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VBS in der Krise
Amherds letztes Gefecht: Wie die Verteidigungsministerin sich und ihre Leute verteidigt

Urs Loher, Christian Dussey, Viola Amherd und Thomas Suessli bei einer Medienkonferenz am 26. Februar 2025 in Bern.
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In Kürze:
  • Viola Amherd, Armeechef Thomas Süssli und Geheimdienstchef Christian Dussey sprachen über die Gründe für die Kündigung der beiden Topkader.
  • Indiskretionen sorgten für Spannungen und wurden Thema im Bundesrat.
  • Amherd sagte, sie könne die Aufregung über die Dauer bis zur Kommunikation der Abgänge nicht nachvollziehen.

Ein bisschen verloren steht Rüstungschef Urs Loher vor Beginn der Pressekonferenz allein auf dem Podium des Berner Medienzentrums. Es ist ein symbolisches Bild: Last man standing. 

Viola Amherd, ihr Armee- und ihr Geheimdienstchef strecken ausserhalb des Saals mit dem Bundesratssprecher Andrea Arcidiacono die Köpfe zusammen. Sie alle haben demissioniert. Loher gehört zu den wenigen Topkadern, die im Verteidigungsdepartement (VBS) bleiben. 

Amherd verkündete ihren Rücktritt Mitte Januar, kurz darauf sprangen mit Süssli und Dussey zwei ihrer wichtigsten Kaderleute ab. Die Öffentlichkeit sollte erst am Mittwoch orientiert werden. Doch die beiden Abgänge wurden durch eine Indiskretion publik – die NZZ berichtete am Dienstagmorgen, nur rund eine Stunde nachdem die anderen sechs Departemente vertraulich informiert worden waren. 

Damit war das politische Thema der Woche in der Schweiz gesetzt. «Knall im VBS», titeln gleich mehrere Medienportale. Nur Viola Amherd, die sich inzwischen auf dem Podium zu ihrem Rüstungschef gesetzt hat, sagt am Mittwoch: «Ich verstehe die Aufregung nicht.» Trotzdem wird es eine ausserordentliche Medienkonferenz, denn auch Amherd regt sich sichtlich auf – vor allem über die Indiskretionen.

Aufregung und demonstrative Aufzählungen

Die Aufregung, die Amherd nicht versteht, betrifft ihr eigenes Departement. Die Tatsache etwa, dass sie nach der Kündigung des Geheimdienstchefs 37 Tage und nach derjenigen des Armeechefs 27 Tage wartete, bis sie ihre Bundesratskollegen informierte. Dazu sagt Amherd, in der Zwischenzeit habe das WEF stattgefunden, die Münchner Sicherheitskonferenz, es seien Bundesratsferien gewesen und es habe andere dringliche Bundesratsgeschäfte gegeben. Sie habe die beiden Abgänge ordentlich vorbereiten wollen.

Was die Verteidigungsministerin nicht sagt: Es gab seit der Kündigung Süsslis zwei Bundesratssitzungen, seit jener Dusseys sogar drei. Und es kam bei anderen gewichtigen Abgängen beim Bund auch schon vor, dass das Kollegium unter dem Traktandum Varia orientiert wurde, bevor alle Details klar waren.

Amherd ist verärgert und lässt dies mehrmals durchblicken. Als sie über die Armeebotschaft 2025 informiert, die der Bundesrat am Mittwoch verabschiedet hat, arbeitet sie einen ganzen Stapel  Berichte ab, den sie vor sich auf dem Tisch liegen hat. Einen nach dem anderen nimmt sie in die Hand, nennt dessen Titel und lässt ihn vor sich auf den Tisch sausen.

Es ist eine klare Botschaft an all diejenigen im Parlament, die ihr vorwerfen, kein richtiges Konzept für die Armee zu haben. Was gekauft werden soll, wird dann fast zur Randnotiz: Dazu gehören ein radgestütztes Artilleriesystem und  Minidrohnen. Zudem sollen die Leopard-Panzer instand gesetzt werden. Insgesamt beantragt Amherd beim Parlament Ausgaben von 1,7 Milliarden Franken.

