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Trump und Harris im Schlussspurt
100’000 Amerikaner dürften die Wahl entscheiden. Jetzt klingelt es bei Mister Hoffman

Cecilia Castellano, candidate for Texas State Representative, canvasses a neighborhood in her district as she campaigns for votes in Jourdanton, Texas, on October 5, 2024. Castellano, 46 and a Democrat, aspires to be the first Latina representative of the 80th district in Texas, a territory dominated by Republicans who accuse her of electoral fraud. She says they want to intimidate her Latino constituents. She met with her family and team at a restaurant in Jourdanton before going door-to-door in a neighborhood where pro-Donald Trump flags fly on front lawns. A neighbor even called the police to check what was going on. (Photo by SERGIO FLORES / AFP)
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In Kürze:
  • Kamala Harris setzt im Wahlkampfendspurt auf die mobile App «Minivan».
  • Unentschlossene Wählerinnen und Wähler in Swing-States werden auf deren Basis direkt kontaktiert.
  • Republikaner nutzen ebenfalls Apps, setzen aber stärker auf Mundpropaganda.

Ob am Ende vielleicht die App «Minivan» die Wahl entscheidet? Wer Kamala Harris ins Weisse Haus verhelfen will, wird jedenfalls dringend dazu aufgerufen, sich das jetzt runterzuladen. «Minivan ist unser mobiles Haustürwahlkampf-Tool», heisst es in einer Einweisung der demokratischen Wahlkampfzentrale für ihre freiwilligen Helferinnen und Helfer.

In den USA leben gut 330 Millionen Menschen, darunter etwa 160 Millionen registrierte Wahlberechtigte. Aber diejenigen, die am Ende für den Ausgang der Präsidentschaftswahl relevant sein werden, passen wahrscheinlich in ein bis zwei Footballstadien. Es sind die bislang Unentschlossenen, Politikfernen, Passiven und Wahlmüden in einigen wenigen besonders umkämpften Wahlkreisen der sieben Swing-States.

Jetzt, im Wahlkampfendspurt, ist es die heiligste Aufgabe der Strategen beider Parteien, genau diese Menschen ausfindig zu machen: die vielleicht einhunderttausend, auf die es wirklich ankommt. Bei der Harris-Kampagne vertrauen sie darauf, dass «Minivan» diesen Job erledigt.

Die App zeigt an, welche Haushalte sich lohnen

Um die App nutzen zu können, braucht man eine «ActionID» sowie einen 13-stelligen Code, der von den Organisatoren der lokalen Wahlkampfbüros zur Verfügung gestellt wird. Gibt man solch einen Code ein, zum Beispiel in Berks County, Pennsylvania, dann erscheint auf dem Handydisplay eine Karte mit markierten Adressen.

Die App zeigt an, welche Haushalte sich für den Haustürwahlkampf der Demokraten lohnen und welche wahrscheinlich eher nicht. Sie zeigt, wo Menschen leben, die der Partei und ihren Themen gegenüber grundsätzlich wohlgesinnt sind, aber schon länger nicht mehr wählen waren. Genau um diese Leute geht es. In diesem Kreis liege das grösste Mobilisierungspotenzial für die letzten Tage vor der Wahl, sagt eine Mitarbeiterin der Harris-Kampagne, die man nicht namentlich zitieren darf.

PHILADELPHIA, PENNSYLVANIA - OCTOBER 27: Democratic presidential nominee, U.S. Vice President Kamala Harris prepares backstage before she takes the stage to speak during a campaign rally at The Alan Horwitz "Sixth Man" Center on October 27, 2024 in Philadelphia, Pennsylvania. With less than 2 weeks until Election Day, Harris is campaigning in the Philadelphia area.   Andrew Harnik/Getty Images/AFP (Photo by Andrew Harnik / GETTY IMAGES NORTH AMERICA / Getty Images via AFP)

In dieser App werden all diese Menschen mit Vor- und Nachnamen, Alter, Geschlecht und Telefonnummern angezeigt, dazu sämtliche weitere Wahlberechtigte im Haushalt. Nach europäischen Datenschutzstandards wäre das ein kleiner Albtraum. Für die Wahlhelfer von Harris ist es ziemlich praktisch. Sie sehen ganz genau, wie oft etwa Herr Hoffman (72) aus der Chestnut Street in diesem Herbst schon kontaktiert wurde. Im September ist er zweimal nicht ans Telefon gegangen, im Oktober wurde er einmal an der Türschwelle angetroffen, hat sich aber nicht klar festgelegt, wen er wählt.

In der App ist auch hinterlegt, dass Frau Levan (76) ihre Stimme bereits abgegeben hat und dass Frau Sanchez-Vaca (37) am vergangenen Samstag wieder nicht zu Hause war. Die demokratischen Wahlkämpfer im hart umkämpften Berks County wissen so: Bei Hoffman und Sanchez-Vaca lohnt sich ein weiterer Kontaktversuch. Bei Levan nicht.

