Fed erhöht Leitzins um 0,75 Prozent US-Notenbank riskiert Rezession und gefährdet Bidens Wiederwahl
Mit seiner forschen Zinspolitik konnte Jerome Powell die hohe Inflation bisher drosseln. Hingegen steigt die Gefahr einer Wirtschaftskrise. Mit politischen Folgen.
Wenn die USA dieses Jahr in eine Rezession stürzen würden, wäre es ein seltenes Ereignis. Denn seit dem Zweiten Weltkrieg stagnierte die weltgrösste Volkswirtschaft nur dann, wenn die Produktion einbrach und gleichzeitig die Arbeitslosigkeit deutlich anstieg.
Das ist dieses Jahr nicht der Fall: Der Arbeitsmarkt ist trotz einer hohen Teuerung und Nachschubproblemen aussergewöhnlich widerstandsfähig. Nichts deutet auf eine Abschwächung hin.
Und trotzdem schraubt die US-Notenbank die Zinsschraube in einer seit vierzig Jahren nicht mehr gesehenen Aggressivität nach oben. Ökonomen und kritische Stimmen in der Regierung Joe Biden befürchten deshalb, dass die Notenbanker überdrehen und unnötigerweise eine Rezession provozieren.
Weitere Zinserhöhungen sind absehbar
Am Mittwoch drückte die Notenbank den Leitzins erneut um 0,75 Prozentpunkte nach oben, nachdem sie diesen schon im Mai um 0,5 und im Juni um 0,75 Prozentpunkte erhöht hatte. Dennoch zog die Inflation ungebremst weiter an. Deshalb sind bis Ende Jahr weitere Zinserhöhungen zu erwarten. Die Anlegerinnen und Anleger an den Finanzmärkten erwarten bis Ende Jahr einen Leitzins von rund 3,3 Prozent, also noch einmal klar mehr als die jetzt erreichte Marke von 2,5 Prozent.
An sich hat die Notenbank inzwischen eine neutrale Basis erreicht, mit der die Wirtschaft weder angekurbelt noch gebremst wird. Doch das genügt Notenbank-Chef Jerome Powell nicht. Er und seine Kollegen glauben, dass die auf über 9 Prozent gestiegene Inflation, die höchste seit vierzig Jahren, härter bekämpft werden muss. Er will nach seinen eigenen Worten Mut beweisen, wie das sein Vorgänger Paul Volcker getan hat.
Volcker brachte Anfang der 1980er-Jahre eine Hyperinflation von über 15 Prozent mit endlosen Zinserhöhungen endlich unter Kontrolle, allerdings zum hohen Preis von zwei Rezessionen innert zwei Jahren. Andererseits profitierten die Notenbanker bis vor kurzem von dieser Gewaltaktion, mussten sie doch nie eine eskalierende Teuerung bekämpfen und konnten sich darauf beschränken, die Finanzmärkte mit fein austarierten Zinsanpassungen bei Laune zu halten.
Biden ist auf Powell angewiesen
Powell kann sich das nicht mehr leisten. Er fühlt sich in die Rolle von Volcker gedrängt. «Er hatte den Mut, zu tun, was er für richtig hielt», sagt er. Unterstützt wird er von seiner Vorgängerin bei der Notenbank, Finanzministerin Janet Yellen, und selbst Präsident Biden stellte sich Ende Mai öffentlich hinter Powell. «Laserscharf» sei auch er auf die Inflationsbekämpfung fixiert, betonte Biden nach einem Treffen mit Powell, als seine Umfragewerte auf einen Tiefpunkt gesunken waren.
Doch die Meinungen im Volk waren schon gemacht. Biden wird für die Inflation verantwortlich gemacht, auch wenn seine Politik wenig dazu beigetragen hat und die Teuerung in anderen Industrieländern höher ist. Der linke Flügel seiner Demokratischen Partei befürchtet, dass eine zu aggressive Notenbank eine tiefe Rezession verursachen, den starken Arbeitsmarkt beschädigen und dies in den Wahlen noch mehr Stimmen kosten wird.
Aus dieser Sicht sollte die Teuerung ohne weiteres Zutun der Notenbank zurückgehen. Einige Zahlen vom Juni deuten darauf hin. So haben die Energie- und Immobilienpreise in den vergangenen Wochen stark korrigiert, und die Kerninflation dreht bereits nach unten.
Für Biden ist das eine seltene positive Nachricht. Sie war so willkommen, dass er am vergangenen Wochenende mehrere persönliche Tweets über die sinkenden Benzinpreise absetzte. Monatlich bringe das pro Haushalt 30 Dollar Ersparnis, rechnete er vor. «Das verschafft etwas Luft.»
Biden hat praktisch keine Handlungsfreiheit mehr
Biden sind jedoch die Hände gebunden, wenn es um die Teuerung geht. Wenn die Republikaner im November die Mehrheit im Kongress übernehmen, worauf alles hindeutet, hat die Regierung und haben die Demokraten keine Chance mehr, eine lahmende Wirtschaft mit Impulsprogrammen anzustossen. Sie werden am Widerstand von rechts scheitern.
Somit wird die Notenbank zwangsläufig eine noch stärkere Rolle übernehmen. Von ihrer Zinspolitik hängt alles ab. Damit verbunden ist ein besonders hohes Risiko, zeigt eine Analyse der UBS. Sie rechnet damit, dass der Leitzins bis Ende Jahr «nur» gegen 3,5 Prozent steigen wird, somit eine Rezession wahrscheinlich vermieden würde.
Doch sollte die Notenbank weiter an der Zinsschraube drehen, würde eine Rezession bis weit ins Jahr 2023 drohen. Eine sanfte Landung der Wirtschaft, wie das 1995, 2013 und 2015 gelang, wäre Powell missglückt. Und Joe Biden müsste – falls er überhaupt wieder antritt – mit einer schweren Hypothek in die Präsidentschaftswahlen 2024 starten.
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