Es ist 2.25 Uhr Ortszeit, als Trump die Bühne im Convention Center von West Palm Beach, Florida betritt. Soeben wurde vermeldet, dass er das Rennen in Pennsylvania gewonnen hat, dem wichtigsten aller Swing-States. Es steht jetzt fest, dass der 45. Präsident der USA auch der 47. Präsident wird. Trump wartet, bis auch der letzte Akkord des patriotischen Countrysongs «God Bless the USA» seines Lieblingssängers Lee Greenwood verklungen ist. Dann sagt er: «Das ist ein politischer Sieg, wie ihn dieses Land noch nie gesehen hat.»

Er hat es tatsächlich geschafft, mit einer destruktiven Kampagne voller Lügen und Beschimpfungen die Mehrheit der Amerikaner in den entscheidenden Swing-States zu überzeugen. Dieser Tag werde als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem dieses Land «befreit» worden sei, sagt der erstinstanzlich verurteilte Straftäter Trump. «Das wird wirklich das goldene Zeitalter Amerikas sein.»

Offenbar haben ihn seine Leute aber auch davon überzeugen können, nach diesem schmutzigen Wahlkampf etwas Versöhnliches zu sagen. «Wir werden diesem Land helfen, zu heilen», sagt Trump also. Denn dieses Land brauche dringend Hilfe. Viel versöhnlicher geht es bei ihm offenbar nicht. Irgendwann ganz am Ende seines mäandernden Vortrags benutzt er eher so nebenbei dann auch noch das Wort «unite», vereinen.

Seinen Wahlsieg im Jahr 2016 feierte Trump in New York. Die Nacht, in der er vier Jahre später wieder abgewählt wurde – eine Niederlage, die er bis heute nicht eingeräumt hat –, verbrachte er in Washington. Nun also West Palm Beach, die Hauptstadt der Make-Amerika-Great-Bewegung. Hier hat er den grössten Teil dieser denkwürdigen Nacht verbracht, im Kreis seiner Familie, seiner engsten Vertrauten und grosszügigsten Spender, darunter Elon Musk und Trumps kommender Vizepräsident J. D. Vance. Die grosse Wahlparty findet aber auf der anderen Seite der Lagune im Palm Beach County Convention Center statt, einer Mehrzweckhalle, in der Trump im Frühsommer bereits seinen 78. Geburtstag gefeiert hatte.

Die Umfragen erweisen sich als Trugschluss

Je länger die Wahlnacht dauert, desto schneller steigt dort die Partystimmung. Als Trump gegen 23 Uhr in den Swing-States Wisconsin und Pennsylvania in Führung geht, tanzen sie im Convention Center bereits zum Disco-Hit YMCA, einem der Lieblingslieder von Donald Trump. Der Star des Abends hat sich ursprünglich für 22 bis 23 Uhr angekündigt, es war allgemein erwartet worden, dass er sich auch dann zum Wahlsieger erklären würde, wenn diese Wahl noch gar nicht entschieden sein sollte. Aber jetzt scheint es Trump plötzlich gar nicht mehr so eilig zu haben, denn es läuft ja alles schneller und vor allem vieles besser für ihn als geplant.

Spätestens als um 23.40 Uhr die Eilmeldung kommt, Trump habe mit North Carolina den ersten Swing-State gewonnen, steht fest: Allzu hoch wird Kamala Harris diese Wahl nicht mehr gewinnen. Im Convention Center brauchen sie nun keine Tanzmusik mehr, um gut gelaunt zu sein. Ab diesem Moment gibt es ein sehr realistisches Szenario, dass sich die Wahl noch in dieser Nacht zugunsten von Donald Trump entscheidet.

Als dann wenig später klar ist, dass auch der Swing-State Georgia an ihn geht, macht sich Trump mit seinem Tross auf den Weg von Mar-a-Lago hinüber zum Convention Center. Noch bevor er mit seinen Leuten dort ankommt, ist auch die Entscheidung in Pennsylvania gefallen. Es war die letzte Hoffnung für Kamala Harris, diese Wahl doch noch zu gewinnen. Die Nacht ist ein Sieg auf ganzer Linie für Trump und die Republikaner. Sie haben nicht nur das Weisse Haus, sondern auch den Senat zurückerobert. All diese Swing-States seien von der MAGA-Bewegung gewonnen worden, sagt Trump. Seine Partei, die Republikaner, erwähnt er nicht.

Stattdessen spricht er lang über die jüngste Raketenlandung von Elon Musk und dankt seiner gesamten Familie, die hier mit ihm auf der Bühne steht. Seiner Frau Melania gibt er einen Kuss auf die Wange. Ausserdem deutet Trump an, dass er den Verschwörungstheoretiker und Impfgegner Robert F. Kennedy Jr. zu seinem Gesundheitsminister machen will.

Trump hatte am Dienstag in West Palm Beach in Begleitung seiner Frau Melania gewählt, er trug einen blauen Anzug und dazu ein rotes MAGA-Käppi, anschliessend sprach er kurz zu einer Gruppe von Reportern und gab dabei eine Aneinanderreihung von grösstenteils altbekannten Lügen und Halbwahrheiten zum Besten. Faktenchecker der «Washington Post» zählten 15 Falschaussagen in 15 Minuten, darunter Trumps Behauptung, er sei mit einem «grossen Vorsprung» in diesen Wahltag gegangen, oder die absurde Lüge, die Auszählung der Wahl wäre um 22 Uhr beendet, wenn alle im Land Papier-Wahlzettel verwenden würden. Tatsächlich wird fast überall in den USA auf Papier gewählt.

Am Ende dieses kurzen Statements im Wahlbüro sagte Trump dann auch noch: «Wenn ich eine Wahl verliere und wenn es eine faire Wahl ist, bin ich der Erste, der es einräumt.» Das zweite «wenn» machte hier den Unterschied, denn natürlich nimmt sich Trump die Freiheit heraus, selbst zu entscheiden, ob es eine faire Wahl war.

Spät in der Nacht, aber immer noch deutlich früher als gedacht, steht fest, diesmal hat tatsächlich er gewonnen. Daraus kann es für Trump nur einen Schluss geben: Es muss eine faire Wahl gewesen sein.

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