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Joe Bidens aussergewöhnliche Rede
«Wir stehen vor einem Wendepunkt der Geschichte»

President Joe Biden speaks from the Oval Office of the White House Thursday, Oct. 19, 2023, in Washington, about the war in Israel and Ukraine. (Jonathan Ernst/Pool via AP)
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Er war erst am amerikanischen Morgen aus Israel zurückgekommen, von seinem Treffen mit Benjamin Netanjahu, aus dem neuen Krieg. Danach hatte Joe Biden am Telefon im Weissen Haus mit Wolodimir Selenski, dem Präsidenten der Ukraine aus dem schon älteren Krieg, gesprochen. Jetzt, es war kurz nach 20 Uhr in Washington, sprach der US-Präsident zur Nation über beide Kriege.

Biden sass an seinem Schreibtisch, vor den Stars and Stripes, dem Wappen und ein paar persönlichen Fotos. Ansonsten war das Oval Office für diesen seltenen Anlass weitgehend ausgeräumt worden, es brauchte Platz für die Kamera, das Licht, den Teleprompter. Amerikas Staatschef hatte seinen Landsleuten Grundsätzliches zu verkünden. «Wir stehen vor einem Wendepunkt der Geschichte», hob er an. «Es ist einer dieser Momente, in denen die Entscheidungen, die wir heute treffen, die Zukunft für die nächsten Jahrzehnte bestimmen werden.»

Biden nennt es eine «kluge Investition»

Damit war der Ton gleich gesetzt, denn in der folgenden Viertelstunde ging es dann auch um das, was die Regierung des Demokraten aus Amerika in diese Kriege schicken will. Soldaten sind es nicht, das hat er noch einmal versprochen. Ein amerikanischer Militäreinsatz wäre die grosse Angst vieler Wähler seit den Desastern zuletzt im Irak und in Afghanistan, von der Vergangenheit in Vietnam ganz zu schweigen. Aber weiteres Geld will Biden bereits an diesem Freitag im Kongress beantragen.

Zahlen nannte er nicht, laut «New York Times» geht es unter anderem um ein Hilfspaket im Wert von 14 Milliarden Dollar für Israel und 60 Milliarden Dollar für die Ukraine. Dies sei ein dringender Haushaltsantrag, «um Amerikas nationale Sicherheitsbedürfnisse zu finanzieren und unsere wichtigen Partner, einschliesslich Israel und der Ukraine, zu unterstützen», sagte Biden und nannte es «eine kluge Investition».

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Absegnen muss das Budget der US-Kongress, dessen einer Teil vor allem mit seinen eigenen Grabenkämpfen beschäftigt und deshalb weitgehend gelähmt ist. Das Repräsentantenhaus hat seit dem Sturz des Republikaners Kevin McCarthy durch seine eigene Partei seit Wochen keinen gewählten Sprecher mehr und entsprechende Schwierigkeiten, noch bedeutendere Entscheidungen zu treffen.

«Helfen Sie uns, eine Welt zu schaffen, die für unsere Kinder und Enkelkinder sicherer, friedlicher und wohlhabender ist.»

Joe Biden an die Wählerschaft

Auch sind vor allem jene republikanischen Hardliner, die den Speaker McCarthy gekippt hatten, wenig an weiteren Waffen und Milliarden für dieses ferne Land in Osteuropa interessiert. Es geht ihnen im Wahlkampf im Sinne ihres Patrons Donald Trump eher um die eigene Grenze im Süden, die Biden im Rahmen des Haushaltsantrags auch stärken will, was er an diesem Abend aber nicht zum Thema machte. Dies war ein Aufruf an die öffentliche Meinung, an die Wählerschaft. «Helfen Sie uns, amerikanische Truppen aus der Gefahrenzone herauszuhalten», bat er. «Helfen Sie uns, eine Welt zu schaffen, die für unsere Kinder und Enkelkinder sicherer, friedlicher und wohlhabender ist.»