Im Vergleich zu einem europäischen Wahlkampf, wo auch die kostenlosen Kugelschreiber auf den Marktplätzen noch zum Repertoire gehören und bei Haustürwahlkämpfen in bestimmten Strassenzügen einfach überall geklingelt wird, läuft das in den USA mit wissenschaftlicher Präzision ab. Beide Seiten investieren Hunderte Millionen Dollar, um genau jetzt in dieser Phase die richtigen Leute mit den passenden Wahlbotschaften zu berieseln. In der Wahlkampfzentrale von Donald Trump in Florida werden diese Wählerinnen und Wähler die «target persuadables» genannt, grob übersetzt: die anvisierten Überzeugbaren.

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Jüngere Männer, vor allem Afroamerikaner und Latinos, sowie Frauen in Vorstädten – das sind wohl jene, die noch am ehesten zu überzeugen sind. Die einen gehören eigentlich zur Stammklientel der Demokraten, fühlen sich aber zu Trump hingezogen. Die anderen waren traditionell eher Wählerinnen der Republikaner, fühlen sich aber jetzt von Trump abgestossen. Beide sind tendenziell eher unpolitisch. In vielen Fällen geht es weniger darum, diese Leute von einer bestimmten Politik zu überzeugen, sondern sie dazu zu animieren, dass sie überhaupt wählen gehen.

Direkter Kontakt ist in dieser Phase am effektivsten

Dieser Wahlkampf hat eine leicht paradoxe Note: Er reizt im Bereich der Wählerforschung zwar die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters sehr weit aus, aber bei vielen Endverbrauchern kommt er recht konventionell an: «Schönen guten Tag, darf ich Ihnen einen Flyer dalassen?» Sie haben mit all ihren Apps und Tools nämlich festgestellt: Direkter Kontakt an der Haustürschwelle ist bei den Leuten, um die es jetzt geht, am effektivsten.

Schon seit Monaten verschickt die Harris-Kampagne praktisch im Stundentakt Mails, in denen um Spenden gebeten wird, drei Dollar, fünf Dollar, alles hilft. Neuerdings kommen aber auch Mails, in denen Freiwillige gesucht werden, die sich für die Demokraten in den Häuserwahlkampf begeben.

Natürlich haben auch die Republikaner eine App für das «Ground Game», den Wahlkampfendspurt an den Haustüren. Sie heisst «10xvotes» und folgt einer etwas anderen Systematik. Der TV-Moderator Tucker Carlson gehört zu ihren bekanntesten Vermarktern. Die App verspricht ihren Nutzern, dabei zu helfen, zehn konservative Menschen im privaten Umfeld zu finden, die bislang nicht beabsichtigen, wählen zu gehen. Die Idee ist: Wenn jeder Nutzer zehn solcher Leute in seinem Bekanntenkreis findet und davon überzeugt, doch zu wählen – und zwar Trump –, dann reicht es.

Trump hat deutlich weniger Spendengelder als Harris

Der Ansatz setzt also eher auf Mundpropaganda als auf einen klaren Plan. Das mag aber auch daran liegen, dass Trump deutlich weniger Spendengelder als Harris eingesammelt hat. Bei der Motivierung ihrer potenziellen Wähler verlassen sich die Republikaner deshalb auch auf rechtskonservative Aktionsgruppen und Lobbyisten, die weitestgehend eigenverantwortlich handeln.

epaselect epa11688026 Followers of Republican presidential candidate and former US president Donald Trump attend the 'Trump Festival (Take America Back)'‚Äö event celebrated in Palmetto, Florida, USA, 27 October 2024. Dozens of supporters of former president Donald Trump attend the Trump Fest, hosted by the local restaurant Peggy's Corral. Trump will face US Vice President and Democratic presidential candidate Kamala Harris in the United States presidential election on 05 November 2024.  EPA/CRISTOBAL HERRERA-ULASHKEVICH

Zu diesen lose angedockten Unterstützergruppen gehören etwa «Turning Point Action» des Aktivisten Charlie Kirk, das von Elon Musk unterstützte «America PAC» oder auch die «Faith and Freedom Coalition», die eher evangelikal-missionarisch unterwegs ist. Es gilt unter Experten als beispiellos, dass sich eine Präsidentschaftskampagne im Haustürwahlkampf so stark auf externe Gruppen verlässt. Und auch wenn sie alle eine starke Abneigung gegen Kamala Harris und das liberale Amerika teilen mögen, sie kommen sich offenbar nicht selten mit den «Trump Force 47 Captains» ins Gehege, den freiwilligen Wahlhelfern der Trump-Kampagne.

Bei den Demokraten mit ihren 2500 Mitarbeitern in mehr als 350 Wahlkampfbüros läuft das deutlich strukturierter ab. Da wird an keiner Haustür zufällig angeklopft, alle sind sorgfältig ausgewählt. Laut der Harris-Kampagnenzentrale haben ihre Freiwilligen allein in der vorvergangenen Woche an 600’000 Haustüren geklingelt.

Sie wissen: Die letzten unentschiedenen Amerikaner in den entscheidenden Gegenden des Landes bilden eine sehr überschaubare Zahl. Es sind so wenige: Wenn man es klug anstellt, kann man bis zum 5. November praktisch jedem die Hand schütteln.