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Deal mit der US-Regierung
Sicherheit gegen Rohstoffe: Was bekommt die Ukraine für ihre Bodenschätze?

Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, und der US-Finanzminister Scott Bessent sprechen bei einer Pressekonferenz in Kiew am 12. Februar 2025.
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In Kürze:
  • US-Finanzminister Scott Bessent traf Selenski in Kiew, um ein Abkommen zu besprechen.
  • Ukraine bietet den USA Zugang zu Rohstoffen im Austausch für Sicherheitsgarantien.
  • Russlands Kontrolle über ukrainische Ressourcen bleibt ein bedeutender Streitpunkt.

Es dürfte in Zeiten des Krieges selten sein, dass nach der Amtsübernahme durch die neue Regierung eines Verbündeten nicht der Regierungschef oder Verteidigungsminister bei dem bedrohten Alliierten vorbeischaut, sondern der Finanzminister. Und doch war es Scott Bessent, der neue US-Finanzminister, der am 12. Februar als erstes hochrangiges US-Regierungsmitglied in Kiew vorbeischaute. Er übergab Präsident Wolodimir Selenski den Entwurf eines Übereinkommens, dessen Grundlage das Prinzip «Sicherheit gegen Rohstoffe» sein soll.

Konkret heisst das: Die Ukraine soll US-Investoren Zugang zu Seltenen Erden und Metallen wie Titan und Lithium, Uran oder Gallium gewähren. Die wirtschaftlichen Verbindungen würden nach Verhandlungen mit Moskau und einem Ende des Krieges «einen Langzeit-Sicherheitsschirm für alle Ukrainer bilden», so Bessent nach seinem Gespräch mit Selenski.

Der US-Zugang zu ukrainischen Rohstoffen sei lediglich Teil eines «grösseren Friedensabkommens, das Trump vorschwebt». Der ukrainische Präsident nannte das Gespräch mit dem US-Finanzminister «produktiv und konstruktiv. Für mich ist das Thema von Sicherheitsgarantien für die Ukraine sehr wichtig.»

Ukraine hat grosse Titan- und Lithium-Vorkommen zu bieten

Wie diese Sicherheitsgarantien aussehen sollen, ist völlig ungewiss. Dagegen steht fest, dass die Ukraine in der Tat bei Mineralien, Metallen und Edelmetallen einiges zu bieten hat, wie ukrainische Geologen und Ministerien detailliert in öffentlich zugänglichen Dokumenten und Datenbanken beschreiben.

Der US-Handelskammer in der Ukraine (Am Cham) zufolge verfügt die Ukraine etwa über sieben Prozent der nachgewiesenen weltweiten Titan-Vorkommen (kritisch für die Autoindustrie, Luftfahrt oder Medizintechnik) und ein Drittel der Lithium-Reserven Europas – ein kritischer Rohstoff etwa für die Produktion von Batterien von Elektroautos.

Allein die Lithium-Reserven wurden von ukrainischen Geologen im Februar 2022 auf 500’000 Tonnen geschätzt. Das Weltwirtschaftsforum führte im Sommer 2024 noch viele weitere begehrte Bodenschätze auf, die in der Ukraine in grossen Mengen vorhanden sind: Beryllium und Mangan, Uran oder Grafit, Nickel und Fluoride. Und auch an Edelmetallen wie Silber und Kupfer und an Metallreserven wie Blei, Zink oder Nickel hat die Ukraine viel zu bieten.

Idee für Deal kommt aus Kiew

US-Präsident Donald Trump sagte dem Fernsehsender Fox News, er wolle im Austausch für die milliardenschwere US-Hilfe «Seltene Erden und weitere Dinge» im Wert von 500 Milliarden Dollar. Die grundsätzliche Idee für einen Deal «Waffen und Sicherheit gegen Rohstoffe» kommt indes nicht vom US-Präsidenten – sondern aus Kiew.

