Mamablog: Mütter auf InstagramUnd wie macht sie es?
Bloggerin Ellen Girod denkt über die weibliche Suche nach einem besseren Leben nach – und wie Instagram die Rahmenbedingungen dafür grundlegend verändert hat.
Eine Gaststube in den Bergen. Vier Frauen. Alleinreisende. Dieses Leisesein, dieses Rücksichtnehmen sind kaum auszuhalten. Good girls. Aufeinander achten ist ja wichtig und richtig und schön. Aber dennoch frage ich mich: Wie klänge es, wenn vier Männer hier speisen würden? Und warum sind wir Frauen so oft so leise?
Drei Frauen betreten gemeinsam die Gaststube. Der Raum füllt sich mit Stimmen. Wie unterschiedlich sich Frauen verhalten, wenn sie allein sind oder in der Gruppe.
Ihr Gespräch dreht sich um einen Pullover. Eine der Damen streichelt ihre Taille, dem Stoff entlang, sie demonstriert, wie unglaublich weich er ist. Ich tippe auf Kaschmir. Sie scheint aufrichtig begeistert über ihr Wohlbefinden zu sein, was irgendwie schön ist mitzubekommen. «Every girl should own good quality cloths», sagte einst Anna Delvey im Film «Inventing Anna». I couldn’t agree more. Wie schön das wäre, wenn sich jedes Mädchen dieser Welt weiche und gut sitzende Kleider leisten könnte.
Früher Tupperware-Partys, heute Rabattcodes
Zurück zu den Freundinnen: Die anderen beiden – weniger normschön als ihre Freundin – hören interessiert zu. Wo sie den Pulli denn her habe? Womöglich streifen sie sich das wunderbare Teil gedanklich gerade über. Die Erzählung dreht sich um den Laden und wechselt dann zur Strumpfhose. Diese scheint ebenso weich, die Dame streichelt sich nun über die Waden. Gedanklich befinde ich mich schon im Falke-Shop am Rennweg in Zürich und kaufe mir die verdammte Kaschmirstrumpfhose.
Endlich hat sie was zu sagen und endlich wird sie gehört.
Ich folge auf Instagram vielen Frauen, die ihre Tipps und Erkenntnisse mit anderen – meist Frauen – teilen. Was früher Tupperware-Partys waren, sind heute Rabattcodes, Affirmationsanleitungen oder Buchtipps. Ich denke an eine Mitschülerin, die während unserer Schulzeit nie sprach, weder in der Klasse noch in der Pause. Seit sie allerdings Mutter ist, erzählt sie allen wie angefressen von ihren Kocherfahrungen mit Thermomix. Sie ist nicht mehr leise. Scheint unter Müttern ihre Nische gefunden zu haben. Endlich hat sie was zu sagen und endlich wird sie gehört.
Raus wollen und andere gleich mitbefreien
Ist es ein Versuch oder die Suche von Frauen nach einem besseren Leben? Danach, uns wohl(er) zu fühlen? In einer Welt, einer Gesellschaft, die nicht für uns konstruiert scheint. In der sich viele unwohl fühlen. Raus wollen. Und andere gleich mitbefreien.
Und vielleicht wird es für die eine die überteuerte Strumpfhose sein, die ihr zu mehr Wohlbefinden verhilft. Sich eine Kaschmirhülle verpassen, die vor dem Patriarchat schützt. Und für die andere wird es vielleicht was komplett anderes sein. Was uns aber alle verbindet: Manchmal sind wir diejenigen, die suchen und unsere Tipps dann begeistert teilen. Und manchmal sind wir diejenigen, die interessiert zuschauen und uns fragen: Wie macht sie es?
Dieser Text erschien zuerst in kürzerer Form auf dem Instagram-Account der Autorin: @chezmamapoule
Anmerkung der Autorin: Wenn ich von Frauen schreibe, meine ich damit alle Menschen, die sich als solche identifizieren.
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