Leichtathletik in OsloUnd immer wieder springt einer dazwischen, irgendwo
«Diamond League anders» ist das Motto – und erleidet Schiffbruch. Nur Karsten Warholm rockt.
Nach rund 60 Minuten ist die Geisterstunde vorbei und man bleibt ziemlich ratlos, verwirrt und kopfschüttelnd zurück. Geschichten wolle man erzählen, hatte Steinar Hoen gesagt, in jedem Wettkampf eine Geschichte. Der einstige Hochspringer ist heutiger Meetingdirektor der Bislett Games in Oslo – die am Donnerstagabend als erster Event der Diamond-League-Serie 2020 stattgefunden haben. Nicht als Bislett, sondern als «Impossible Games».
Die Leichtathletik ist zurück! Und damit auch die Vorfreude – und die Erwartungen. Oslo hat schon vor langem ein auch von dieser Zeitung als «innovativ» bezeichnetes Programm präsentiert – eines, das auch in Corona-Zeiten möglich ist. Spezielle Disziplinen, geteilter Bildschirm, Abstand. Im Nachhinein muss man sagen, dass die «Impossible Games» nie unnachahmliche Spiele haben werden können, es sind bis auf zwei Ausnahmen unmögliche Spiele geworden.
Eine ungerade Zahl Papp-Zuschauer im Stadion
Aber: Wen wundert das? Ein Stadion, das man noch nie leer gesehen hat, eine ungerade Zahl Papp-Zuschauer stumm und steif, ein paar Dutzend verlorene Funktionäre, und eine Handvoll Athleten, «die ganz froh» waren, wieder einmal einen Wettkampf zu absolvieren, wie Hürden-Europameisterin Lea Sprunger sagte. Ohne Adrenalin, ohne Anspannung, ohne Kick.
Die Veranstalter haben geträumt von einem 2000-m-Duell der Brüder Ingebrigtsen gegen ein Trio Kenianer, angeführt von Weltmeister Timothy Cheruiyot. Die einen laufen in Oslo, die anderen in Nairobi – split screen. SRF-Kommentator Patrick Schmid sagt: «In Kenia wird zeitgleich gelaufen.» Zwei Sätze später: «Sie sind schon gelaufen, aber niemand weiss ihre Zeit.» Was ist jetzt genau? Es wird dann gelaufen, die Norweger und vor allem Jakob Ingebrigtsen hervorragend und in Europarekordzeit (4:50,04), die Afrikaner bei misslichen Bedingungen erbärmlich, nur zwei erreichen das Ziel. Das Team kann nicht gewertet werden.
Karsten Warholm, der Retter
Man muss Steinar Hoen zugute halten, dass zumindest gewisse Ideen gut waren. Wenn Armand Duplantis Stab springt, ist das eine Show für sich. Er kann das auch alleine. Aber da springt immer wieder einer bei böenartigen Winden dazwischen. Es ist Renaud Lavillenie zuhause im Garten bei Clermont-Ferrand. Anlauf beim Gartenhaus, Absprung bei Nachbars Baum. Nicht live. Auch er ist schon am Mittwoch gesprungen. Das Duell also ein vorgegaukeltes, das Duplantis mit 5,86 m gewinnt.
Lea Sprunger und Selina Büchel gehörten zu den wenigen eingeflogenen Gästen. Sprunger nahm sich Zeit, ihren 13er-Rhythmus zu üben, Büchel fehlte noch die Schnelligkeit über 600 m. Nur ein Rennen wird man sich noch zwei-, dreimal anschauen: Wie Weltmeister Karsten Warholm die 300 m Hürden rockte: Gewohnter Fäustewirbel auf die Brust, horrend schneller Start, horrend schnell alles – und in 33,79 eine Weltbestzeit. Auch er kann das allein. Aber auch ihm hätte ein wenig Applaus gutgetan. Leichtathletik in dieser Luftleere bleibt anspruchsvoll. Aber: je einfacher, desto verständlicher.
Fehler gefunden?Jetzt melden.