US-israelische Beziehungen«Bibi» und «Joe» – knapp vorbei am Weissen Haus
Nach langem Hinhalten trifft sich US-Präsident Biden mit Israels Premier Netanyahu. Zeit für den alten Freund findet er nur am Rand der UNO-Generalversammlung.
Sie kennen sich seit einer halben Ewigkeit, als «Bibi» und als «Joe» geben sie sich stets sehr vertraut. Doch in den vergangenen Monaten hatten sich US-Präsident Joe Biden und der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu ein zähes Fernduell geliefert. Biden hat dabei nicht mit Kritik gespart am Kurs der sehr rechten israelischen Regierung. In Israel hat man sich solche Einmischung mit manch derbem Spruch verbeten.
Kurzum, es gab viel zu besprechen, als sich die beiden am Mittwoch in New York nach langer Pause wiedersahen. Das Tête-à-Tête mit Biden ist für Netanyahu gewiss ein Höhepunkt der einwöchigen USA-Reise, die er sich in Begleitung von Ehefrau Sara als Auszeit gönnt von den heimischen Turbulenzen rund um die sogenannte Justizreform.
Doch dieses Treffen ist weit entfernt vom alten Glanz, mit dem Netanyahu in den besseren Zeiten in den USA empfangen wurde. Vergeblich hatte er auf eine Einladung ins Weisse Haus gehofft. Doch Biden hat ihn nicht nur monatelang zappeln lassen vor diesem Treffen, sondern am Ende auch nur Zeit gefunden am Rand der UN-Generalversammlung. Netanyahu musste sich dort in die Schlange einreihen vor der Präsidentensuite im Intercontinental Hotel, wo Biden derzeit Hof hält.
«Werden harte Themen diskutieren»
Gleich zu Beginn sprach Biden die Sorge der US-Regierung wegen des geplanten Umbaus der israelischen Justiz an. «Wir werden einige harte Themen diskutieren», sagte er – und forderte expliziert «die Bewahrung demokratischer Werte» und eine Besinnung auf das System der Gewaltenteilung. Netanyahu blieb da nicht viel mehr, als dem US-Präsidenten pflichtschuldigst zu versichern, dass sich «eines niemals ändern wird, und das ist Israels Verpflichtung zur Demokratie».
Biden dürfte da Zweifel haben, denn er hat die im vorigen Dezember gebildete israelische Regierung zuvor schon als die «extremste» bezeichnet, mit der es je zu tun hatte. Das wiegt schwer, wenn man weiss, dass Bidens einschlägige Erfahrung ein halbes Jahrhundert umfasst und zurückgeht bis zur Premierministerin Golda Meir. Dennoch kann dem US-Präsidenten nicht daran gelegen sein, die Meinungsverschiedenheiten mit seinem alten Freund «Bibi» eskalieren zu lassen. Schliesslich hat er Grosses vor – und dazu braucht er Netanyahu.
Im Mittelpunkt des New Yorker Treffens stand deshalb Bidens Initiative zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudiarabien. «Wenn wir vor zehn Jahren darüber gesprochen hätten, hätten wir uns wohl angeschaut und gefragt: Wer hat hier was getrunken?», sagte Biden zu Netanyahu. Nun aber gebe es die Chance, einen «stabileren und blühenderen Nahen Osten» zu schaffen. Mit einem Erfolg auf diesem Feld könnte sich Biden im anstehenden Präsidentschaftswahlkampf schmücken. Doch die Ausgangslage ist kompliziert, denn die Führung in Riad verlangt von Israel deutliche Zugeständnisse an die Palästinenser.
Geschmeidig erklärte Netanyahu, unter Bidens Führung sei «ein historischer Frieden zwischen Israel und Saudiarabien möglich».
Auch Biden hat sich am Dienstag in seiner Rede vor der Generalversammlung hinter diese Forderung gestellt. «Jeder Deal mit Saudiarabien wird nicht auf Kosten eines Abkommens mit den Palästinensern gehen», sagte er dort. Die Vereinigten Staaten würden weiter an einem Frieden zwischen Israel und den Palästinensern auf Basis der Zweistaatenlösung arbeiten.
Netanyahu zog es in New York vor, dem US-Präsidenten nicht zu widersprechen. Geschmeidig erklärte er deshalb, dass unter dessen Führung «ein historischer Frieden zwischen Israel und Saudiarabien möglich» sei. Sogar von einem «echten Frieden zwischen Israel und den Palästinensern» sprach er – ohne freilich konkret zu werden in der Frage, was Israel dafür zu geben bereit ist. Netanyahus rechtsextreme Koalitionspartner haben jedenfalls schon Pflöcke eingerammt mit der Aussage, es werde keinerlei Konzessionen an die Palästinenser geben.
Den heiklen heimischen Themen kann Netanyahu also auch in New York nicht entkommen – und nicht einmal die Demonstranten hat er abschütteln können mit seiner Reise über den Atlantik. Am Dienstag war mit israelischen Flaggen auf dem Times Square gegen seine Politik demonstriert worden. Am Mittwoch erschallten die Protestslogans auch vor dem Hotel, in dem er sich mit Biden traf. Umso wichtiger ist es für Netanyahu, dass er sich den Anhängern zu Hause endlich auch wieder als Staatsmann von internationalem Gewicht zeigen kann, zusammen mit Biden und auch ein paar anderen Grössen.
Im Hotel statt im Weissen Haus
Vor dem Abflug hatte er schon stolz verkündet, dass er leider nicht alle werden treffen können, die bei ihm angefragt hätten. Auf die Liste geschafft haben es aber zum Beispiel Kanzler Olaf Scholz sowie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Geklappt hat auch ein Treffen mit dem ukrainischen Staatschef Wolodimir Selenski. Die Ukrainer sind seit langem schon enttäuscht von Israels magerer Unterstützung im Krieg gegen Russland. Doch eines hat Selenski Netanyahu voraus: Er wird nämlich an diesem Donnerstag von Biden nicht im Hotel, sondern im Weissen Haus empfangen. Israels Premier kann auch daran ablesen, wie sich die Themen und Gewichte international verschoben haben.
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