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Ausgestorbene Tierart
US-Firma will den Dodo wieder zum Leben erwecken 

Die Wiederbelebung des Dodos wird über 150 Millionen US-Dollar kosten: Ein bei Christie’s zur Auktion angebotenes Dodo-Skelett.

Bis zu 55’000 Arten pro Jahr, 150 pro Tag, rund 6 pro Stunde sterben weltweit aus, wie die US-Biotechnologiefirma Colossal Biosciences auf ihrer Website schreibt. Sie nimmt das Artensterben zum Anlass für eine ganz neue Art von Geschäftsfeld: die Wiederbelebung von ausgestorbenen Arten, auf Englisch «De-Extinction» genannt. Das 2021 gegründete Unternehmen hat seit seinem kurzen Bestehen die Wiederauferstehung von nicht weniger als drei Arten verkündet: dem Mammut, dem Tasmanischen Beutelwolf und jetzt dem Dodo. Für das neuste Projekt konnte Colossal Biosciences 150 Millionen US-Dollar Investorengelder sammeln, wie die Firma Ende Januar 2023 bekannt gab. 

Der Dodo war ein rund ein Meter grosser, flugunfähiger Taubenvogel, der auf der Insel Mauritius lebte, bis die Kolonisten ihn zusammen mit ihrer eingeführten Gefolgschaft von Hunden, Katzen, Schweinen, Makaken und Ratten Ende des 17. Jahrhunderts ausrotteten.

Der behäbig aussehende Vogel ernährte sich wahrscheinlich von vergärten Früchten, Nüssen, Samen, Knollen und Wurzeln und lebte in den Wäldern in Küstennähe. Den neuen Fressfeinden hatte der ursprünglich an der Spitze der Nahrungskette stehende Dodo nichts entgegenzusetzen. Sie hatten es zudem auf seiner Eier abgesehen. 

Wehrloser Taubenvogel: Der Dodo ist zu einem Symbol für das menschengemachte Aussterben von Tieren geworden. Künstlerische Darstellung eines Dodos von Colossal Biosciences. 

Erschaffung von Chimären 

Die Methode, die Colossal Biosciences zur Wiederbelebung des Dodos verwenden will, geht von seinem nächsten lebenden Verwandten aus, der Kragentaube. Die Forscher wollen sogenannte Urkeimzellen – die später die Bildung von Spermien und Eier produzierende Zellen erlauben – der Taube extrahieren und mithilfe der Gen-Schere Crispr so verändern, dass sie der ursprünglichen DNA des Dodos möglichst nahekommen. Das so neu geschaffene Erbgut soll dann einem Embryo einer Leihmutter-Vogelart, zum Beispiel einem Emu, eingepflanzt und das so geschaffene Mischwesen dann ausgebrütet werden. Die DNA des Dodos konnte 2021 von der Evolutionsbiologin Beth Shapiro und ihrem Team mithilfe von Proben aus den im Naturkundemuseum von Kopenhagen ausgestellten Überresten sequenziert werden.

Der so geschaffene Dodo wäre aber nur eine Annäherung an die ursprüngliche Art, eine Chimäre, da die sequenzierte Dodo-DNA voller Lücken und Fehler ist und man durch die Anpassung der Kragentauben-DNA die evolutionären Veränderungen, die seit der Abspaltung der Kragentaube vom Dodo passiert sind, nur teilweise rekonstruieren kann, wie der Evolutionsbiologe Tom Gilbert gegenüber dem Wissenschaftsmagazin «Nature» erklärte. 

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Forschung mit neuen biomedizinischen Patenten verbinden 

Weil das Wiederbeleben von ausgestorbenen Arten viele Jahre in Anspruch nehmen wird und Technologiesprünge in Bereichen wie der Genom-Editierung, der DNA-Sequenzierung und der Schaffung künstlicher Gebärmütter voraussetzt, will Colossal Biosciences die dafür notwendige Forschung mit der Schaffung von neuen biotechnologischen Verfahren und deren Patentierung verbinden. So hat die Firma im Januar 2022 ein Bioinformatik-Spin-off gegründet, das sich mit auf die Analyse und Visualisierung von grossen biologischen Datensätzen spezialisiert hat.

Dieses Know-how soll nun auch in der Arzneimittelforschung und in der Gentherapie zur Anwendung kommen. Auch in der künstlichen Befruchtung, in der die Firma forscht, sieht Firmenmitgründer Ben Lamm mögliche Einsatzbereiche. Zudem ist Colossal Biosciences an der Forschung für einen Impfstoff gegen das Elefanten-Herpesvirus EEHV beteiligt. 

Moralisch anfechtbar: Die Wiederbelebung von ausgestorbenen Arten wie dem Dodo mittels Gentechnik ist ethisch stark umstritten. Im Nationalmuseum von Wales in Cardiff positioniert ein Kurator ein Modell eines Dodos gegenüber einem Skelett (1938). 

Anpassung der Tiere ans Anthropozän

Kritiker werfen der Firma vor, die Prioritäten falsch zu setzen. Während Colossal Biosciences damit wirbt, eine mächtige Methode zur Aufhaltung des Artensterbens gefunden zu haben, sehen Ethiker das Problem in der falschen Priorisierung der Mittel und des Denkens über Naturschutz: Geht es darum, die Natur zu schützen und in Ruhe zu lassen oder Arten aktiv zu modifizieren, damit sie in einer vom Menschen dominierten Welt mit immer kleineren natürlichen Lebensräumen überleben können? 

So sieht der Direktor des Ethikinstituts der Northeastern University in Boston, Ronald Sandler, das Klonen und Wiederbeleben von ausgestorbenen Arten als Ausweichen von den wahren Problemen, die das Artensterben verursachen: «Es ist nicht klar, ob diese neuen Instrumente tatsächlich die Ursache für das Massenaussterben beseitigen oder ob sie nur ein technologisches Allheilmittel für das Problem darstellen, das darin besteht, dass die Menschen viel mehr Ressourcen verbrauchen, als sie sollten. Es besteht die Gefahr, dass wir aus den Augen verlieren, was das eigentliche Problem ist, das gelöst werden muss», sagte er gegenüber dem Technologie-Magazin «Wired»

Colossal Biosciences entgegnet dem, dass für die Schaffung oder Wiederherstellung von wilden Lebensräumen Schlüsselarten wie der Dodo von entscheidender Bedeutung sein könnten, da sie Artenvielfalt in ihrem Habitat entscheidend mitprägen könnten. Es ist allerdings unklar, wie Lebensräume wie Mauritius auf die Wiedereinführung des Dodos reagieren würden, nachdem der Vogel für über 300 Jahre abwesend war und die Natur sich weiterentwickelt hat. 

Kooperation mit Naturschutzorganisation

Derweil wurde im November 2023 bekannt, dass Colossal eine Partnerschaft mit der Mauritian Wildlife Foundation (MWF) eingegangenen ist. Ziel der Zusammenarbeit ist es, herauszufinden, wo der ausgestorbene Vogel erfolgreich wiederangesiedelt werden könnte, nachdem grosse Teile des natürlichen Lebensraums Zuckerrohrplantagen, Dörfern, Strassen und Stauseen weichen musste. Da der Dodo mit seinem grossen Schnabel unter anderem Früchte mit grossen Samen verzehrte, könnte seine erneute Ansiedlung den teilweise stark bedrohten Pflanzenarten helfen, die sich ohne ihn zu wenig gut auf der Insel verteilen.