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Kurdenkonflikt in der Türkei
Öcalan will den Kampf beenden, den er selbst begonnen hat

Gruppe von elf Personen in formeller Kleidung sitzt und steht hinter einem Tisch mit weissen Tischdecke. Auf dem Tisch befinden sich Wasserflaschen und Gläser. Die Personen schauen ernst in die Kamera.
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Seit Wochen war seine Botschaft angekündigt worden, am Donnerstag nun richtete der seit 1999 inhaftierte PKK-Führer Abdullah Öcalan erstmals seit langer Zeit wieder das Wort an seine Anhänger: Er rief seine Organisation auf, die Waffen niederzulegen und den blutigen Konflikt mit der Türkei zu beenden. Die PKK, seine PKK, müsse sich auflösen.

Seit 40 Jahren kämpft die kurdische Arbeiterpartei gegen den türkischen Staat, mehr als 40 000 Menschen wurden in dem Konflikt getötet. Während die Türkei und die Europäische Union die PKK als Terrororganisation einstufen, ist sie in der Schweiz nicht verboten. Öcalans Aufruf, den der erfahrene kurdische Politiker Ahmet Türk auf Kurdisch vor versammelter Presse verlas, waren mehrere Signale aus den Reihen des Regierungsbündnisses von Recep Tayyip Erdoğan vorausgegangen. Nach Türk hat eine kurdische Politikerin den Text auch auf Türkisch vorgelesen.

Ultranationalist Bahçeli lädt Öcalan sogar ins Plenum ein

Einerseits hatte die türkische Regierung in den vergangenen Monaten den Druck im kurdisch dominierten Südosten des Landes erhöht. Immer wieder liess sie Bürgermeister der prokurdischen DEM-Partei absetzen, verhaften und anklagen, so geschehen gerade in der Stadt Van – fast immer wegen des Vorwurfs, sie seien Mitglieder der verbotenen PKK und damit Terroristen.

Andererseits gab sich Präsident Erdoğan viel rhetorische Mühe, zu zeigen, dass er es ernst meint mit einem Friedensprozess. Immer wieder sagte er, dass die «Zeit des Terrors vorbei» sei. Sein Koalitionspartner Devlet Bahçeli, Chef der ultranationalistischen und antikurdischen MHP, tat im Parlament einen symbolischen Schritt: Zum ersten Mal gab er Abgeordneten der DEM die Hand. Er lud Öcalan sogar ins Plenum ein.

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Bald werde Öcalan reden, hiess es zuletzt, immer wieder waren DEM-Delegationen zu ihm auf die Insel Imralı vor Istanbul gereist. Eigentlich sollte es schon am 15. Februar so weit sein, dem 26. Jahrestag seiner Verhaftung.

Damals hatten türkische Agenten den flüchtigen PKK-Gründervater in Kenia aufgespürt und in die Türkei gebracht. Es war das Ende eines Lebens im Untergrund, den Krieg gegen die Türkei führte Öcalans PKK schon seit den Achtzigerjahren. Bahçeli wünschte ihm damals die Todesstrafe, die aber schaffte 2004 der damals neue Premierminister ab: Recep Tayyip Erdoğan.

Will Erdoğan mit einer Versöhnung eine weitere Amtszeit erreichen?

Am Donnerstag hatten sich viele Kurdinnen und Kurden noch Hoffnungen gemacht, der Mann, den sie alle nur «Apo» nennen, würde eine Videobotschaft senden. Das allerdings lehnte die türkische Regierung ab. Vermutlich will sie verhindern, dass eine Rede des Mannes, von dem es seit vielen Jahren nicht mal mehr ein neues Foto gibt, die Kurden zu neuem Widerstand motivieren könnte.

Über Erdoğans Motive für den neuen Ton nach Jahren des Krieges wird im Land viel spekuliert. Viele glauben, dass er mit einer Versöhnung mit den Kurden eine Mehrheit für eine weitere Amtszeit erreichen will. Klar ist, dass der Präsident die Zeit gekommen sieht, um nicht nur die Türkei, sondern auch das benachbarte Syrien nach seinen Vorstellungen zu gestalten. In Nordsyrien, also direkt an der türkischen Grenze, herrschen die «Demokratischen Kräfte Syriens», kurz SDF, eine Miliz unter kurdischer Führung. Auch PKK-Kader sind bisher dort präsent. Die Türkei fliegt oft Luftangriffe auf die Region.

Öcalan sitzt seit 1999 in Haft, sein Wort hat aber immer noch Gewicht

Aktuell verhandeln die SDF mit der neuen syrischen Regierung über ihren künftigen Status. Ausserdem geht es im Hintergrund darum, ob die 2000 US-Soldaten in den SDF-Gebieten bleiben oder ob US-Präsident Donald Trump sie abziehen wird. Erdoğan ist einer der grossen Gewinner der neuen Lage in Syrien, er hat den neuen Präsidenten Ahmad al-Scharaa erst kürzlich in Ankara empfangen. Er weiss, dass der Druck auf die syrischen Kurden hoch ist – und dass möglicherweise auch in der Türkei selbst ein Frieden möglich ist, den er recht billig bekommen kann.

Militärisch hatte die PKK der türkischen Armee schon lange nichts mehr entgegenzusetzen. Der Kampf hatte sich in den Nordirak verlagert, in die dortigen Berge. Selbst dort aber hatte die PKK gegen den türkischen Drohnenkrieg kaum noch eine Chance. Auch wegen dieser Aussichtslosigkeit wollten immer weniger kurdische Jugendliche aus der Türkei der PKK beitreten und ihr Leben riskieren.

Während Abdullah Öcalan in der Isolationshaft alt wurde, verlor sein bewaffneter Kampf draussen an Bedeutung. Was blieb, ist sein Status, den er bei vielen Kurdinnen und Kurden bis heute besitzt: Sie verehren ihn als Helden, beinahe wie einen noch lebenden Märtyrer. Deshalb hat sein Wort weiterhin Gewicht.

Auch bei den PKK-Leuten im irakischen Exil, an denen es nun ist, ihre Waffen abzugeben. Wie und an wen, ist noch unklar. Abdullah Öcalan jedenfalls, der Mann, der den Kampf begonnen hat, er will ihn jetzt zu Ende bringen. Der letzte Friedensprozess zwischen Kurden und Türken hatte 2013 mit einer Waffenruhe begonnen – und scheiterte zwei Jahre später.