Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen
Meinung

Debatte um Kernkraftverbot
Wir sollten offen sein für alle klimafreundlichen Technologien

Stillgelegtes AKW Mühleberg mit markantem Schornstein vor Wald und klarem Himmel, fotografiert am 16.12.2024 von Raphael Moser.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Die Diskussion um die Kernkraft ist immer mehr zu einer Glaubensfrage mutiert. Nur schon bei ihrer Erwähnung gehen die Wogen in der Politik hoch. Auch die Bevölkerung ist gespalten: Eine knappe Mehrheit von 53 Prozent befürwortet nach jüngsten Zahlen die Kernenergie. Umso wichtiger ist ein nüchterner Blick.

Vor diesem Hintergrund wirft der unlängst publizierte Gastkommentar von Nils Epprecht der kernkraftfeindlichen Energiestiftung zur Aufhebung des Kernkraftverbots Fragen auf. Man kann zur Kernkraft stehen, wie man will. Aber wir müssen bei den Fakten bleiben. 

Erstens behauptet Epprecht, dass allfällige neue Kernkraftwerke erst in «ferner Zukunft» Energie liefern würden und darum keine valable Option seien. Lange Verfahren und Bauzeiten sind jedoch auch bei den winterwirksamen Erneuerbaren an der Tagesordnung. In der Schweiz benötigt die Realisierung eines neuen Windparks oder eine Erhöhung der Grimselstaumauer gut und gern 20 Jahre – also genau so lang, wie Epprecht für neue Kernkraftwerke veranschlagt. Interessanterweise – und zu Recht – wird die Sinnhaftigkeit erneuerbarer Projekte trotz der langen Dauer nie grundsätzlich infrage gestellt.  

Eigentlich ist jetzt der ideale Zeitpunkt, eine offene Diskussion um die Kernkraft zu führen. Auch mit allen möglichen Laufzeitverlängerungen werden die bestehenden Kernkraftwerke spätestens in 20 bis 30 Jahren vom Netz gehen. Und mit ihnen ein tragender Pfeiler unserer Versorgungssicherheit im Winter. Sollte man dereinst zum Schluss kommen, dass es einen Ersatz der Kernkraftwerke benötigt, kämen sie nicht zu spät, sondern gerade rechtzeitig. 

Schweiz steht mit Verbot aussen vor

Zweitens führt Epprecht negative Erfahrungen aus dem Ausland an. Das ist bestenfalls einseitig. Fakt ist: Weltweit befinden sich über 150 Kernkraftwerke im Bau oder in Planung. Entwickelte Länder von Ost bis West sehen sie als Teil ihrer künftigen Energieversorgung. Allein in China entstehen – neben unzähligen erneuerbaren Projekten – zurzeit 29 neue Reaktoren. Banken in den USA haben sich kürzlich zur Finanzierung einer Verdreifachung der Kernkraftkapazität verpflichtet. Die EU hat die Kernkraft  als «essenziell für netto null» anerkannt, und auch der Weltklimarat erachtet sie als notwendig, um ambitionierte Klimaziele zu erreichen. Wenn man aus der internationalen Entwicklung etwas für die Schweiz ableiten kann, dann dass die Schweiz mit ihrem Verbot aussen vor steht. 

Endgültig falsch ist schliesslich die Behauptung, dass Kernkraft die Erneuerbaren untergräbt. Letztes Jahr haben wir unsere Ausbauziele um satte 70 Prozent verfehlt. In dieser schwierigen Situation ist ein Entweder-oder gar keine Option. Die Erneuerbaren sind kompetitiv genug, dass wir sie nicht mit Verboten schützen müssen. Die Annahme, dass es besser läuft, wenn man alle Alternativen vom Tisch nimmt und unserem Land die energiepolitische Pistole an die Brust legt, ist zynisch. 

Die Aufhebung des Kernkraftverbots wäre vor allem ein Signal. Ein Signal an die Strombranche, an die Politik, an Forschung und Entwicklung und auch an Investoren: Vergesst diese Option auf dem Weg zu netto null nicht. Ob die Schweiz denn auch tatsächlich auf Kernkraft setzen soll, ist eine offene Frage. Doch dass man sie nicht kategorisch verbietet, sollte eigentlich keine Frage sein. Denn eine offene Schweiz sollte offen für alle klimafreundlichen Technologien sein.

Alexander Keberle ist Mitglied der Geschäftsleitung des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse.