem Erfolg. Etliche gingen ein oder wurden ¨übernommen. Beispielsweise der einstige Ackermann-Versand im Entlebuch im Kanton Luzern, der heute als Marke der deutschen Otto Group fungiert, zu dieser gehört auch Jelmoli-Versand.
Als eine der letzten erfolgreichen Schweizer Händler gilt der Lehner-Versand. Er ist ebenfalls im Kanton Luzern beheimatet und beschäftigt rund 300 Mitarbeitende. Lehner betreibt einen Online-Shop und auch mehrere stationäre Geschäfte. Der Händler führt eine breite Auswahl an Textilprodukten.
Lehner übernimmt per sofort einen der letzten verbliebenen Schweizer Konkurrenten: Vedia. Vom magnetischen Moskitonetz über ein neues Sofa oder Kleiderbügel findet sich im Katalog aus der Westschweiz allerlei zum günstigen Preis. Doch wer einen Blick auf die Homepage wirft, sieht, dass es diesem Shop nicht gelungen ist, mit der Zeit zu gehen. Die Seite wirkt statisch, so als wäre einfach der Katalog ins Internet kopiert werden.
Am Donnerstagmorgen wurden die gut 50 Angestellten über die Übernahme informiert. Lehner will zwischen 10 und 20 Angestellte davon übernehmen. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart.
Doch was will Lehner mit dem Konkurrenten? Lehner-Chef Thomas Meier sagt: «Wir haben Mühe, an neue Kundinnen und Kunden zu kommen.» Während man vor der Pandemie rund 5 Prozent pro Jahr gewachsen sei und während der Pandemie die Wachstumsraten verdoppelt habe, stagniere das Wachstum nun.
Durch die Übernahme kommt Lehner an die Daten der rund 300’000 Kundinnen und Kunden von Vedia, die vor allem in der Westschweiz beheimatet sind. So will Lehner das eigene Geschäft dort ausbauen. Gleichzeitig soll Vedia wie gehabt weiterlaufen. Die Vedia-Sendungen sollen aber neu über das Lager von Lehner in der Zentralschweiz abgewickelt werden. Dieses wurde vor einigen Jahren für 15 Millionen Franken neu gebaut und soll so besser ausgelastet werden. Für Vedia-Kunden ändere sich aber nichts, betont Meier.
Die Zeiten haben sich auch für Lehner geändert. Gemäss Meier, der auch für die FDP im Luzerner Kantonsrat sitzt, habe Lehner 2018 noch 21 Millionen Kataloge aufgeteilt auf 23 Ausgaben an die Schweizer Haushalte verschickt. Heute sind es noch rund 10 Millionen Kataloge aufgeteilt auf 13 Ausgaben. Auch wer den Katalog durchblättere, bestelle heute über die Website. Rund 30 bis 40 Prozent der Online-Bestellungen würden auf den Katalog zurückgehen, das sei nicht vernachlässigbar. Trotzdem finde der Kampf um Marktanteile, so Meier, vor allem im Netz statt.
Die Situation im Schweizer Detailhandel ist derzeit alles andere als rosig. Gerade bei den für Versandhändler wichtigen Bereichen wie Bekleidung und Einrichtung ging der Umsatz letztes Jahr bei Schweizer Händlern zurück. Der Anteil des Online-Umsatzes stagnierte derweil.
Wie schwierig es ist, zeigen auch die Umsatzzahlen von Firmen mit ähnlichem Geschäftsmodell wie Lehner. Sowohl La Redoute aus Frankreich wie auch die Otto Group büssten deutlich Umsatz ein mit ihren Angeboten in der Schweiz.
Hingegen legten chinesische Anbieter wie Temu und Shein mit ihren Kampfpreisen zu. Bei den Auslandsbestellungen resultierte ein Plus von 10 Prozent. «Diese Shops arbeiten zwar aus meiner Sicht nicht profitabel, rühren aber online extrem die Werbetrommel», sagt Thomas Meier vom Lehner-Versand. «Die Konsequenz ist, dass die Klickpreise bei Google ständig steigen. Vor drei Jahren nahmen wir für einen bei Google ausgegeben Franken acht Franken ein, heute sind es nur noch fünf Franken.» Da kommen die 300’000 potenziellen Neukunden von Vedia gerade recht. Nun müssen sie nur noch bestellen, sonst geht es Lehner wie den anderen Versandhändlern vor ihm.
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