Je wahrscheinlicher eine Rückkehr Trumps ins Weisse Haus wurde, desto mehr machten sich Präsident Selenski und Regierungsfachleute Gedanken, wie eine weitere Unterstützung Washingtons zu erreichen sei. Selenski sagte der englischen Zeitung «Guardian», er habe die Seltene-Erden-Idee Trump zum ersten Mal bei einem Treffen in New York am 29. September 2024 präsentiert.

Bergbauarbeiter in Schutzkleidung warten am 20. Februar 2024 in einer Kohlenmine in der Nähe von Dnipro, Ukraine, auf einen Aufzug. Die Mine beschäftigt zunehmend Frauen, da viele Männer im Krieg mit Russland dienen.

Der «New York Times» zufolge reichen derlei Gespräche, etwa auf Initiativen von US-Senator Lindsey Graham oder vom Milliardär Ronald Lauder hin, deutlich länger zurück. Ein Abkommen soll bereits zur Amtszeit von US-Präsident Joe Biden unterschriftsreif gewesen sein. Kiew habe die Unterzeichnung hinausgezögert, um im Falle eines Wahlsieges Donald Trumps dem sich seiner Geschäftskunst rühmenden Politiker den Ruhm zu überlassen und es als seine Idee erscheinen zu lassen.

Wie genau ein Deal Rohstoffe gegen Sicherheit freilich aussehen soll, ist ungewiss. Einem Am-Cham-Dossier vom Januar zufolge kontrolliert Russland im von ihm besetzten Fünftel des ukrainischen Staatsgebietes bereits viele Bodenschätze: knapp zwei Drittel aller Kohlereserven, 11 Prozent der Ölvorkommen, ein Fünftel des Erdgases, 42 Prozent der Metallvorkommen und ein Drittel der nun in den Brennpunkt geratenen Seltenen Erden wie Lithium. Wenn es Moskau gelänge, das besetzte Land dauerhaft zu kontrollieren, «wird die Ukraine dauerhaft fast zwei Drittel seiner Vorkommen verlieren», so die Am-Cham-Fachleute.

Moskau kann den Druck noch länger aufrechterhalten

Nach einer dauerhaften Kontrolle sieht es zunächst aus – und das im schlimmsten Fall nicht nur über die schon besetzten Gebiete. Russlands Präsident Wladimir Putin hat als Voraussetzung für die Aufnahme von Friedensverhandlungen mehrmals gefordert, die Ukraine müsse auch die heute noch von Kiew kontrollierten (doch auf dem Papier bereits von Russland annektierten) Gebiete der Regionen Luhansk und Donezk, Saporischschja und Cherson aufgeben.

Kommt es weder beim offenbar bald bevorstehenden Gespräch zwischen Trump und Putin in Saudiarabien noch bei anderen möglichen Gesprächen zu einer Einigung, dürften Moskaus Truppen in diesen Gebieten gegen die personell stark unter Druck stehenden Ukrainer weiter vorrücken.

Für Präsident Selenski dürfte die Annahme dieser Forderung ebenso unannehmbar sein wie für andere ukrainische Politiker. Kürzlich brachte Selenski die Idee eines Gebietstausches der seit August 2024 von ukrainischen Truppen kontrollierten Gebiete in der russischen Region Kursk im Tausch gegen russisch besetzte Gebiete vor – Kremlsprecher Dmitri Peskow wies diese Idee am 12. Februar gegenüber der Staatsagentur Tass zurück und gab sich zuversichtlich, dass Moskaus Truppen die Ukrainer schon selbst aus der Region Kursk vertreiben würden.

Auch das angesehene Institut für Strategische Studien in London (IISS) schätzt, dass Moskau durchaus noch den militärischen Druck aufrechterhalten könne. Ohne eine Waffenpause gehe der Krieg mit hohen Verlusten auf beiden Seiten weiter, doch sei Russland der Ukraine überlegen.

Putin habe «sowohl das Personal wie die Ausrüstung und die logistischen Ressourcen», um den Krieg das gesamte laufende Jahr fortzusetzen, so IISS-Analyst Ben Barry. Auch das britische Militärforschungsinstitut Rusi hatte am 22. Januar festgestellt, dass Moskaus Wirtschaft deutlich besser dastehe als im Westen erhofft.