Kurz darauf folgt eine weitere Aufzählung. Amherd nennt all jene Vorstösse im Parlament zur schnelleren Aufstockung des Armeebudgets, die der Bundesrat zur Ablehnung empfahl. Die Interpretation drängt sich auf, dass dies ein Seitenhieb gegen Finanzministerin Karin Keller-Sutter ist, die stets fürs Sparen plädiert. Ein Journalist spricht Amherd darauf an – sie dementiert: «Ich sehe die Finanzministerin mindestens einmal pro Woche, ich gebe ihr die Botschaften direkt, nicht über Medienkonferenzen.»

Eine Regierungserklärung und ein Post auf X

Nicht sehen können sich Amherd und Keller-Sutter ausgerechnet an diesem Mittwoch. Die Bundespräsidentin ist zum G20-Gipfel nach Südafrika gereist und an der Bundesratssitzung nicht anwesend. Die anderen sechs Regierungsmitglieder verabschieden derweil eine Erklärung, die der Bundesratssprecher vorliest – auch dies ein ausserordentliches Vorgehen: Die Indiskretionen würden die Arbeit des Bundesrats behindern, die Willensbildung erschweren und den Interessen des Landes schaden.

Auch bei den Parlamentariern sorgen die Indiskretionen für Empörung. Mitte-Ständerätin Andrea Gmür, eine Vertraute Amherds, spekuliert auf X darüber, wer hinter dem Leck  zur Doppeldemission im VBS stecken könnte: «War es wieder die @FDP_Liberalen-@nnz-Connection, Frau #BP @keller_sutter?» 

Dies wiederum kommentiert die Partei der Bundespräsidentin: «Es dürfte einzigartig sein in der Geschichte der Eidgenossenschaft, dass ein Mitglied des eidgenössischen Parlaments einer Bundesrätin ohne jegliche Beweise kriminelle Machenschaften vorwirft.» 

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Keller-Sutters Finanzdepartement nimmt die «Unterstellung», wie es schreibt, «zur Kenntnis» und «begrüsst, dass die Indiskretion aufgeklärt wird». Das Verteidigungsdepartement hat Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung eingereicht.

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Was nach der Indiskretion zuerst offenbleibt, sind die Gründe für den Abtritt von Süssli und Dussey. Der Armeechef erklärt vor den Medien, es sei international üblich, vier bis fünf Jahre an der Spitze der Armee zu stehen. Er mache den Job seit sechs Jahren, damit sei die ideale Zeit gekommen, abzutreten. Nicht ideal ist der Zeitpunkt – und die Tatsache, dass Dussey gleichzeitig abtritt. Das räumt Süssli ein – versichert aber auch, er habe vom Abgang seines Kollegen nichts gewusst. Dussey sagt zu seinem Abgang: «Ein Kollege hat mir kürzlich gesagt: Ein Jahr im Krieg zählt doppelt.» Seit Kriegsausbruch in der Ukraine sei er drei Jahre im Amt gewesen, die zählten also wie sechs. Zudem fehlten seinem Dienst Personal und technische Mittel. Auch spricht Dussey das stark geschwundene Vertrauen bei seiner Belegschaft an: «Es schockiert mich sehr, wie schlecht die Mitarbeitendenbefragungen ausgefallen sind.» Eine Transformation des Dienstes in einer so schwierigen internationalen Lage sei für alle Mitarbeitenden anspruchsvoll, das sei ihm bewusst.

Süssli sagt zu seiner Bilanz, er habe die Mobilisierung der Armee während der Covid-Pandemie geleitet, und unter ihm seien 100’000 Rekrutinnen und Rekruten ausgebildet worden. Dies habe er «nur dank meiner Chefin Viola Amherd erreichen können». Das Verhältnis sei gut gewesen, «anders, als es in den Zeitungen stand». Es ist einer der Momente an der Medienkonferenz, an denen Amherd mit den Tränen zu kämpfen scheint. 

Thomas Süssli soll noch bis Ende Jahr im Amt bleiben, Christian Dussey gar bis Ende März 2026. Das Verteidigungsdepartement will so Kontinuität garantieren und Unsicherheit vermeiden. Ein Problem, dass die beiden Abtretenden zu «lame ducks» («lahme Enten») werden, sieht Viola Amherd nicht. Vielmehr betont sie, wie wichtig es sei, dass die Rekrutierung der beiden Nachfolgen sorgfältig gemacht werde: Geeignete Persönlichkeiten warteten «nicht am Bahnhof Bern am Treffpunkt».