Angst vor SchuldenkriseEZB-Chefin Lagarde eilt Italien zu Hilfe
Die Notenbank will mit gezielten Käufen von Staatsanleihen die Zinsen für südliche Länder wie Italien drücken. Dafür will die EZB auch ein neues Hilfsprogramm auflegen.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich in eine verzwickte Lage manövriert, aus der sich die Währungshüter nun mit einem Kniff herauswinden wollen. Vereinfacht ausgedrückt, muss die Hüterin des Euro gleichzeitig Gas geben und bremsen.
Denn an den Märkten braut sich Unheil zusammen: Wegen der hohen Inflation will die EZB im Juli Zinsen erhöhen, die US-Notenbank Fed dürfte schon am Mittwochabend ein weiteres Mal an der Zinsschraube drehen. Nun sorgen sich Investoren, dass die Mischung aus steigenden Zinsen und hohen Schuldenständen eine neue Staatsschuldenkrise auslösen könnte. Daher haben Anleger in den vergangenen Tagen in Scharen Anleihen verkauft, vor allem jene von Ländern mit vielen Schulden, wie zum Beispiel Italien.
Krisensitzung der EZB
Die Folge: Die Renditen für italienische Staatsanleihen sind stark gestiegen, was die Sorge um die Tragbarkeit der Schulden weiter befeuert. Das hat die Europäische Zentralbank zum Handeln gezwungen: Am Mittwoch haben sich die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde zu einer ausserordentlichen Sitzung getroffen.
Der EZB-Rat beschloss dabei, den in die Bredouille gekommenen Südländern beizuspringen. So sollen Rückflüsse aus dem Anleihekaufprogramm Pepp «flexibel» reinvestiert werden, um das Funktionieren der Geldpolitik sicherzustellen. Im Klartext: Werden Anleihen aus dem Bestand fällig und die Zentralbank bekommt Geld, so will die Notenbank diese Mittel für Käufe von Titeln der Euro-Südländer nutzen – das drückt die Renditen.
Die EZB geht einen Schritt weiter: Sie will ein sogenanntes Anti-Fragmentierungs-Programm entwickeln. Die Fragmentierung besteht darin, dass die Renditeniveaus der verschiedenen Euromitglieder derzeit wieder stark auseinanderlaufen.
Notprogramm für die Südländer
Die Ausgestaltung des Programms ist derzeit noch nicht klar, doch dürfte dies eine Art Spezialankaufprogramm für Staatsanleihen jener Ländern sein, bei denen die Zinsaufschläge besorgniserregende Ausmasse annehmen. «Zwar ist die Ausgestaltung noch völlig unklar, doch allein die Ankündigung, dass ein solches Instrument geplant ist, sollte für eine gewisse Beruhigung an den Märkten sorgen», kommentierte Ulrike Kastens, Volkswirtin der Fondsgesellschaf DWS.
Tatsächlich ging der Zinsaufschlag (genannt «Spread») von italienischen Anleihen zur massgeblichen 10-jährigen Staatsanleihe Deutschlands nach der Ankündigung der EZB leicht zurück. DWS-Ökonomin Kastens fügte an, dass dank des neuen Instruments die Europäische Zentralbank wie angekündigt den Leitzins erhöhen könne, denn mit dem Hilfsprogramm kann sie zu hohe Renditeaufschläge verhindern.
Wie eingangs erwähnt gibt die EZB damit Gas und bremst gleichzeitig: Durch die geplante Erhöhung des Leitzinses strafft sie die Geldpolitik. Durch den gezielten Ankauf von Anleihen bestimmter Länder führt sie auf der anderen Seite dem Markt wieder Liquidität zu. Ordnungspolitisch sei das Vorgehen laut Ökonomen unorthodox, aber das spiele schon länger keine Rolle mehr.
Normalerweise wertet der Franken zum Euro auf, wenn das Stresslevel in der Eurozone steigt. Am Mittwoch hielten sich die Kursauschläge in Grenzen, der Franken blieb oberhalb der Marke 1.04 Franken zum Euro.
Fehler gefunden?Jetzt melden.