Biden gab den Landesvater und Weltstrategen, er kennt die Widerstände daheim. «Ich weiss, dass diese Konflikte weit weg erscheinen können», sagte er. Es sei verständlich, dass man sich frage, warum dies für Amerika so wichtig sei. «Lassen Sie mich Ihnen daher erläutern, warum es für die nationale Sicherheit Amerikas von entscheidender Bedeutung ist, dass Israel und die Ukraine erfolgreich sind.» Die Geschichte habe gelehrt, «dass Terroristen, die keinen Preis für ihren Terror zahlen, und Diktatoren, die keinen Preis für ihre Aggression zahlen, mehr Chaos, Tod und Zerstörung verursachen».

Diese Tage haben ihn sichtlich bewegt

Zu den Diktatoren zählt er Wladimir Putin, der die Ukraine überfallen, und zu den Terroristen die Hamas, die Israel überfallen hat. Klar seien das verschiedene Schrecken. Aber die hätten etwas gemeinsam, so Biden, der nun die amerikanische Unterstützung gegen zwei unterschiedliche Angreifer zu erklären und in Zusammenhang zu bringen hatte. «Sie wollen beide die benachbarte Demokratie vollständig auslöschen.» Die USA dagegen stünden für Freiheit, Unabhängigkeit, Selbstbestimmung. «Amerika ist der Welt ein Leuchtturm. Immer noch. Immer noch.»

Der Redner auf den Bildschirmen wurde emotional, er hob den Zeigefinger, er räusperte sich und hustete. Diese Tage haben ihn sichtlich bewegt, der Horror geht auch an einem Politprofi nicht spurlos vorbei. Und so ein Programm muss einer im Alter von bald 81 Jahren erstmal verkraften, auch wenn er der bestbewachte Mann im sichersten Flugzeug ist. Die Dienstreise mit der Air Force One nach Tel Aviv war noch schwieriger und unkalkulierbarer als die Überraschungsfahrt vor Monaten im Nachtzug nach Kiew.

Dazu kamen kurz vor seiner Ankunft in Israel die hunderten Toten durch die Explosion bei einer Klinik in Gaza, «die nicht von den Israelis verursacht wurde», wie Biden noch einmal bekannt gab. Die Detonation hat seinen geplanten Gipfel mit arabischen Staatenführern in Jordanien gesprengt, vor allem aber viele Menschen getötet und den Nahen Osten noch zorniger gemacht. «Ich bin untröstlich über den tragischen Verlust palästinensischen Lebens», sagte Biden. «Wir trauern um jedes unschuldige Leben, das verloren wurde. Wir können die Menschlichkeit der unschuldigen Palästinenser nicht ignorieren, die nur in Frieden leben und eine Chance haben wollen.»

«Es geht wieder los mit Islamophobie und Misstrauen.»

Joe Biden, US-Präsident

Joe Biden hat gehört, dass er seit Lincoln der erste US-Präsident in einem Kriegsgebiet gewesen sei, das nicht von US-Soldaten kontrolliert werde. Er erzählte vom Krieg, von den Gräueln, aber auch vom Frieden, den die Nato in Europa seit 75 Jahren garantiere. Und ausser dem Beistand für Israel ist da auch sein Einsatz für einen humanitären Korridor nach Palästina, auch wenn beides in gewissem Widerspruch steht. Mit der Lieferung werde man Palästinensern lebensrettende Hilfe zukommen lassen, versicherte Biden. «So schwer es auch ist, wir dürfen den Frieden nicht aufgeben.»

Er wandte sich an die jüdischen und muslimischen Amerikaner und warnte vor Reaktionen wie nach 9/11. Da ist der wachsende Antisemitismus, und: «Es geht wieder los mit Islamophobie und Misstrauen.» In Chicago wurde ein sechs Jahre alter Junge aus einer US-palästinensischen Familie erstochen und seine Mutter schwer verletzt. «Eine stolze palästinensisch-amerikanische Familie», sagt Biden. «Wir können nicht zusehen und schweigen, wenn so etwas passiert.»

Nach gut 15 Minuten war sein Vortrag vorbei, am Freitag wird die Weltkrise mit den Europäern Ursula von der Leyen und Charles Michel besprochen. «Möge Gott Sie alle segnen», verabschiedete sich der Katholik Biden. «Möge Gott unsere Truppen beschützen», Amerikas Truppen, die in keinen dieser Kriege sollen.