Verhaftung von Ekrem ImamogluErdogan beerdigt die türkische Demokratie
Mit der Festnahme seines Herausforderers vollendet Recep Tayyip Erdogan sein Projekt: In der Türkei sollen Wahlen keine Bedeutung mehr haben.

Am Mittwochmorgen liess der türkische Präsident den Mann festnehmen, der sein Nachfolger werden will. Dass Recep Tayyip Erdogan ihn von der Polizei abholen liess wie einen Kriminellen, liegt daran, dass er in ihm einen ebenbürtigen Gegner sieht. Ekrem Imamoglu, der festgenommene Bürgermeister von Istanbul, Mitglied der oppositionellen CHP, sollte und soll noch immer am Sonntag als Präsidentschaftskandidat nominiert werden. Erdogans Behörden werfen ihm Verbindungen zu Terroristen und die Veruntreuung öffentlicher Gelder vor.
Es ist, als würde Erdogan dem Land eine Frage stellen: Glaubt ihr wirklich, ihr könnt darüber entscheiden, wann ich gehe?
Sein Spiel geht so: Er hat einen Friedensprozess mit der kurdischen PKK-Miliz begonnen, viele kurdische Wähler neigen dem beliebten Imamoglu zu. Sollte die CHP nicht Imamoglu aufstellen, sondern zum Beispiel den Bürgermeister von Ankara, den eher nationalistischen Mansur Yavas, dann könnte die CHP die Unterstützung der Kurden verlieren. Manche kurdische Wählerinnen und Wähler würden Erdogan vorziehen, der ihnen Frieden verspricht. Es ist die ewige Präsidentschaft, die Erdogan so sucht. Und es sind Taktiken wie diese, mit denen er sich seit mehr als zwei Jahrzehnten an der Macht hält.
So weit ist er noch nie gegangen
Der türkische Präsident stösst in einer Woche einen Friedensprozess an und tut in der nächsten etwas, das die Republik noch nicht erlebt hat. Er ist einer, der für die Macht immer den einen Schritt weiter zu gehen bereit ist. So weit wie jetzt allerdings ist er noch nie gegangen. Es ist ein Tabubruch, der die Türkei in eine Reihe mit Ländern wie Russland oder Aserbaidschan stellt. Länder, in denen noch Wahlen stattfinden, wobei jeder den Gewinner vorab kennt.
Erdogan hat seinen Gegner angegriffen, mit der schärfsten Waffe, die er zur Verfügung hat: der Justiz. Er mag in der Lage sein, den Frieden mit den Kurden zu suchen. Frieden für die ganze Türkei wird es erst geben, wenn er eines Tages nicht mehr regiert.
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