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Nationalgoalie Yann Sommer
Kritik, Zweifel, Neuer-Rückkehr – was er zu den turbulenten Wochen sagt

Gesucht ein Goalie: Yann Sommer mitten im Gedränge nach einem Training mit der Nationalmannschaft in Locarno.
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Als Yann Sommer am Sonntag in Tenero vom Trainingsplatz kam, verschwand er auf einmal. 3200 waren gekommen, um die Nationalmannschaft vor dem EM-Qualifikationsspiel am Freitag in Andorra trainieren zu sehen, und viele von ihnen bedrängten den Goalie mit dem Zahnpastalächeln. So etwas nennt man Popularität.

Elf Jahre ist es jetzt her, dass er sein Debüt im Schweizer Goal gab, beim 0:1 in einem Test gegen Rumänien. Von der Mannschaft, die damals auf dem Platz stand, ist nur einer noch dabei, der ewige Granit Xhaka.

Zwei Jahre später, nach der WM in Brasilien, übernahm Sommer von Diego Benaglio die Nummer 1, und seither hat er sie nie mehr abgegeben. Es hat auch in dieser langen Zeit nie Zweifel daran gegeben, dass er der Richtige im Tor ist. Auf ihn ist immer Verlass gewesen.

Nun hat er vier Monate hinter sich, in denen er erlebte, dass es auch ganz anders sein kann, viel lauter und viel hektischer als in der Schweiz oder in den achteinhalb Jahren, die er bei Borussia Mönchengladbach verbrachte. Niemals war sein Status angezweifelt worden, sein Status als Captain, als Publikumsliebling und Grossverdiener – niemals, bis er schliesslich Ende Januar von Gladbach nach München wechselte.

Die Zweifel an seiner Klasse

Als er beim FC Bayern die Chance bekam, den verletzten Manuel Neuer zu ersetzen, sagte er wohl, er kenne den Club, seine Grösse und Power. Das tun alle, bloss ist es ein Unterschied, etwas zu kennen oder etwas selbst zu erleben. «Es waren schon sehr intensive vier Monate», sagt Sommer heute. 

Das tönt nach einer geschönten Version für das, was tatsächlich war. Diese Unruhe wegen schlechter Leistungen der Mannschaft, der Niederlagen in Cup und Champions League, der anhaltenden Kritik an den Chefs Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic, der Entlassung von Julian Nagelsmann als Trainer, der Interna, die nach aussen drangen wie die Attacke von Sadio Mané in der Kabine auf Leroy Sane …

Die Unruhe war derart gross, weil auf einmal gleich alle Saisonziele in Gefahr schienen. Und es ging eben auch um Yann Sommers Befähigung, der Ersatz von Neuer zu sein. Überraschen kann es nun nicht, wenn Sommer nicht in sein tiefstes Inneres blicken lässt, wenn er nicht erzählt, was die Kritik, die auf ihn einstürzte, wirklich mit ihm machte und wie sie ihn teilweise auch für Fachleute sichtbar verunsicherte. Er entgeht dem Thema, indem er sagt: «Kritik interessiert mich nicht, wenn sie unsachlich wird.» Irgendwann will er auch nichts mehr gelesen haben. Das bedeutet allerdings nicht, dass er nichts mehr mitbekommen hat. Es gibt immer genug Leute, die einen Spieler informieren.

Losgetreten hatte alles der Sky-Experte Dietmar Hamann Mitte April nach dem 0:3 in der Champions League auswärts gegen Manchester City. Der frühere Spieler von Bayern und Liverpool erklärte Sommer für «heillos überfordert», Sommer habe nicht nur in diesem Spiel, sondern schon seit Wochen die Mannschaft verunsichert.

Der Konter auf die Kritik

Die Lawine rollte los und war nicht mehr zu stoppen, weil solche Leute wie Hamann in Deutschland Einfluss auf die öffentliche Meinung haben. Vom Verein gab es keinen Vorstandsvorsitzenden oder Sportvorstand, der sich hörbar vor Sommer stellte. Der neue Trainer, Thomas Tuchel, schwärmte lieber ausführlich von Neuers Rehabilitation und Renommee, bis ihm dann doch noch einfiel, dass es im Moment mehr auf Sommer ankam, und er ihm so pro forma das Vertrauen aussprach.

«Die Kritik war teilweise …», fängt ein Journalist am Montag nach dem Training in Tenero einen Satz an. Und Sommer ergänzt ihn: «... sehr unsachlich.» Sie war für ihn auch heftig. Er versucht sich das nun damit zu erklären, dass das halt Bayern München sei, da gehöre das dazu. Die Medien rund um diesen Verein seien sehr gross, sehr viele Leute würden mitreden. Aber eben, und das sagt er mehr als einmal: Unsachliches will er verdrängt haben. «Und am Ende», auch das hält er mehr als einmal fest, «sind wir Meister geworden.»

Das Finale der Bundesliga war dramatisch. Bayern musste bei seinem Spiel in Köln darauf hoffen, dass Borussia Dortmund nicht gegen Mainz gewinnt. Dortmund gewann nicht, Bayern dagegen schon und war darum Meister. «Am Schluss haben sie es nicht gepackt», sagt Sommer mit Blick auf die Dortmunder. Für ihn ist das schon fast ein forscher Satz, weil er auch als Kritik am Gegner gelesen werden könnte.

Eine Schale für den Captain: Manuel Neuer stemmt die Meistertrophäe als Erster, Yann Sommer jubelt im Hintergrund (am linken Bildrand). 

Als die Bayern den Pokal für den elften Titel in Folge bekamen – der Pokal ist in Deutschland ja eine Schale –, drängte Manuel Neuer in den Mittelpunkt. Genau der Neuer, der mit seiner unbedachten Skitour, die im Dezember mit einem Schien- und Wadenbeinbruch und monatelangem Ausfall geendet hatte, so viel zur Unruhe beigetragen hatte. Sommer störte sich nicht daran, dass er im Hintergrund landete. «Er ist der Captain der Mannschaft, Punkt», sagt er zu Neuer, «es ist sein gutes Recht, die Schale als Erster hochzuheben.»

Aber was bringt die Zukunft?

8 Millionen Euro (plus Boni) betrug die Ablöse für Sommer im Januar. Jetzt ist die Frage, wie es mit ihm in München weitergeht. Neuer drängt zurück ins Tor, daran lässt der 37-Jährige selbst keinen Zweifel, und er, über viele Jahre der Weltbeste seines Fachs, ist weiterhin zu ehrgeizig, um einem Konkurrenten auch nur eine Minute an Spielzeit freiwillig zu überlassen.

«Ich bin ganz entspannt», sagt Sommer, «ich habe noch zwei Jahre Vertrag beim FC Bayern.» Als könne man ihm glauben, schiebt er nach: «Ich bin ganz entspannt. Wirklich.»

Das mag er sein, zumal der Vertrag gut dotiert ist, mit geschätzt 8 Millionen Euro. Aber wenn er dauerhaft hinter Neuer anstehen muss, dann bringt er etwas anderes in Gefahr: seinen Platz als Nummer 1 im Nationalteam. Coach Murat Yakin ist bekannt dafür, dass er gerne auf Spieler setzt, die in ihren Clubs zum Einsatz kommen.

Sommer hört sich den Einwand an und bleibt Sommer-mässig ruhig. «Ich kann dazu noch gar nichts sagen, weil das so weit weg ist», entgegnet er. «Jetzt kommt die Nationalmannschaft. Dann freue ich mich auf ein paar erholsame Tage. Und dann kommt die Zukunft.»