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Meinung

Politkolumne
Demokratie unter Trump: Sind die USA noch zu retten?

Ein Mann und eine Frau vor einem Hintergrund mit bunten Streifen in Orange, Grün, Rot und Blau.
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Präsident Donald J. Trump tut nun genau das, was er versprach: Nach politisch motivierten Massenentlassungen bestückte er etwa das Justizministerium, das FBI oder das Militär mit Loyalisten. Seinen Amtskollegen in Ungarn und Venezuela nacheifernd, macht Trump Regierungsbehörden zu eigentlichen Waffen, die er gegen seine Gegner einsetzt. Einschüchterungen und Drohungen sind an der Tagesordnung.

Führende Experten sprechen längst vom «kompetitiven Autoritarismus». Und auch gemäss einschlägigen Messgrössen gelten die USA wegen des «präsidentiellen Coups» nicht mehr als Demokratie. Lässt sich die amerikanische Demokratie noch retten?

Falsche Hoffnungen, enttäuschte Hoffnungen

In Europa scheint es weiterhin beschwichtigende Stimmen zu geben, die sich an lange für sicher geglaubte Zusammenhänge klammern. Es sei ja schliesslich noch nie vorgekommen, dass eine wirtschaftlich entwickelte Demokratie mit einem Pro-Kopf-Einkommen von über 26’000 Dollar zusammengebrochen sei.

Diese Sichtweise übersieht das wachsende Unbehagen über die Schere zwischen Arm und Reich, die laut einer Erhebung von Januar 2025 83 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner als grosses oder sehr grosses Problem empfinden. Einkommensungleichheit senkt das Vertrauen in die Demokratie nachweislich, weil sie das Gefühl der Menschen schwächt, politisch überhaupt noch etwas bewirken zu können.

Ebenso wenig zielführend ist es, auf die «Check and Balances»-Institutionen zu schielen, die der US-Demokratie zu Hilfe eilen würden. Nämlich ist die Zusammensetzung von Exekutive, Senat oder Supreme Court der Bevölkerungsmehrheit entzogen. Die «gegenmajoritäre Logik» dieser Verfassungsorgane bevorteilt die traditionell im ländlichen Raum verankerte republikanische Partei. In den Worten der Harvard-Professoren Steven Levitsky und Daniel Ziblatt ist es, als dürften die Republikaner etwa bei Präsidentschafts- oder Senatswahlen jeweils mit 13 Fussballspielern antreten.

Längst enttäuscht wurde auch, wer auf die demokratiestabilisierende Norm der Zurückhaltung hoffte. Die amerikanische Rechte ähnelt laut «Financial Times» heute China und Russland – und sie nutzt ihre Macht nach minutiös geplantem «Project 2025»-Drehbuch bis zum Äussersten aus. Das Wahlrecht hat sie bereits so stark eingeschränkt, dass freie und faire Wahlen für 2028 nicht gesichert sind. 

Hoffen auf die demokratische Kehrtwende

Wenn es für die US-Demokratie noch Hoffnung geben kann, dann ist diese wohl am ehesten im Phänomen der «demokratischen Kehrtwenden» zu suchen. Eine neue Studie offenbart: In mehr als der Hälfte aller zwischen 1900 und 2023 dokumentierten «Autokratisierungsfälle» kam es später zu einer Kehrtwende zurück zur Demokratie.

Besonders deutlich zeigt sich dieser Trend in den letzten 30 Jahren: Fast drei Viertel aller Autokratisierungen mündeten wieder in eine Demokratisierung. Und besonders hoffnungsvoll mag stimmen, dass dieser «demokratische U-Turn» in neun von zehn Fällen sogar zu besseren demokratischen Verhältnissen führte als zuvor (siehe etwa Brasilien, Sambia oder die Malediven). 

Damit das Abdriften ins Autoritäre in einem Land wie den USA gestoppt werden kann, bedarf es laut Studienautoren aber einer entschiedenen Reaktion sämtlicher Kräfte: Bürgerinnen und Bürger, eine geeinte Opposition, das (pulverisierte) republikanische Establishment, die Wirtschaft, Gewerkschaften, Kirchen, aber auch Medienschaffende und die Wissenschaft müssen sich bedingungslos für Demokratie aussprechen. Eine solch breite zivilgesellschaftliche Mobilisierung ist laut der bereits zitierten Harvard-Professoren der einzige «Anti-Trump-Pfad», der überhaupt noch offen steht.

Wer kann und will die zivilgesellschaftliche Allianz anführen?

Allerdings ist unklar, ob sich die gelähmte US-Zivilgesellschaft auffangen kann. Die autoritäre Regierung Trumps schuf ein Klima der Angst. Genau das macht es zivilgesellschaftlichen Kräften so schwer, gemeinsam Widerstand zu leisten. Denn man versucht vor allem, sich selbst zu schützen: Unternehmen wollen keine Aufträge verlieren, Medienhäuser keine Klagen riskieren, Universitäten keine Kürzungen bei der Finanzierung.

Viele halten sich also lieber zurück oder sind längst dazu übergegangen, mit der neuen Administration zusammenzuarbeiten (und das, obwohl eine derartige Kooperation einer Mehrheit der seit 2001 nachweislich nach Mitte-links gerückten US-Konzernchefs im Kern widersprechen dürfte). Doch wenn sich gewichtige Kräfte aus der Öffentlichkeit zurückziehen, schwächt dies die Mobilisierungsfähigkeit zusätzlich.

So werden Stimmen laut, die die US-Universitäten in der Pflicht sehen, dieses Mobilisierungsdilemma zu durchbrechen und eine breite zivilgesellschaftliche Allianz anzuführen. Prodemokratischen, unter anderem von Studierenden mitgetragenen Protesten kommen in der Demokratiegeschichte laut neuen Analysen eine besonders bedeutende Rolle zu. In den Hörsälen erinnert man sich dieser Tage denn auch gerne an das «Gilded Age» (ca. 1870–1900). Dieses war von massiven sozialen Ungleichheiten, grossem Einfluss mächtiger Industrieller auf die US-Politik und korruptionsanfälligen «Business first»-Präsidenten geprägt. All dies machte den Ausbau der (direkten) Demokratie während der «Progressive Era» (ca. 1890–1917) aber erst möglich.