Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Europäische Zentralbank 
Überraschend grosser Schritt: EZB erhöht Zinsen erstmals seit 11 Jahren

Schluss mit Minuszinsen: Christine Lagarde am Donnerstag an der Medienkonferenz.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Die Europäische Zentralbank (EZB) erhöht angesichts der Rekordinflation erstmals seit elf Jahren die Zinsen im Euroraum. Der Hauptrefinanzierungssatz steigt unerwartet kräftig von null auf 0,5 Prozent, wie die EZB am Donnerstag in Frankfurt mitteilte. Der Einlagenzinssatz steigt von minus 0,5 Prozent auf null – das ist jener Zins, zu dem Banken bei der Notenbank Gelder deponieren können.

Damit beendet die EZB die lange Phase der Negativzinsen. «Das monetäre Schlaraffenland hat geschlossen», kommentiert Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank. Christine Lagarde, die Präsidentin der EZB, stellte zudem eine «weitere Normalisierung der Zinsen» in Aussicht, also weitere Zinserhöhungen. 

Die Euro-Notenbank flankiert ihre Zinswende mit einem neuen Anti-Krisen-Programm. Das Instrument soll sicherstellen, dass die Erhöhung der Zinsen einzelne Länder nicht über Gebühr belastet. Konkret geht es vor allem darum, dass Länder mit hohen Schuldenständen wie Italien nicht durch die Zinserhöhung in Probleme geraten. Um das zu verhindern, will die EZB im Krisenfall erneut Staatsanleihen kaufen. «Käufe sind ex ante nicht begrenzt», teilte die EZB mit.  

In der Inflationsbekämpfung hinkt die EZB vielen anderen Notenbanken zeitlich deutlich hinterher. Das Inflationsziel der EZB von zwei Prozent wird seit längerem klar übertroffen.

Die Inflation in der Eurozone hatte sich im Juni weiter beschleunigt. Gegenüber dem Vorjahresmonat erhöhten sich die Konsumentenpreise um 8,6 Prozent. Die Inflation im Euroraum war noch nie so hoch seit Einführung der Gemeinschaftswährung als Buchgeld im Jahr 1999. Seit vergangenem Sommer hat sich die Teuerung kontinuierlich verstärkt, wobei zuletzt immer wieder Rekordwerte erreicht wurden. Der Krieg in der Ukraine und die harten Corona-Massnahmen in China haben den Preisauftrieb verschärft. Letzteres führte auch in den globalen Lieferketten zu Problemen.

Unruhe an den Märkten wegen Draghi-Rücktritt

Der Rücktritt des international geachteten italienischen Regierungschefs und früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi löst zudem Unruhe auf den Finanzmärkten aus. Der Spread – die Differenz zwischen den zehnjährigen Staatsanleihen Italiens und Deutschlands – war schon am Mittwochabend in Erwartung eines Rücktritts Draghis angestiegen und erreichte am Donnerstag Mittag 2,37 Prozentpunkte.

Ein hoher Spread bedeutet, dass der italienische Staat Gläubigern deutlich höhere Zinsen auf neue Staatsanleihen bezahlen muss, um sie für das höhere Risiko zu entschädigen. Dies belastet den Haushalt des hoch verschuldeten Landes erheblich. Der Börsenindex in Mailand gab am Donnerstag um zwei Prozentpunkte nach.

Damit die Risikoaufschläge nicht zu stark hochschnellen, hat die EZB daher am Donnerstag ihr neues Anleihekaufprogramm namens Transmission Protection Instrument (TPI) vorgestellt. Die Euro-Notenbank bleibt zu den Details aber etwas diffus. Es gab weder Angaben zum Volumen der Anleihekäufe noch zum Zeitpunkt des TPI-Einsatzes. Der Umfang der Käufe hänge von der «Schwere der Risiken» der Transmission der Geldpolitik ab, heisst es in der Medienmitteilung. 

Erinnerung an «Whatever it takes»

Das könnte man so übersetzen, dass die EZB einem als zu hoch empfundenen Anstieg der Risikoaufschläge bestimmter Staatsanleihen mit notfalls unbegrenzten Anleihekäufen entgegentreten will. Kauft die EZB mit Milliardenbeträgen Anleihen, so steigen diese im Kurs, und die Rendite – also der Zins – sinkt. 

Da die EZB das Volumen des Krisenprogramms nicht beziffert, erinnert dies an die Aussage von Ex-EZB-Chef Mario Draghi aus der Eurokrise: «Whatever it takes». Damit drückte Draghi aus, dass die EZB zur Not «was immer nötig» tun werde, um die Eurozone vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren. Allein diese Aussage sorgte dafür, dass die Spekulationen gegen hoch verschuldete Euro-Mitglieder sich abkühlten. 

Als Reaktion auf den Zinsschritt legte der Euro zum Franken zunächst leicht zu, fiel dann wieder ab und tendierte Seitwärts. Für die Schweizerische Nationalbank (SNB) ist es eine gute Nachricht, dass nun auch die EZB ihre Geldpolitik strafft. Denn das gibt der SNB Spielraum für einen weiteren Zinsschritt im September. Ökonomen erwarten einen weiteren Zinsschritt von 0,5 Prozentpunkten, nachdem die SNB bereits im Juni überraschend die Zinsen um einen halben Prozentpunkt erhöht hat.

Laufen die Leitzinsen der Währungsräume stark auseinander, so führt dies zu Verwerfungen am Devisenmarkt. Konkret: Steigen die Zinsen in der Schweiz schneller als in der Eurozone, macht dies den Franken attraktiver, und er gewinnt gegenüber dem Euro an Wert. Bis zu einem gewissen Masse ist eine Frankenaufwertung erwünscht, denn ein höherer Aussenwert des Frankens führt dazu, dass die Importpreise weniger stark steigen, was die Inflation dämpft. Eine zu abrupte Aufwertung ist aber eine Gefahr für die Exportwirtschaft.