Kommentar zu Joe Bidens RedeDie Amerikaner wollen keinen Weltenretter
Joe Biden steht vor einem Dilemma: Seine Landsleute wollen nicht für ferne Kriege zahlen, doch der US-Präsident muss in die Konflikte eingreifen – ohne dabei seine Wiederwahl zu gefährden.
Joe Biden kämpft mit gleich zwei Widerständen, wenn er seinen Landsleuten die Welt erklären will: Erstens haben die Amerikaner in ihrer Mehrzahl kein Interesse an dieser Welt, sie wollen nicht in die Kriege gezogen werden und auch nicht dafür bezahlen. Der Isolationismus ist ein gewichtiger Faktor im jetzt beginnenden Wahljahr. Biden will diese Wahl gewinnen – als Weltstaatskümmerer wird er sie aber eher verlieren.
Zweitens ist Biden gefangen in einem Israel-Dilemma. Benjamin Netanyahus Siedlungspolitik und der innere Zustand Israels haben die israelische und die amerikanische Regierung so weit auseinandergetrieben wie selten zuvor in der Geschichte. Jetzt muss Biden den Premier stützen und ihn gleichzeitig mässigen. Er muss sich bedingungslos hart gegen die Hamas zeigen und weiss doch, dass nur ein radikaler Kurswechsel in der israelischen Siedlungspolitik zu einer Deeskalation beitragen wird.
Auf einen Satz reduziert: Biden muss Nahostpolitik gegen Israel, aber auch gegen den islamischen Terror betreiben, nachdem seine beiden Vorgänger diese Politik sträflich vernachlässigt und erschwert haben – und er tut dies gegen den inneren Widerstand seiner Wähler, deren Radikalität ausgerechnet jetzt durch die Machtkämpfe im Kongress verstärkt wird. Die Priorität für den Präsidenten ist dabei klar: Am Ende geht es um die Wiederwahl und darum, Donald Trump zu verhindern. Auf den Weltenretter Biden haben die amerikanischen Wähler aber nicht gewartet.
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