Hollywoodstar vor GerichtDas Schauermärchen Johnny Depp
Die Angriffe beim Prozess gegen die Boulevardzeitung «The Sun» in London zeigen: Der Schauspielstar hat sich vom Traummann in einen Albtraum verwandelt.
Drei Wochen soll der Prozess in London dauern. Doch bereits jetzt steht fest, dass das Verleumdungsverfahren, das Johnny Depp gegen die britische Boulevardzeitung «The Sun» angestrengt hat, zur eigentlichen Selbstdemontage des Hollywoodstars geführt hat. Dabei wollte sich der 57-Jährige, der 2018 von «The Sun» als «Frauenschläger» bezeichnet wurde (die Zeitung bezieht sich auf Vorwürfe von Depps Ex-Frau Amber Heard), von eben diesem Makel befreien.
Nun aber werden wir Zeuge einer Schlammschlacht, die jedes noch so verkorkste Detail dieser 15-monatigen Ehe ins Übergrosse projiziert. Wir erfahren von Kot im Ehebett, den Heard hinterlassen haben soll, von einer abgetrennten Fingerkuppe des Schauspielers (Depp: «Sie warf zwei Wodkaflaschen nach mir»; Heard: «Er hat sein Handy gegen die Wand geschlagen und sich dabei verletzt»).
Nur noch eine Karikatur seiner selbst
Ferner gab Depp an, seiner damals 13-jährigen Tochter Lily-Rose Marihuana verabreicht zu haben. Ein Schosshündchen bekam auch noch was ab. Und schliesslich nannte Depp Heard eine «berechnende Soziopathin», die ihn nur geheiratet habe, um ihre eigene Karriere zu verbessern.
Aber zugeschlagen, nein, das habe er nicht, betonte Depp, so etwas sei für ihn als Kavalier alter Schule unvorstellbar. Angesprochen auf ein heimlich von Heard aufgenommenes Video, wo der Hollywoodstar in der Küche ausrastet, beteuerte er, dass er dabei nur mit den Schranktüren gewalttätig geworden sei.
Das eigentlich Traurige an dieser Anhäufung von tragikomischem Schmutz und zweifelhaften Undingen ist, dass Johnny Depp mittlerweile nur noch als Karikatur seiner selbst auftritt. Vor zwei Jahren, als er gleich zweimal die Schweiz besuchte, war das schon ein Problem.
Da demonstrierte der Schauspieler zwar, dass er als Gitarrist und Teilzeitsänger der All-Star-Band Hollywood Vampires durchaus jene munter-morbide Stimmung heraufzubeschwören vermag, wie sie die Massen seit seinen Jack-Sparrow-Darstellungen in den «Pirates of the Caribbean»-Filmen erwarten. Als er wenig später am Zurich Film Festival den Film «Richard Says Goodbye» als Weltpremiere vorstellte, war man sogar geneigt, sich vom assortierten Anekdoten-Potpourri des Megastars auf angenehme Art einlullen zu lassen.
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Aber erstens war damals schon von Drogeneskapaden, häuslicher Gewalt und verprassten Gagen in dreistelliger Millionenhöhe die Rede. Und zweitens zeigte sich auf der Leinwand in aller Deutlichkeit, dass Depp seinen Zenit überschritten hatte.
Er, der sich einst mit Aussenseiterrollen à la «Edward Scissorhands» (1990) ein Renommee geschaffen hatte und dank den «Caribbean»-Filmen zum Superstar aufstieg, war zum Plagiator seiner selbst geworden – mal als brabbelnder Indianer in «The Lone Ranger» (2013) oder eben in «Richard Says Goodbye», wo seine krebskranke Figur endlich mit dem Leben anfangen will – wobei sie darunter vor allem Ausschweifungen mit Drogen und Sex versteht.
Dass man als Zuschauer in «Richard Says Goodbye» nicht umhin kam, Parallelen zum entgleisenden Leben des Stars zu ziehen, war das eine. Das andere: Der Film des wiederholt als überbezahltester Schauspieler des Jahres gebrandmarkte Depp entpuppte sich als Misserfolg – wie fast alles, was er in den letzten Jahren in künstlerischer Hinsicht anging.
Wer war das grössere Monster?
Was bleibt, ist die leise Hoffnung, dass Depp irgendwann doch noch so etwas wie ein versöhnliches Alterswerk gelingen möge. Mit 57 Jahren wäre es ja an der Zeit. Aber vorderhand geht die Live-Demontage beim Prozess in London weiter – und damit auch die voyeuristischste aller Fragen: Wer war das grössere Monster in diesem nicht enden wollenden Ekelstück?
Kommt hinzu, dass man nicht mehr weiss, ob man nun zuversichtlich oder bestürzt sein soll, wenn in den nächsten Tagen auch Depps Ex-Partnerinnen Vanessa Paradis und Winona Ryder als Zeuginnen vor Gericht aussagen. Der eigentliche Anlass, also die Frage, ob die von Depp verklagte Boulevardzeitung «The Sun» schuldig ist, ist dabei längst zur Nebensache verkommen. Das ist die traurige Pointe in diesem Schauermärchen, aus dem niemand heil herauskommt.
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