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Schlammschlacht vor Gericht
Verlorene Ehe, verlorene Ehre

Die Vorwürfe gegen ihn wiegen schwer: Johnny Depp soll seine damalige Frau Amber Heard geschlagen haben. Die Aufnahme vom 24. Juli zeigt den Schauspieler bei seinem Eintreffen am Gericht in London.
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Es ist beinahe nebensächlich, welches Urteil an diesem Dienstag in den Royal Courts of Justice in London verkündet werden wird, denn die Verlierer stehen bereits fest: Es sind die Schauspieler Amber Heard und Johnny Depp, die sich in den vergangenen drei Wochen vor Gericht gegenseitig in aller Öffentlichkeit blossstellten.

Der 57-jährige Depp und die 23 Jahre jüngere Heard hatten sich 2011 bei den Dreharbeiten zum Film «The Rum Diary» kennen gelernt und 2015 geheiratet. Nur 15 Monate später reichte Heard die Scheidung ein und erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen Depp mit der Begründung, er habe sie geschlagen und emotional missbraucht. Die Vorwürfe zog sie ein Jahr später nach einer aussergerichtlichen Einigung – sie bekam sieben Millionen Dollar – zurück. In einem gemeinsamen Statement hiess es damals: «Es gab niemals die Absicht, dem anderen physischen oder emotionalen Schaden zuzufügen.»

Heard schrieb, sie sei zum Schweigen gebracht worden

Man mag bisweilen glauben, dass so eine aussergerichtliche Einigung das Eingeständnis von Schuld sei – doch das stimmt nicht. Wer sich mit Promi-Anwälten wie Laura Wasser unterhält, die Trennungen von Angelina Jolie, Kim Kardashian und Heidi Klum verhandelt hat, der erfährt, dass es dabei vor allem darum geht, das Gesicht zu wahren, einen Ruf nicht zu ruinieren. Durch den Verzicht auf Gerichtstermine sollen möglichst wenig intime Details an die Öffentlichkeit geraten. Also lieber ein bisschen mehr bezahlen und dafür mithilfe einer Geheimhaltungsvereinbarung und eines gemeinsamen Statements seine Ruhe haben.

Bei Johnny Depp und Amber Heard allerdings kam alles ganz anders.

Auch sie wird der häuslichen Gewalt bezichtig: Amber Heard soll gegen Johnny Depp tätlich geworden zu sein.

Im April 2018 veröffentlichte Heard einen Text in der «Washington Post» mit dem Titel: «Ich habe mich gegen sexuelle Gewalt ausgesprochen – und den Zorn unserer Kultur zu spüren bekommen. Das muss sich ändern.» Sie spricht Depp nicht direkt an, und doch wird klar: Sie wirft ihm vor, sie missbraucht zu haben und aufgrund seiner Prominenz damit durchgekommen zu sein. Sie selbst sei zum Schweigen gebracht worden: «Freunde und Berater haben mich gewarnt, dass ich nie wieder als Schauspielerin arbeiten würde.»

Die «Sun» muss den Wahrheitsbeweis erbringen

Johnny Depp verklagt Heard wegen dieser Vorwürfe auf Schadenersatz in Höhe von 50 Millionen Dollar. Das hat mit dem Prozess in England einerseits nichts zu tun – andererseits doch sehr viel.

Die britische «Sun» hatte Depp in einem Artikel aus dem Jahr 2018 als «wife beater» bezeichnet, der Schauspieler zog die Zeitung dafür vor Gericht. Nach britischem Recht liegt die Beweislast bei der beklagten «Sun»; sie muss zeigen, dass «Ehefrauenschläger» keine Verleumdung, sondern eine Tatsache ist – und deshalb wurde jene Wäsche gewaschen, die Depp und Heard lieber im Waschkorb gelassen hätten.

Alle Beteiligten mussten aussagen. Heard sprach von «lebensgefährlichen Momenten» und davon, dass sie «mehrere Jahre lang Johnnys Boxsack» gewesen sei. Er habe sie ins Gesicht geschlagen, ihr Kopfstösse verpasst oder mit Flaschen nach ihr geworfen. Insgesamt geht es um 14 Vorfälle.

Johnny Depp bestreitet alle Anschuldigungen, vor Gericht stellte er Amber Heard als Aggressorin in der Beziehung dar. Sie habe zum Beispiel eine Wodkaflasche nach ihm geworfen, ihn geschlagen oder, das war wohl der traurige Tiefpunkt dieses Prozesses, während einer Party im Jahr 2016 einen Haufen Exkremente in seinem Bett hinterlassen. «Das war kein Hund. Ich war überzeugt, dass entweder Frau Heard oder einer ihrer Begleiter das getan haben», sagte Depp vor Gericht, und es wurde eine Textnachricht gezeigt, in der Depp seine damalige Ehefrau als «Amber Turd» bezeichnete; als «Amber Scheisshaufen».

Es ging auch darum, ob Heard eine Affäre mit Elon Musk hatte

Die Anwälte der «Sun» legten nahe, das Gedächtnis von Depp sei durch den übermässigen Genuss von Alkohol und Drogen getrübt – woraufhin der Schauspieler sich vermeintlich verteidigte mit der Aussage, seine Toleranzgrenze für all diese Substanzen sei ziemlich hoch. Im Gegenzug veröffentlichte Depps Seite ärztliche Atteste, denen zufolge Amber Heard an Eifersucht, Unsicherheit und Angstzuständen gelitten und sie «wiederholt Medikamente missbraucht» sowie «schlimme Wutanfälle» gehabt habe.

Ach ja, und dann ging es vor Gericht auch noch darum, ob Amber Heard eine Affäre mit Tesla-Chef Elon Musk gehabt habe (es wurden SMS zwischen den beiden verlesen, Heard behauptete, sich erst nach der Scheidung von Depp mit Musk getroffen zu haben), und auch darum, wie Johnny Depp mit früheren Partnerinnen umgegangen sei.

Seine Exfrau sprach sich vor Gericht für Johnny Depp aus: Depp und Vanessa Paradis in einer Aufnahme von 2004.

Schauspielerin Winona Ryder zum Beispiel sagte per Video-Statement: «Ich will niemanden der Lüge bezichtigen – aufgrund meiner Erfahrung mit Johnny erscheint es mir unmöglich, dass diese Vorwürfe wahr sein können.» Auch die französische Sängerin Vanessa Paradis, von 1998 bis 2012 mit Depp verheiratet, sprach sich in einem Statement für ihren Ex-Mann aus.

Am Dienstag werden beide Seiten ihre Schlussplädoyers halten, danach wird Richter Andrew Nicol ein Urteil fällen. Wohlgemerkt: Es geht ausschliesslich darum, ob die «Sun» in Zusammenhang mit Depp den Begriff «wife beater» benutzen darf und welche Konsequenzen das Urteil bei der Berichterstattung über Promis haben könnte. Deshalb gilt der Prozess als möglicherweise wegweisend – nicht wegen der Vorwürfe, die Heard und Depp einander gemacht haben.