UKW-Abschaltung «Die SRG wird einen Shitstorm erleben, wie sie noch nie einen erlebt hat»
Radiopionier Roger Schawinski hält den Entscheid, auf UKW zu verzichten, für falsch. Er wirft der SRG vor, mit irreführenden Zahlen zu argumentieren.
Überraschend hat die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) am Donnerstag mitgeteilt, dass sie ab Ende Jahr keine Radioprogramme mehr via Ultrakurzwelle UKW ausstrahlt.
Wer die Mittagsnachrichten, Verkehrsmeldungen und das «Echo der Zeit» hören will, muss das künftig also digital tun, entweder über DAB+ oder über das Internet. Vom UKW-Ende bei der SRG nicht betroffen sind die Privatradios, die auf UKW weitersenden können.
Überraschend ist der Schritt der SRG, weil der Bundesrat erst im letzten Sommer den definitiven UKW-Abschalttermin von 2024 um zwei Jahre auf Ende 2026 verlegt hatte.
Die SRG prescht also vor und nennt drei Gründe: Die «reine UKW-Nutzung» stagniere «bei unter 10 Prozent», UKW sei «veraltet», und neue Investitionen in diese Technik seien «unverhältnismässig».
33 Prozent nutzen immer noch UKW
Für Privatradio-Pionier Roger Schawinski ist der SRG-Entscheid unverständlich: «Spätestens wenn die SRG die UKW-Sender wirklich abschaltet, wird sie einen Shitstorm erfahren, wie sie ihn noch nie erlebt hat.» Sein eigener Sender Radio 1 wird auf UKW weitersenden.
Schawinski stört sich an allen drei Abschaltgründen der SRG. Er hält die Zahl von 10 Prozent «reiner» UKW-Hörerinnen und -Hörer für nicht relevant. Die Zahl sage nur etwas darüber aus, wie viele Leute Radio ausschliesslich über UKW empfingen. «Aber die meisten hören mit verschiedenen Geräten an verschiedenen Orten.»
Eine Studie des Bundesamts für Kommunikation zeigt tatsächlich, dass 33 Prozent der Bevölkerung im Auto und im Haushalt nach wie vor auch UKW nutzen. «Die SRG argumentiert also manipulativ mit falschen Zahlen. Das finde ich stossend», sagt Schawinski.
Auch im zweiten Punkt widerspricht der Privatradio-Unternehmer der SRG: «UKW ist alt, aber nicht veraltet.» Die Technik sei nach wie vor weltweit die mit Abstand am meisten verbreitete Verbreitungsmethode fürs Radio. «Sie funktioniert weiterhin hervorragend!»
«Schweiz wird zum schwarzen Loch»
Schawinski fürchtet, die Schweiz werde jetzt punkto UKW zu «einem schwarzen Loch». In der Tat hat zum Beispiel Bayern kürzlich die UKW-Verbreitung weiter verlängert.
Schawinski sorgt sich denn auch um Automobilisten aus Deutschland oder den Niederlanden – wo DAB+ viel weniger verbreitet ist. «Viele können dann bei uns die Verkehrsnachrichten nicht mehr hören – und das im Transitland Schweiz.»
Schliesslich glaubt Schawinski nicht, dass sich das UKW-Aus für die SRG rechnet. «Die in der Mitteilung erwähnten Investitionskosten sind ein Witz: Die Sender laufen und sind längst abgeschrieben.» Schawinski ist überzeugt, die SRG wolle «aus politischen Gründen auf dramatische Weise» demonstrieren, dass sie unter massivem Kostendruck stehe.
SRG-Sprecher Nik Leuenberger dementiert: «Wir reden von rund 15 Millionen Franken pro Jahr.» Dieser Betrag falle für Unterhalt und Betrieb von 850 UKW-Sendeanlagen an. «Dieses Geld kann viel besser in journalistische Inhalte investiert werden.»
Das UKW-Aus ist laut Leuenberger keine Sparmassnahme und schon gar keine neue: Die 15 Millionen hatte die SRG auf das ursprünglich geplante UKW-Aus Ende 2024 schon länger aus dem Budget gestrichen.
«ESC kostet das Dreifache»
Schawinski ist dennoch skeptisch: «Die 15 Millionen sind weniger als ein Prozent des Budgets. Den Eurovision Song Contest nächstes Jahr in der Schweiz auszurichten, kostet das Dreifache.»
Schawinski fragt sich, ob das UKW-Aus mit der neu gewählten Generaldirektorin Susanne Wille abgesprochen war. «Offenbar wollte die SRG das Problem aus dem Weg räumen, bevor sie ihr Amt antritt.»
SRG-Sprecher Leuenberger kontert: «Nein, dieser Prozess läuft bereits seit zehn Jahren. Die Branche ist sich seit damals einig, dass DAB+ die Ultrakurzwelle als wichtigste Radio-Verbreitungstechnologie ablöst.»
Die UKW-Abschaltung durch die SRG stehe auch nicht in einem Zusammenhang mit der Halbierungsinitiative und dem Beschluss des Bundesrats, die Empfangsgebühr zu kürzen.
Für Roger Schawinski ist klar, dass sich DAB+ nie richtig durchgesetzt hat. «Aber der Bund und die SRG wollen die Transformation auf Teufel komm raus durchwürgen, indem sie UKW vorzeitig abschalten.»
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